Die von den US-Republikanern angestrebte Steuerreform begünstigt vor allem Unternehmer

Geschenke für die Unternehmen

Die US-Regierung will noch vor Jahresende ihre Steuerreform durchsetzen, die vor allem Unternehmen zugute käme. Kürzungen im Sozialbereich sollen die verringerten Einnahmen ausgleichen.

Nach fast einem Jahr an der Regierung haben die Republikaner in den USA nicht viel vorzuweisen. Das soll sich nun ändern: Noch bis Ende des Jahres soll eine umfassende Steuerreform verabschiedet werden, schließlich möchte man nicht mit leeren Händen ins nächste Jahr gehen, denn das könnte sich auf die Midterm-Wahlen 2018 fatal auswirken – abgesehen davon, dass auch den wichtigen republikanischen Parteispendern langsam die Geduld ausgeht. Das, was in den bisherigen Gesetzentwürfen steht, sollte sie freuen; die Steuerreform ist ein Weihnachtsgeschenk für die Unternehmer. Entsprechend reagierte der Aktienmarkt, die Kurse brachen in den vergangenen Tagen und Wochen erneut Rekorde.

 

Reformvorschläge in einer Nacht- und Nebelaktion verabschiedet

Bis dato haben sowohl der Kongress als auch der Senat entsprechende Gesetzesvorschläge verabschiedet, diese weichen jedoch in einigen Kernpunkten voneinander ab. Derzeit versuchen die Republikaner in ihren Tagungen, die Entwürfe miteinander abzugleichen, erst danach kann es eine endgültige Abstimmung geben. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, und der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, geben sich zuversichtlich, dass das bis Weihnachten geschehen wird. Dann hätten die Republikaner eben mal die größte Nationalökonomie der Welt binnen knapp sechs Wochen drastisch umstrukturiert. Die Partei ist optimistisch, der Rest des Landes eher nicht. In den Umfragen ist die Steuerreform zutiefst unbeliebt, den renommierten Meinungsforschungsinstituten Gallup und Quinnipiac zufolge bewerten gerade einmal 29 Prozent der US-Bürgerinnen und -bürger den sogenannten Tax Cut and Jobs Act (TCJA) positiv. Selbst unter republikanischen Wählerinnen und Wählern liegt die Zustimmung nur bei 40 Prozent.

Die meisten Wählerinnen und Wähler dürften nicht einmal wissen, was alles auf sie zukommt, schließlich wurden die Reformvorschläge des Senats in einer Nacht- und Nebelaktion um zwei Uhr morgens am 2. Dezember abgenickt. Noch in den letzten Minuten gab es Änderungen, von denen einige handschriftlich an den Rändern des Gesetzestextes notiert wurden.

Gerade diese letzten hastigen Änderungen könnten den Abgleich der beiden Gesetzestexte noch schwieriger gestalten als erhofft. So ist im Senatsgesetz offenbar ein Rechenfehler von etwa 100 Milliarden US-Dollar zutage getreten, wie Lily Batchelder, eine Professorin für Steuerrecht an der New York University, kritisiert hat.

Der Kern der Reform ist eine Senkung der Unternehmenssteuer von 35 Prozent auf 20 Prozent. Oder auch nicht: »Es könnten 22 Prozent sein oder aber auch 20 Prozent. Wir werden sehen, was letztlich rauskommt«, sagte US-Präsident Donald Trump auf einer Pressekonferenz am 2. Dezember, nur wenige Stunden, nachdem der Senat sein Gesetz verabschiedet hatte. »Jetzt fangen wir mit den Verhandlungen an, und dabei wird etwas Schönes rauskommen«, so Trump.

Eben diese Verhandlungen hat Trump der Website Politico.com zufolge mit seiner Bemerkung unnötig verkompliziert. Noch im November hatte Ryan vor laufender Kamera scherzhaft gesagt, die Steuerreform stehe gut da, auch »weil der Präsident in Asien ist«, also weit weg. Doch nun ist Trump wieder da und sorgt, wie immer, für Verwirrung. »Wir finden es gar nicht gut, wenn man die Unternehmenssteuer in Frage stellt«, so Adam Brandon, der Vorsitzende der konservativen Lobbygruppe Freedom Works, in einer öffentlichen Stellungnahme. »Eine Unternehmenssteuer von 20 Prozent ist unglaublich wichtig, denn wie brauchen eine möglichst niedrige Rate, um ­sicherzustellen, dass wir vor der nächsten Wahl ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent erreichen.«

Mit dieser Argumentation offenbart Brandon auch das politische Kalkül hinter der Reform – eine starke Wirtschaft würde als Erfolg der Republikaner verbucht und diesen bei den Midterm-Wahlen im kommenden Jahr und der Präsidentschaftswahl 2020 zugute kommen. Die erhofften Vorteile der Steuerreform müssten dafür aber sofort eintreten. Auch für die Mittelklasse sollen die Steuern gesenkt werden, allerdings nur auf Zeit. Nach zehn Jahren würden für viele Menschen, die weniger als 75 000 US-Dollar im Jahr verdienen, die Ausgaben steigen. Der wesentliche Grund dafür ist, dass man die Doppelbesteuerung der US-Staaten und der Bundesregierung in Washington nicht mehr steuerlich absetzen kann; damit setzt die Bundesregierung die einzelnen Staatshaushalte unter Druck.

Doch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Reform sind noch nicht klar abzusehen. Die Meinungen der Wirtschaftswissenschaftler gehen auseinander, die Mehrheit äußert sich eher verhalten. »Wir sind der Meinung, dass der Effekt im Jahr 2020 und darüber hinaus minimal erscheint und sogar leicht negativ sein könnte«, so ein Bericht der Investmentbank Goldman Sachs.

Dafür gibt es drei Gründe: Erstens ist die US-Wirtschaft derzeit durchaus robust, die offizielle Arbeitslosenrate liegt bereits unter fünf Prozent. Eine zusätzliche Steuererleichterung für Unternehmen könnte zu einer Steigerung der Leitzinsen führen, mittelfristig fürchten manche Ökonomen eine Inflation. Des Weiteren werden andere Länder vermutlich entsprechend reagieren und ihre Unternehmenssteuern ebenfalls senken. Nach Angaben der Interessensgruppe Alliance for Competitive Taxation haben bereits neun OECD-Länder für 2020 eine niedrigere Unternehmenssteuer als die USA angekündigt, die Steuerpläne der Republikaner könnten einen Wettlauf nach unten vorantreiben. Drittens schließlich würde gemäß einer Analyse des unparteiischen Congressional Budget Office (CBO) das Staatsdefizit der USA mit Inkrafttreten der Reform um schätzungsweise 1,4 Billionen US-Dollar steigen. Dies straft die offiziellen republikanischen Dogmen des Schulden­abbaus und Haushaltsausgleichs Lügen. Bisher war immer Sparen angesagt, aber offensichtlich nicht bei der Unternehmenssteuer.

 

Ein zynisches Spiel

Wo also soll das Geld herkommen? »Nächstes Jahr müssen wir zu einer Reform der Sozialprogramme zurückkehren«, so Ryan vergangene Woche in einem Radiointerview. Damit meint er Ausgabenkürzungen im sozialen Bereich. Einige schmerzhafte Einschnitte würden bereits mit der Verabschiedung der Steuerreform in Kraft treten, was an den Haushaltsregeln des Kongresses liegt. Diese schreiben vor, dass entstehende Defizite durch Ausgabenkürzungen auszugleichen sind, so zum Beispiel beim Krankenversicherungsprogramm Medicare für ältere Menschen und Behinderte.

Wieder einmal sollen also die Schwächsten in der Gesellschaft zur Kasse gebeten werden. Auch wird mit der Reform die Krankenversicherungspflicht, die von der Regierung Barack Obamas beschlossen wurde, faktisch außer Kraft gesetzt. Das spart zwar dem Staat Geld, kann aber dem CBO zufolge dazu führen, dass bis zu 13 Millionen Menschen den Versicherungsschutz verlieren. Ein zynisches Spiel. Und Präsident Trump, der nach einem schwierigen Jahr endlich einen legislativen Sieg verbuchen will, spielt nur zu gerne mit. »Wir ­werden uns nach der Steuerreform sehr stark um eine Reform des sozialen Netzes bemühen«, so der Präsident. Dabei ist die Steuerreform nicht seine eigene Idee. Die bisherigen Gesetzesvorschläge entsprechen voll und ganz den Vorstellungen des Kongresses und des Senats, in denen die Republikaner die Mehrheit stellen. Zwar wird Trump oft, und nicht zu Unrecht für die wachsende soziale Ungleichheit in den USA verantwortlich gemacht, doch die Steuerreform zeigt, dass auch die Republikanische Partei ihren Teil dazu beiträgt.