Sympathie für die Gollwitzer?

Man müsse Diskussionsforen zwischen Gollwitzern und Juden einrichten, um Vorurteile abzubauen, meint Hanno Harnisch, Pressesprecher der PDS. Von einer Protestdemonstration vor Ort hält er nichts, damit würde man die Gollwitzer nur "in die rechte Ecke treiben". Ein Sprecher der VVN erklärt kategorisch: Demonstrationen, die sich "gegen die Bevölkerung richten", unterstütze seine Organisation grundsätzlich nicht. Ein Berliner Vorbereitungskreis, der zu einer "Demonstration gegen Antisemitismus, Rassismus und völkischen Terror am 59. Jahrestag des Novemberpogroms von 1938" aufruft, hat weniger Skrupel im Umgang mit den brandenburgischen Dorfbewohnern. "Nach Rostock, Hoyerswerda, Basdorf, Lübeck, Babenhausen, Mölln, Dolgenbrodt gilt nun für Gollwitz: Wer diese Bevölkerung heute in Ruhe läßt, entlastet nicht nur sie und die Brandenburgische Landesregierung, sondern hilft mit, die nächsten 'juden- und ausländerfreien' Kommunen vorzubereiten." Der Beschluß

Teile der Linken haben Verständnis für Antisemitismus.
Andere rufen zu einer Demonstration gegen die Dörfler aufdes Gollwitzer Gemeinderats, keine Juden aufnehmen zu wollen und seine prompte Sanktionierung durch Ministerpräsident Stolpe gemahne "an die mittlerweile lange Liste der Orte, in denen Deutsche ihr Recht durchsetzen, unter sich zu bleiben. Bisher waren dafür außerparlamentarische Anstrengungen von der Sraßenblockade (Basdorf) bis hin zum Mordversuch (Rostock etc.) nötig, nun reicht die Drohung: 'Wollt ihr ein zweites Dolgenbrodt?'"

An Dolgenbrodt sah sich auch der PDS-Landtagsabgeordnete Matthias Gärtner aus Magdeburg erinnert, als er von dem Demo-Projekt erfuhr. Er kritisierte die Begleitumstände der Demo im vergangenen Jahr, z.B. die Forderung an die Dolgenbrodter, wer kein Rassist sei, solle dies gefälligst durch eine weiße Fahne signalisieren. So markig hatte sich damals ein von der "Antifaschistischen Aktion Berlin" initiiertes Bündnis in ihrem Demo-Aufruf geäußert. Gärtners Bedenken dürften unbegründet sein. In einem Anschreiben an potentielle Unterstützer der Gollwitz-Demo erklärt der Berliner Vorbereitungskreis: "Die Demonstration soll hauptsächlich einen Bezug zum 59. Jahrestag des Novemberpogroms herstellen, das soll vor allem im Charakter der Demonstration seinen Ausdruck finden: Wir wollen keine 'kämpferische' Demonstration mit entsprechenden Parolen." Auf Nachfrage der Jungle World präzisierte ein Sprecher des Vorbereitungskreises diese Aussage. Man wolle vermeiden, daß ausgerechnet am 9. November eine Parole wie "Deutschland verrecke" gerufen werde oder die üblichen Festnahmen wegen Vermummung vorgenommen würden.

Der Unterstützerkreis für die Aktion ist bisher klein. Aus dem antifaschistischen Spektrum etwa rufen lediglich das "Bündnis gegen Rechts" aus Leipzig und die AAB aus Berlin auf. Dazu kommen MigrantInnengruppen wie Café Morgenland aus Frankfurt, Köxüz aus Berlin, Devrimci Genclik aus Freiburg, und Grenzfall aus Bonn, die Zeitschriften Bahamas und 17¡ C sowie linke Gruppen wie das Antinationale Plenum Detmold und das Antinationale Büro aus Hamburg sowie einige Asten und, als Einzelaufrufer, die Sängerin Esther Bejerano und Hans Frankenthal, beide Mitglied des Auschwitz-Komitee.

Die Mehrheit der deutschen Linken scheint kein Interesse zu haben. Die Begründung dafür, warum Gollwitz keinen Protest wert sei, liefern ihnen Blätter wie die junge Welt und die Hamburger Monatszeitung ak. "Seit ihrem Nein zu den Plänen müssen sich die Gollwitzer in den Medien als Antisemiten, Rassisten und Ausländerfeinde beschimpfen lassen", hatte sich die jW unter der Schlagzeile "Pressegeier über Gollwitz" empört. Daran orientierte sich der Hamburger ak vom 23. Oktober 1997 und titelte: "Gollwitz und die Heuchler". Im Text heißt es: "Für viele ex-linke AutorInnen von der taz bis zur Jungle World, ist Gollwitz wieder einmal der Beweis, daß sie ganz richtig gehandelt haben, als sie sich von jeder Form sozialistischer Politik verabschiedet haben." Für ak steht fest: "Ausländerfeindliche Politik wird in Bonn konzipiert, nicht in den Dörfern." Diejenigen, die das anders sehen, machten Gollwitz zum "Sündenbock", um sich "auf risikolose und unverbindliche Weise ihre eigene Vortrefflichkeit bestätigen (zu) können."

Die Demonstration findet am 9. November um 13.00 Uhr in Gollwitz, Landkreis Potsdam-Mittelmarkt statt. Am Vorabend (8. November, 19 Uhr) gibt es in Berlin eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Der Antisemitismus und die nationale Solidarität mit dem Mob". Von Berlin aus werden Busse nach Gollwitz bereitgestellt. Kontaktstelle ist die Bahamas-Redaktion, wo man auch Plakate und Flugblätter bestellen kann. Anrufbeantworter und Fax unter 030/623 69 44.