Die Antifa am Marterl

Bundesweite Durchsuchungsaktion gegen bundesweite Antifa-Organisation

Die Staatsanwaltschaft München I hat in den vergangenen fünf Jahren ganze Arbeit geleistet: Seit 1993 ist sie einigen Antifaschisten auf der Spur, die der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Sinne des Strafrechtsparagraphen 129 verdächtigt werden. Aufmerksam geworden ist Oberstaatsanwalt Manfred Wick auf die Beschuldigten in dem niederbayerischen Donaustädtchen Passau. Bundesweit verteilt, soll laut den Münchener Ermittlern "eine Gruppe von insgesamt 39 Personen des 'antifaschistischen' Spektrums Passau innerhalb eines organisatorischen Rahmens (möglicherweise identisch mit der 'Antifaschistischen Aktion') Straftaten verüben", unter anderem Raub, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Bedrohung.

Bei 28 von ihnen schlug die Polizei am Dienstag der vergangenen Woche zu: Insgesamt 36 "Objekte" - Wohn- wie Geschäftsräume in Hamburg, Berlin, München, Göttingen, Bielefeld, Nürnberg, Mühldorf und Passau - wurden zeitgleich durchsucht, mehrere der Beschuldigten wurden dabei erkennungsdienstlich behandelt, gefilmt oder fotografiert. Ziel der Aktion war offensichtlich das Ansammeln von Material über die bundesweit organisierte Antifaschistische Aktion. Im Durchsuchungsbeschluß z.B. gegen einen Berliner Beschuldigten ging es nicht nur darum, ihm Straftaten nachzuweisen, sondern auch seine Verbindungen zur Antifa-Szene auszukundschaften. Es bestehe "der Verdacht, daß der Beschuldigte als Mitglied der 'Antifaschistischen Aktion' und über ein qualitativ hoch anzusetzendes Kontaktfeld innerhalb der Szene in führender Funktion in die Vorbereitung und Durchführung von Aktionen und Straftaten der 'antifaschistischen' Szene eingebunden" sei.

Aus den neun in der Hauptstadt betroffenen Wohnungen nahmen die Beamten neben Computern, Disketten, Funktelefonen und persönlichen Unterlagen auch Ausgaben der Zeitschrift konkret mit. Zuvor hatten übereifrige Polizisten bereits eine Nachbarin erschreckt, indem sie mit gezogener Dienstwaffe die falsche Wohnung stürmten.

Im niedersächsischen Göttingen begnügte sich die Münchener Staatsanwaltschaft mit der polizeilichen Begehung zweier Wohnungen, sowie einer Druckerei und eines Buchladens. Dort zielten Wick und Kollegen insbesondere auf den "strukturellen Aufbau der 'Antifaschistischen Aktion / bundesweite Organisation' (AA/BO)", deren interne Arbeitsteilung, Protokolle sowie Mitgliedslisten, "Kampagnenplanungen" und "Abhandlungen zur Militanzfrage". Außerdem erhofften sich die Ermittler hier Material über den Verein Rote Hilfe. Dessen Passauer Ortsgruppe stehe laut Durchsuchungsbegründung im Verdacht, "eine Teilorganisation der 'Antifaschistischen Aktion Passau'" zu sein. Außerdem vermuteten sie in Göttingen die Zentrale der AA/BO, verkörpert durch die Autonome Antifa (M).

Diese hat bereits Erfahrungen mit dem Vorwurf "Bildung einer kriminellen Vereinigung." Erst im Juli 1996 war ein gleichlautendes Verfahren gegen 17 mutmaßliche Mitglieder der Antifa (M) eingestellt worden. Auch in Passau selbst ist die Durchsuchungsaktion keine Neuheit: Im Frühjahr des Jahres 1995 gab es mehrere polizeiliche Durchsuchungen in Verbindung mit einer vermuteten Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129a. Drei der Betroffenen nahmen sich damals wenig später das Leben.

Die aktuellen Durchsuchungsaktion haben keine spektakulären Funde, wie etwa Waffen, zutage gefördert. Anders bei 39 Rechtsextremen im Raum Postdam und Magdeburg, bei denen einige Tage zuvor unter anderem 60 Gewehre und mehrere Kilogramm Sprengstoff gefunden wurden. Einen "Verdacht auf eine militante Vereinigung" konnte die Staatsanwaltschaft Potsdam hier trotzdem nicht erkennen.

Für die Antifa (M) war die Aktion der Staatsanwaltschaft München vor allem ein "gezielter Zerschlagungsversuch" gegen die Antifaschistische Aktion Passau und stelle damit auch einen "bewußten Angriff" gegen die AA / BO dar. Dagegen ging einer der Betroffenen im Gespräch mit Jungle World zunächst davon aus, die Staatsanwaltschaft wolle "primär antifaschistische Strukturen durchleuchten". Die "legale außerparlamentarische Opposition", in der sich die Beschuldigten organisiert hätten, solle offenbar "mittels des Gesinnungsparagraphen 129 kriminalisiert werden".