Armee gegen Armut

Indonesiens Präsident Habibie kennt den Ausweg aus der Krise: Fasten, "reformasi" und ein repressives Demonstrationsgesetz

Nach Angaben der Weltbank ist die wirtschaftliche Kontraktion Indonesiens in den vergangenen 50 Jahren ohne Beispiel. Und die Nachrichtenagentur Reuters weiß, wer am meisten darunter leidet: McDonald's.

59 Filialen hat der Hamburger-Konzern in Indonesien, Anfang des Jahres waren es noch 80. Sechs wurden während Plünderungen im Mai zerstört, die übrigen wurden wegen zu geringer Umsätze geschlossen. Durch die Inflation hat sich der Preis eines Big Mac in weniger als einem Jahr verdreifacht - er ist jetzt so teuer wie vier Kilogramm Reis. Reis, das wichtigste Grundnahrungsmittel der Inselrepublik wird von Woche zu Woche teurer und deshalb hat der am 21. Mai eingesetzte Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie einen ganz besonderen Vorschlag unterbreitet: Jeden Montag und Donnerstag sollten die Indonesier doch einfach fasten.

Das sei nicht nur gesund, sondern auch der islamischen Religion, zu der sich etwa drei Viertel der Bevölkerung bekennen, entsprechend. Außerdem helfe es der Regierung: "Drei Millionen Tonnen Reis könnten wir einsparen", rechnete Habibie vor, "genau die Menge, die wir dieses Jahr importieren müssen."

Angesichts der steigenden Preise fasten längst viele Menschen unfreiwillig. Selbst das staatliche Statistikbüro des Landes beziffert die Anzahl der unterhalb der Armutsgrenze Lebenden mit knapp 80 Millionen, das sind etwa 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. 1996 seien es noch 22,5 Millionen gewesen. Bis Jahresende ist nach Angaben des Büros ein Anstieg der Armutsquote auf 48 Prozent zu erwarten.

Für den Fall des Falles weiß Habibie aber das Militär hinter sich: Die ABRI - wie die Armee Indonesiens genannt wird - zeigte sich in den vergangenen Wochen deutlich daran interessiert, Proteste bereits im Keim zu ersticken. So kündigten die Militärs im Vorfeld des 22. Jahrestages der Annektion Ost-Timors durch die indonesische Armee am Freitag der vergangenen Woche an, sie würden keinerlei Demonstrationen für die Unabhängigkeit der Insel dulden. Neun zusätzliche Einheiten der Armee wurden in der Nähe Dilis, der größten Stadt in Ost-Timor, stationiert. Straßensperren wurden errichtet.

Die Insel im Südosten Indonesiens gehört wie das an Papua-Neuguinea angrenzende Irian Jaya derzeit zu den Provinzen, in denen es am häufigsten zu Protesten gegen den Suharto-Nachfolger Habibie kommt. Allein am 10. Juli wurden sieben Menschen bei Krawallen erschossen.

In der auf Java gelegenen Hauptstadt Jakarta sind ebenfalls Truppenverbände konzentriert. Einen angekündigten Ge-werkschaftsprotest gegen die Verelendung verhinderte die ABRI, indem sie am 24. Juni den Treffpunkt abriegelten. Auf Antrag des Obersten Militärbefehlshabers General Wiranto, der zugleich das Amt des Verteidigungsministers bekleidet, ist seit Juli außerdem ein neues Gesetz in Kraft, das ein Recht der Polizei vorsieht, die Teilnehmerzahl von Demonstrationen zu begrenzen - auf 100 oder 200 beispielsweise.

Dennoch demonstrierten am 9. Juli mehr als 10 000 Arbeiter in Jakarta für niedrigere Lebensmittelpreise, eine Verdoppelung des gesetzlichen Mindestlohns auf 1,20 Mark pro Tag und eine sofortige Einstellung von Militäreinsätzen gegen Streikende.

Die ABRI zählt zu den wichtigsten Stützen Habibies. Seit der Machtübernahme General Suhartos im Jahre 1965 vertritt sie die dwifungsi- (Doppelfunktions-) Doktrin, nach der sie sich auch für Politik zuständig fühlt. Generalleutnant Susilo Bambang Yudhono, der ABRI-Mann für "sozio-politische Angelegenheiten" verkündete in der vergangenen Woche, Habibies Kabinett sei die "am besten geeignete Regierung, die Wirtschaft zu konsolidieren".

Habibie seinerseits präsentiert sich als "Reformer". Die Freilassung von über 200 politischen Häftlingen will er nach eigenen Angaben verfügen. Xanana Gusmao, der ehemalige Anführer der Separatistengruppe Fretelin, sei jedoch nicht darunter. Gusmao werde erst freigelassen, wenn Ost-Timor als Teil Indonesiens anerkannt werde. Im Zuge der reformasi soll außerdem ein Untersuchungsausschuß prüfen, ob an den Plünderungen, Brandstiftungen und Vergewaltigungen der vergangenen Monate Soldaten beteiligt waren. Angeklagt worden sind bereits sieben Militärs, die sich an Entführungen von Oppositionellen beteiligt haben sollen. Die ABRI-Führung dementiert jedoch, daß es solche Fälle gegeben habe.

Zufrieden zeigt sich die Armeespitze hingegen mit dem neuen Vorsitzenden der Regierungspartei Golkar, Akbar Tanjung. Der bisherige Regierungssprecher und Leiter der Staatskanzlei Habibies setzte sich auf einem Sonderparteitag vom 10. bis 12. Juli gegen den früheren Verteidigungsminister General Edi Sudradjak durch. Obwohl dieser ein pensionierter Militär ist, hatte die ABRI-Führung sich nicht für Sudradjak eingesetzt. Vielmehr galt er als Kandidat der Anhänger Suhartos. Auch Tanjung diente seit 1983 - nach fast 20 Jahren technischen Studiums an der Universität Jakarta - Suharto als Minister.

Nach Willen der Koalisi Garakan Demokrasi (KGD) soll der Werdegang des Aufsteigers jedoch bald ein Ende haben. Am 4. Juli wurde die Oppositionsvereinigung im Süden Jakartas gegründet - als pragmatisches Bündnis zur "Formierung eines neuen politischen Systems". Hauptbeteiligte an dem Zusammenschluß sind die Demokratische Partei (PDI) von Megawati Sukarnoputri, der Tochter des Suharto-Vorgängers Sukarno, und die islamischen Nahdlatul Ulama unter dem Vorsitz von Abdurrahman Wahid. Die 28 Millionen Mitglieder zählende islamische Organisation Muhammadiyah des bekannten Oppositionspolitikers Amien Rais beteiligte sich allerdings nicht an dem Bündnis, das auf eine "breite Oppositionsbewegung" setzt.

Die PDI beschränkt sich dabei nicht auf den legalen Weg. In Jakarta und der im Norden Sumatras gelegenen Stadt Medan übernahmen sie die Büros der "offiziellen PDI", einer von Suharto aufgebauten Pseudo-Oppositionspartei. Dabei kam es zu über mehrere Stunden währenden Straßenschlachten zwischen den Sukarnoputri-Anhängern und Mitgliedern der "offiziellen PDI".