Der Streit ums Kopftuch

Deutsche Fatwa

Endlich hat die Debatte um die Integrationwillig- und fähigkeit der Zuwanderer, die dieser Tage so von CDU und CSU mit so kernigen Begriffen wie "verbindliche deutsche Leitkultur", "Sprachtest vor Integration" oder auch "amtliche Unterscheidung in erwünschte und unerwünschte Ausländer" entfacht wird, ein Gesicht. Es ist das Gesicht von Fereshta Ludin, einer Lehramts-Kandidatin aus Schwäbisch-Gmünd. An ihr wird eindrucksvoll demonstriert, wie effektiv sich die deutsche "Leitkultur" gegen kulturelle, religiöse oder gar politische Einflüsse wehren kann.

Solange Frau Ludin ihr Kopftuch nicht abnimmt, gilt sie als mögliche Bannerträgerin eines politischen Islam und kann somit den sozialen Frieden im Land gefährden, denn, so begründet Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan in ihrer umfangreichen Stellungnahme die Ablehnung der Übernahme Frau Ludins in den Schuldienst: "Sozialer Friede kann gefährdet werden, wo religiöse Symbole auch als politische Symbole vereinnahmt werden und als Symbol kultureller Abgrenzung eingesetzt werden können."

Also nicht die Instrumentalisierung religiöser und ethnischer Minderheiten für Wahlkampfzwecke, sondern die Minderheiten selbst gefährden mit ihrem Beharren auf anderen, in diesem Fall religiös begründeten Kleidungsgewohnheiten den sozialen Frieden. Die wichtigste Bedeutung kommt hier dem Kopftuch muslimischer Lehramtsanwärterinnen zu, das, so ebenfalls die Begründung, auch Ausdruck politischer Meinung sein kann. Mit anderen Worten, mit dem Kopftuch der Lehrerin hält politischer Islam Einzug in deutsche Klassenzimmer.

Nun glaubt man eine Lösung dafür gefunden zu haben, wie religiöse Indoktrination durch Islamisten an den Schulen bereits im Vorfeld verhindert werden kann, nämlich durch ein Verbot, und merkt nicht, daß man mit dieser Herangehensweise genau das Geschlecht diskriminiert, das man durch eben dieses "religiös-politische" Symbol Kopftuch so unterdrückt wähnt, das weibliche. Denn: Wie gedenkt man zu verhindern, daß männliche muslimische "Fundamentalisten" in den Schulen als Lehrer tätig werden? Wer könnte ihr Symbol, den Vollbart, von der Barttracht eines linksliberalen Lehrers unterscheiden? Oder gibt es demnächst einen Multiple-Choice-Test zur Ermittlung islamistischer Tendenzen bei barttragenden Lehramtskandidaten?

Was hilft es den kopftuchtragenden muslimischen Frauen, zumeist ausländischer Herkunft, wenn sie, wie Fereshta Ludin, zwar fließend Deutsch sprechend und, im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit, eine erfolgreiche Bildungskarriere mit besten Abschlußnoten in Deutschland vorweisen können und somit eigentlich ihre kulturelle Integration zur Genüge bewiesen haben, wenn die politischen Vertreter der Mehrheitsgesellschaft, je nach politischer Opportunität, willkürlich festlegen, was aktuell als Zeichen für Integrationswillen zu gelten hat? Da hilft auch nichts, wenn, wie im Fall Ludin, in der Zeit ihres Referendariats weder Klagen von den "betroffenen" Eltern kamen noch ein Ansturm auf Kopftücher bei ihren Schülerinnen zu verzeichnen war.

Integration, das lernen wir also daraus, bemißt sich in erster Linie an äußerer Assimilationsbereitschaft, und nicht an Qualifikationen, mit denen die Zuwanderer sich in die Gesellschaft einbringen möchten. Mit dieser Debatte geht es um die Frage, wie sichtbar andere Religionen in der christlich geprägten säkularen Bundesrepublik sein dürfen, denn mit dem Aus für kopftuchtragende Lehrerinnen wird die öffentliche Sichtbarkeit eines religiösen Bekenntnisses per se als politisch stigmatisiert und geahndet. Damit wird die Politisierung des Symbols Kopftuch allerdings nicht unterbunden, sondern erst richtig betrieben.