General ohne Motor

Vor dem geplanten Jobabbau will der Konzern einen entscheidenden Erfolg gegen die streikende Gewerkschaft erringen

Die täglichen Verluste von General Motors Corporation (GM) liegen schätzungsweise bei 80 Millionen US-Dollar. Dennoch scheint der größte Automobilhersteller der Welt keine Einigung mit den streikenden Gewerkschaftern in Flint, Michigan, zu wollen. Daß GM bereit ist, dermaßen große Verluste einzustecken, zeigt, daß der ewige Streit zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft der Vereinigten Automobilarbeiter (UAW) vor einem neuen Höhepunkt steht.

Arbeitskämpfe haben bei GM Tradition. In dem Firmen-Hauptsitz in Flint fand bereits 1936/37 der erste erfolgreiche Streik gegen den Automobilhersteller statt, der "Sit-Down Strike", auf den die UAW noch heute stolz verweist. Seit damals ist die Beziehung zwischen Gewerkschaft und GM äußerst konfliktgeladen. Während Ford und Chrysler die korporatistische UAW zu ihrem Partner gemacht haben - bis hin zu gemeinsamen Golfspielen der Führungskräfte -, zog GM einen anderen Umgang vor: Während Ford in den letzten zwölf Jahren von keinen Streiks betroffen war, gab es bei General Motors allein seit 1996 13 Arbeitskämpfe. In den Chefetagen von GM scheint noch immer das Gespenst einer radikalen, konzernfeindlichen Gewerkschaft umzugehen, was angesichts der Kooperationsbereitschaft der UAW unverständlich ist.

Der Konzern gibt sich kompromißloser denn je. Einige Beobachter vermuten, daß es GM hier ums Ganze geht: Der Multi möchte einen entscheidenden Schlag gegen die Gewerkschaft führen, denn zukünftige Konflikte sind durch den geplanten Arbeitsplatzabbau schon programmiert.

So haben in zwei anderen Fabriken die Beschäftigten bereits für einen Streik gestimmt; in zwei weiteren sind Abstimmungen geplant. Die Belegschaften werden aber erst nach einer Einigung in dem aktuellen Ausstand die Arbeit niederlegen, da sie derzeit keine große Wirkung erzielen würden. Deswegen verlangt GM von der Gewerkschaft die Zusage, daß bis Ende 1999 keine Streiks mehr stattfinden. Noch sind die UAW nicht bereit, ihr einziges Druckmittel für ein Jahr aufzugeben, vor allem, weil die GM-Führung immer öfter von "notwendigen Umstrukturierungen" spricht.

Da sich viele der fast 180 000 nicht-streikenden ArbeiterInnen mit der UAW solidarisieren, wird GM jetzt die Situation noch weiter verschärfen. Gerhard Knechtel, der seinen Namen zu Recht tragende GM-Verhandlungsführer, erklärte am 12. Juli, daß der Konzern durch die streikbedingten Verluste gezwungen sein würde, weitere Sparmaßnahmen durchzuführen. Im Rahmen dieses Sparprogramms überlegt sich GM, ob sie die Krankenversicherung von US-ArbeiterInnen für den Dauer des Streiks außer Kraft setzen soll. Die Krankenversicherung der 9 200 Streikenden wird bereits von der Gewerkschaft getragen.

GM will aber auch mit anderen Mitteln die Gewerkschaft in die Knie zwingen. Denn obwohl die nicht eingehaltenen Versprechen GMs, die Fabriken in Flint zu renovieren, sowie die mangelnde Sicherheit am Arbeitsplatz Auslöser des Streiks waren, ist allen klar, daß es in Wirklichkeit um die Globalisierung und die daraus resultierende Umstrukturierung des Konzerns geht. In den letzten Jahren wurden Arbeitsplätze in der Automobilindustrie radikal abgebaut; allein in Flint verloren seit Ende der siebziger Jahren mehr als 40 000 Menschen ihre Jobs.

Die Arbeitsplätze fielen zum Teil der Rationalisierung zum Opfer, wurden aber auch in größerem Maße in Billiglohnländer exportiert, vor allem nach der Verabschiedung der nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta). Dagegen wehrt sich die UAW entschieden und gibt dabei oft nationalistische, wenn nicht rassistische Töne von sich. Nach dem "Japan-bashing" der achtziger Jahre wird nun gegen Mexiko gewettert. Stephen Yokich, Präsident der UAW, erklärte im Juni, daß sich seine Gewerkschaft entschieden dagegen wehre, daß Arbeitsplätze nach "Mexiko oder Asien oder Indonesien oder wo auch immer" verlagert werden. Daß er gleichzeitig von den "mexikanischen Brüdern" redet, vermag nicht die nationalistische Tendenz der Gewerkschaft zu verschleiern.

GM ist sich bewußt, daß es nicht wirklich um die Sicherheit, sondern um die Arbeitsplätze geht - und deswegen erklärt sie den Streik von UAW als illegal. Denn nach dem Vertrag zwischen UAW und GM darf die Gewerkschaft nur wegen lokaler Probleme in den Ausstand treten. Das Gericht gab der Forderung nach einer Einstweiligen Verfügung zwar nicht statt, wird den Fall aber weiter prüfen. Kommt es zu dem Ergebnis, daß der Streik im Sinne des Vertrags illegal ist, hätte dies verheerende Folgen für die Gewerkschaft: Sie müßte für den Schaden aufkommen, der bereits jetzt bei mehr als 1,2 Milliarden US-Dollar liegt.

Ein solches Urteil würde den Einsatz von Streiks als Druckmittel sehr erschweren. Daher hat die UAW bereits eingelenkt und erklärt, daß sie dem Einsatz eines vom Gericht vorgeschlagenen Schlichters zustimmen würde. Beide Parteien geben mittlerweile versöhnlichere Töne von sich, aber die sind wohl hauptsächlich Teil der PR-Strategie.

Denn selbst eine Einigung wird den Streit um Arbeitsplätze und die Folgen der Globalisierung nicht schlichten, sondern höchstens vertagen. Nach einem Bericht des Wall Street Journal muß General Motors noch 50 000 Arbeitsplätze - 22 Prozent der Beschäftigten - kürzen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben.