Offene Lauscher fürs Internet

Schenkt man Kriminalstatistikern Glauben, so verursachen die unter dem Begriff Organisierte Kriminalität subsumierten Verbrechen der deutschen Wirtschaft einen Schaden von rund 1,6 Milliarden Mark jährlich. Daß die Firmen nun etwa 40 Milliarden Mark aufbringen sollen, um sich angeblich vor diesen Kriminellen zu schützen, fanden Unternehmensvertreter nicht so überzeugend und sprachen sich gegen den Entwurf des Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) für eine Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) aus. Nun wird eine entsprechende Anhörung, die vergangene Woche hätte stattfinden sollen, auf den Herbst verschoben. Bis dann soll ein überarbeiteter Entwurf vorliegen. Eigentlich hatte man im Bonner Kabinett geplant, die Verordnung endlich zu verabschieden.

Nach den Vorstellungen im Hause Rexrodt sollten grundsätzlich alle etwa 400 000 Betriebe und Institutionen mit mehr als 20 Telefonanschlüssen ihren finanziellen Beitrag - zwischen 100 000 und 250 000 Mark - dazu leisten, daß sie auch ordentlich abgehört werden können. Nicht nur Unternehmer-Vertretungen wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sind skeptisch. So kritisierte der forschungs- und postpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Manuel Kiper, mit der TKÜV könnten künftig verfassungswidrig "flächendeckend und lückenlos" Telefon, Fax, E-Mail, Internet und sogar firmeninterne Netze lückenlos kontrolliert werden. Nach Widersprüchen von seiten der Deutschen Krankenhausgesellschaft sollen nun Hospitäler ebenso wie Altenheime von der kollektiven Lauschorgie ausgeschlossen werden. Ob die Abhörmaßnahmen auch bei Redaktionen, Anwaltskanzleien, Hotels oder etwa Kirchen außen vor bleiben müssen, ist bislang noch unklar. Internet-Providern jedenfalls wird im TKÜV-Entwurf mit einer Strafe von bis zu einer Million gedroht, sollten sie sich ihrer Pflicht zum Installieren einer Abhörleitung für Geheimdienste, Staatsanwaltschaften oder Zollkriminalamt entziehen.