Tom DiCillos "Echt Blond"

Schamhaartest

Die Szene, in der eine bebrillte Frau neben Jean-Pierre Léaud im Bett sitzt und beide ein Buch in der Hand halten, kommt einem irgendwie bekannt vor. Das muß wohl die Nouvelle Vague gewesen sein, ein aseptisches Standbild in Schwarzweiß aus "Maskulin/Feminin" oder so. Tom DiCillo aktualisiert in "Echt Blond" ("The Real Blonde") dieses Abbild geschlechtlicher Entfremdung: Mary (Catherine Keener, DiCillos brünette Lieblingsschauspielerin) und Joe (Mathew Modine) sind zwei empfindsame Kulturschaffende. Sie Maskenbildnerin in der Werbung, er glückloser Schauspieler. Weil er sich für Komparsenjobs zu schade ist, muß er kellnern. Denn wie üblich sind DiCillos Helden viel zu gut für die skrupellose Hipster-Welt, in der sie leben. Ausgerechnet in der Mode- und Filmbranche von New York wollen beide Karriere machen und auch das nach sechsjähriger Gemeinschaft etwas mau gewordene Sex-Leben aufpeppen. Während die privaten Geschichten von Mary und Joe und deren ältlicher Nachbarin das Leitmotiv bilden, spielt sich doch der Hauptteil des komödiantischen Treibens im Areal der Fashionvictims, Videoheinis, Starlets und Agenten ab. Wo sich eben die Blondinen tummeln, falsche und echte.

Da wäre das blonde Girliemodel aus der Tube (Bridgette Wilson), das mit Veronika Lakescher Frisur für ein Parfüm namens "Depression" wirbt und philosophische Lebenshilfe aus Disneys "Arielle, die Meerjungfrau" bezieht. Oder Joes Kellnerkollege (Maxwell Caulfield), der in puncto Haarfarbe den Schamhaartest macht, und - jäh zum Serienhelden aufgestiegen - zwischen seiner Rolle in der Daily Soap und im Privatleben nicht mehr unterscheiden kann. All das hat man schon schriller gesehen, in den einschlägigen Catwalk-Filmen wie "Prt-ˆ-porter", aber selten so bissig und kaum mit ähnlicher Liebe zum sardonischen Detail.

Nach seinem Debüt "Johnny Suede" (1992) mit Brad Pitt als auftoupiertem Leningrad-Cowboy machte sich DiCillo durch die Satire "Living in Oblivion" (1995) einen Namen als neuer amerikanischer Indie-Star. DiCillo, der als Kameramann für Jim Jarmusch arbeitete, inszenierte die Farce um pannengeplagte Dreharbeiten als Horrortrip eines traumatisierten Insiders: verträumt, verirrt in den Unbilden des Low-Budget-Filmens. Hier knüpft "Echt Blond", sein vierter Film, an, epischer erzählt, aber wieder mit dem lakonischen Steve Buscemi, der einen Kurzauftritt als - wie gehabt - gepeinigter Regisseur hat. Und wieder bedient sich DiCillo des businesskritischen Zitatenprinzips. Elizabeth Berkley, der Wackelpo aus Verhoevens unsäglichem "Showgirls", hat hier sogar ein Gesicht und ein gutes Herz - und muß sich doch als Madonna-Bodydouble für einen Videodreh verdingen. Weniger Pech hat Kathleen Turner, die die rauhbeinige Blondinenversion gibt und als Joes bärbeißige Agentin manchen Seitenhieb auf ihre Rolle als John Waters "Serial Mom" verteilt.

Neben all diesen Insider-Anspielungen wird auch der tragische Gehalt der Story nicht vergessen: Darf wahre Begabung auch Kompromisse machen, fragt sich z.B. Joe, als er mit hundert badebehosten Kens im Madonna-Video chargiert. Dabei fühlt er sich als moderne Inkarnation von Arthur Millers "Handlungsreisendem", als ewiger Loser, der es den Bossen schon zeigen wird. Aber was will man von Leuten schon anderes erwarten, die unter Man Ray-Drucken und Shakespeare-Porträts schlafen gehen und doch nur vom kleinen Glück träumen?

"Echt Blond". USA 1997, R/B: Tom DiCillo. Start: 23. Juli