Spiel ohne Grenzen

Mit einem dreitägigen Techno-Rave und einem Aktionscamp sollen die Verhältnisse in der Grenzregion um Görlitz zum Hüpfen gebracht werden

Man solle "diesen Leuten die Hand abhacken", forderte kürzlich ein Leser der Sächsischen Zeitung. "Diese Leute" - damit waren die Frauen gemeint, die am Rande der Antirassistischen Frauen- und Lesbenaktionstage Anfang Juli in Görlitz (Jungle World, Nr. 28/98) Hauswände mit ihren Parolen versehen hatten. Durch die Berichterstattung der Lokalpresse über das Frauencamp aufgeheizt, war die Stimmung der CDU-regierten Stadt und der Bevölkerung gegenüber dem für das kommende Wochenende geplanten Antirassistischen Aktionscamp in Rothenburg nicht gerade herzlich. Bis zuletzt drohte ein Verbot der Veranstaltung.

Doch jetzt scheinen die letzten Hürden für das Camp und den als Auftakt vorgesehenen Techno-Rave genommen. Nachdem Stadtverwaltung und Ordnungsamt der sächsischen Grenzstadt Rothenburg zunächst den Eigentümer des Campgrundstücks dazu bewegen wollten, den Mietvertrag mit den OrganisatorInnen zu kündigen und dann mit einer Sperrstunde von Mitternacht bis sechs Uhr morgens für alle Aktivitäten auf der Wiese gedroht hatten, lenkte die Stadt am vergangenen Wochenende ein. "Das heißt, das Camp und der Rave können wie geplant stattfinden", bestätigte ein Sprecher der Vorbereitungsgruppe.

Daß AntirassistInnen in der Region nicht gerade Heimvorteil haben, zeigte sich bereits im Sommer 1996, als eine Gruppe von Naziskins zwei afrikanische Asylbewerber durch die Kleinstadt gehetzt hatten. Nur weil ein älterer Rothenburger den beiden Männern Schutz bot, blieben sie unverletzt. Nach diesem Angriff wurden RothenburgerInnen, die sich gegen die Naziskins stellten, teilweise offen bedroht.

Zu den stärksten neonazistischen Organisationen in der Gegend gehören die NPD und ihre Jugendorganisation JN, die wiederum auf eine Struktur unabhängiger Kameradschaften zurückgreifen können. Im zehn Kilometer von Rothenburg entfernten Niesky befand sich bis zum Sommer 1997 ein Schulungszentrum des "Jungen Nationalen Spektrums".

Das jetzt geplante Antirassismus-Camp ist der Höhepunkt der bundesweiten Kampagne "Kein Mensch ist illegal" und wurde von einem breiten Spektrum antirassistischer Initiativen und Antifa-Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet vorbereitet. Das Programm, das vom 24. Juli bis zum 1. August reicht, verspricht eine Mischung aus Aktionen, Veranstaltungen und Kultur. Schon der Auftakt, der vom Berliner Techno-Veranstalter radical rave organisierte dreitägige "borderline rave", soll möglichst viele unterschiedliche Menschen zum Aktionscamp bringen. Ein Sprecher von radical rave erklärte, man werde, um den Techno-Fans die Scheu vor "dem weiten Weg ins unbekannte Grenzland" zu nehmen, für den Freitag einen Shuttle-Bus von Berlin nach Rothenburg anbieten.

Mit einer "bunten und lauten Sightseeing-Tour" durch Görlitz und Umgebung soll am Montag ein erster Kontakt zur Bevölkerung hergestellt werden. Am Dienstag finden dann Aktionen "für Fluchthilfe und gegen Denunziantentum und Schlepperhetze" statt. Angesichts der Tatsache, daß in Sachsen 70 Prozent aller Flüchtlinge, die nach dem Grenzübertritt festgenommen werden, von BürgerInnen denunziert wurden, hoffen die VeranstalterInnen, ein Gegengewicht zur vorherrschenden öffentlichen Meinung schaffen zu können und diejenigen zu ermutigen, die Flüchtlingen trotzdem Unterstützung gewähren.

Ein ähnliches Ziel verfolgen auch eine für Mittwoch geplante Kundgebung vor dem für die Görlitzer TaxifahrerInnen-Prozesse zuständigen Gericht und ein Taxi-Konvoi durch Görlitz. Am Donnerstag folgt dann ein antifaschistischer Aktionstag gegen örtliche Neonazistrukturen; am Freitag sind Aktionen "gegen die Menschenjäger vom BGS" geplant. Am Samstag schließlich soll es eine Regatta auf der Neiße und weitere Aktionen unmittelbar an der Grenze geben - Motto: "Spiel ohne Grenzen".