Strictly Jungsworld

Die Beastie Boys veröffentlichen schon wieder ein neues Album. Wie immer hat sich nichts geändert

Irgendwann muß es ja mal raus: Die Beastie Boys können nicht rappen. Im zwölften Jahr nach "Licensed To Ill" gröl-reimen sie noch immer wie ehedem. Einer gibt die Zeile vor, ein zweiter steigt ein, zu dritt komplettiert man dann den Vers. Wie damals, als sie mit "Fight For Your Right" ihren ersten Hit hatten. In jede Kamera, die ihnen über den Weg lief, hielten sie Dosen ihres Lieblingsbieres, um sich das Budweiser anschließend erst über und dann in den Kopf zu gießen. Selbstredend hackevoll torkelten und rüpelten sich die Anfangzwanziger über die Bühnen dieser Welt, die sie mit viel Gespür für Hau-Drauf-Ästhetik zuvor mit Käfigen ausstaffiert hatten, in denen halbnackte Frauen tanzten, während in der Bühnenmitte ein riesiger Hydraulik-Pimmel Bier oder was auch immer in die Menge pumpte.

Jahre später dann: Hipsterkönige, von vielen geliebt. Wie das kommt, ist leicht zu erklären. Du bist ein Junge aus gutem Hause, findest dein Leben langweilig, schwänzt dosiert den Unterricht und rauchst auf dem Schulhof Zigaretten ohne Filter. Dann hörst du diesen Song: "Fight For Your Right to Party". Im dazugehörigen Video siehst du, wie die Beastie Boys - so heißt die Band, ganz neu, kennt kein Schwein - eine Spießer-Party aufmischen. Voll kraß. Dann kommen die Eltern nach Hause. Na, das gibt Ärger. So eine Party hättest du auch gern. Solche Partys gibt es bei dir aber nicht. Deshalb bewunderst du die Beastie Boys. Sie wagen White Trash trotz oder gerade wegen ihres bourgeoisen Hintergrundes.

Du bewunderst sie, weil sie so aussehen, als würden sie sich darüber freuen, daß sie sich ihr Bier selber kaufen dürfen. Auch du darfst dir dein Bier selber kaufen. Auch du hättest gerne nackte Frauen auf deiner Bühne. Auch du meinst es mit deinem Geschlechtsverkehr todernst. Das schweißt zusammen.

Sollte sich dein Musikgeschmack eher abstrakt begründen, dann gefällt dir an den Beastie Boys, daß sie schwarzen HipHop mit weißem Punkrock zusammenbringen, ihre gewissermaßen universelle Herangehensweise an Musik. Insgeheim gefällt dir auf deinem soeben erworbenem "Licensed To Ill"-Album zwar auch nur "Fight For Your Right", doch das würdest du niemals zugeben. Öffentlich findest du die Beastie Boys hochinteressant. Kurze Zeit später vergißt du sie.

Die Zeit zieht ins Land, und plötzlich ist es sechs Jahre später. Die Beastie Boys veröffentlichen "Check Your Head", ein Album, das einschlägt wie eine Taube auf dem Dach. Groovy, funky, alternativ, punkig, jazzy und verspielt. Zappaesk, hip-old-school-hoppend, soulig, angedubbt. Modern, traditionsbewußt und visionär. Postmodern und eklektizistisch. Alle Kategorien, die du als Plattensammler schätzt, werden bedient. Du bist begeistert. Du erfährst, daß die Beastie Boys zwischendurch bereits ein weiteres Album veröffentlicht haben. Man sagt, es heiße "Paul's Boutique". Du fährst auf schnellstem Weg zu deinem Lieblings-Plattenhändler und erwirbst es käuflich. Wenn deine Freunde danach fragen, behauptest du, daß du es seit 1989 besitzt.

In Folge wird viel über die Beastie Boys geschrieben. Von der schlimmen Zeit nach dem Karriereknick, von ihrem Streit mit ihrem Produzenten Rick Rubin, von ihrem Umzug von New York nach L.A., davon, daß sie den ganzen Tag im Studio abhängen, wenn sie nicht gerade Basketball spielen, davon, daß sie, wenn sie nicht im Studio abhängen oder Basketball spielen, den ganzen Tag Skateboard fahren, davon, daß sie mit Sonic Youth gute Kumpels sind. Kurzum davon, daß sie das Leben führen, das du auch gerne führen würdest. Wie schade.

Wie zum Trost liest du in einer Fachzeitung, daß die Beastie Boys über das coole Wissen verfügen, was nichts weiter meint, daß dem Schreiber die Samples, die die Beastie Boys benutzen, bekannt sind. Sie haben das coole Wissen, weil sie kennen, was er kennt. Weil du die Beastie Boys kennst, hast du es praktisch auch. Sehr schön.

Als dann zwei Jahre später "Ill Communication" veröffentlicht wird, wiederholt sich das Spiel. Dem Beastie Boys-Imperium wurde zwar musikalisch noch eine Dudel-Jazz-Abteilung angegliedert, aber sonst bleibt alles beim alten. Es wird in alle Richtungen crossovert, gerade wie es gefällt. Und es gefällt. Doch tatsächlich läßt sich schon zu diesem Zeitpunkt nichts Substantielles mehr über die Beastie Boys sagen. Außer ein paar Randinformationen. Daß Mike D ein Modelabel mitgegründet hat, das X-Large heißt und relativ unmotivierte Sportswear zu allerdings überhöhten Preisen bietet (wird meist verschwiegen). Daß sie ein Magazin herausbringen, das wie ihre Plattenfirma Grand Royal heißt und spinnerte Themen featured wie VoKuHiLa-Frisuren oder Wissenswertes über Crash-Car-Rennen.

Andererseits deutet sich schon auf "Ill Communication" ein neuer Hang zum Spirituellen an. Denn MCA alias Adam Yauch hat den Buddhismus für sich entdeckt. Das Innere des Klappcovers ziert daher der Baum der Erkenntnis, ein Songtitel heißt "Bodhisattva Vow". Wie so viele Amerikaner im Showbusiness wollen auch die Beastie Boys plötzlich nichts mehr, als das geknechtete Tibet befreien. 1995 gründet MCA den Milepa-Fund, der sich entschieden für die Unabhängigkeit Tibets einsetzt.

In der Folge werden die Beastie Boys des öfteren in Begleitung des Dalai Lama gesehen. 1996 findet in San Francisco das erste Free-Tibet-Concert statt. Beim dritten Free-Tibet-Concert in Washington D.C. schlägt beim Auftritt von Herbie Hancock & The Headhunters dann der Blitz ein. Es gibt elf Verletzte.

Nur wenig später erscheint "Hello Nasty". Schon wieder hat sich nichts geändert. "Hello Nasty" klingt wie "Ill Communication" klingt wie "Check Your Head". Ein bißchen verspielter vielleicht, aber schließlich hatten die Beastie Boys auch vier Jahre Zeit. Man sagt, die Platte sei voller Old-School-Referenzen, aber welche Beastie Boys-Platte war das nicht. Im Grunde ist das einzige, was sich geändert hat, ihr Alter. Sie sind mittlerweile über dreißig, und MCA trägt deutlich sichtbar graue Haare.

Also: Hello Nasty? Selbst der Rezensent der Zeit erkennt, daß hier drei Leute deutlich sichtbar in der Pubertät hängengeblieben sind. Sie haben es sich in einer Jungswelt zwischen Spleens, Sport und Buddhismus gemütlich gemacht, machen Faxen und gröl-reimen wie aufgedreht.

Und warum sollten sie auch damit aufhören? Aber wen soll das noch interessieren? Etwa den Jungen von damals, der auf dem Schulhof filterlose Zigaretten rauchte, dem ein unverkrampftes Verhältnis zu Dosenbier imponierte, der aber wahrscheinlich seit seinem Zwanzigsten nur noch passiv Musik hört? Oder den, der das HipHop-Punkrock-Crossover vor allem aus theoretischen Aspekten, wie auch vom Differenz-Gewinn her interessant fand, der aber mittlerweile schon bei ganz anderen, viel dissidenteren Musiken gelandet ist? Oder die Jungs von heute? Wohl kaum.

Und Frauen? Frauen haben Pech gehabt. Die sind im Beastie Boys-Universum nur als Randfiguren vorgesehen. Und da die drei nicht mehr die Knackigsten sind, dürfte eine größere Anzahl weiblicher Fans schwer vorstellbar sein. Andererseits: Die Platte wird sich verkaufen wie nix, schon aus Gewohnheit.

Beastie Boys: Hello Nasty (Capitol/EMI)