Wenn wir erst die Pille haben!

Wie Weiberviagra unser Leben verändern wird.

Wieder einmal hatte es der Spiegel versäumt, eine im Zuge seiner Viagra-Titelstory ("Pille zum Poppen", so mein Neffe Matthias, 13) erscheinende Glosse fett mit "Achtung, das ist jetzt bloß Spaß" zu überschreiben. Die Autorin hatte darin gefordert, die Verteilung von Viagra an Männer ausschließlich Frauen in die Hand zu geben.

Zwei Ausgaben später äußerte sich ein Leserbriefschreiber dahingehend, daß sich seit Jahrzehnten Männer "krummgelegt" und dazu noch "zu Tode gearbeitet" hätten, um den Frauen das Leben zu erleichtern, "siehe Waschmaschine und Strumpfhose" und noch irgendwas, das ich jetzt vergessen habe - Atombombe? -, doch kaum täten sie, die Männer, "mal ein ganz kleines bißchen für sich selbst", fingen die Weiber mit dem Gekeife an ...

"Ein ganz kleines bißchen" scheint mir doch ein ganz kleines bißchen untertrieben zu sein, sowohl bezogen auf das Zielobjekt von Viagra als auch auf die allgemeine Hoch-Stimmung, die das Auftauchen der Pille in Männerkreisen erzeugt hat.

Nun aber ist alles wieder gut: Wie man hört, sind Wissenschaftler jetzt tüchtig am Forschen, um nach der Wegwerfwindel, dem Staubsauger und ferngelenkten Boden-Luft-Raketen uns Frauen ein Weiberviagra zwecks Lebenserleichterung in die Hand zu geben.

Und das wurde auch höchste Zeit!

Noch vor hundert Jahren war ein weiblicher Orgasmus ungewöhnlich, wenn nicht sogar verdächtig - es reichte Männern, wenn Frauen die Augen schlossen und an England bzw. an Bismarck dachten, eine Vorstellung, die einem eventuell zu gewärtigenden Orgasmus sowieso von vornherein alle Chancen versaute.

Dann aber kam die Zeit, in der ein weiblicher Höhepunkt erwünscht, wenn nicht sogar gefordert wurde, was uns Frauen unter einen gewaltigen Druck setzte, dem sich nur wenige entziehen konnten. Diejenigen, die widerstanden, programmierten damit aber eine Dauer-Krise ("War es schön für dich?" - "Ach, du hast schon angefangen?"). Daher entschloß sich die Mehrheit, Streit zu vermeiden und einen Orgasmus zu simulieren.

Was umso besser gelang, je mehr Anschauungsmaterial in Form von Ruckelfilmen in den Privatsendern zur Aufführung kam. Ehrlich gesagt, meine Damen, war diese Schauspielerei doch ziemlich anstrengend - einen Orgasmus vorzutäuschen ist ja ermüdender als einen zu haben und übrigens auch viel langweiliger -, anstrengend insbesondere auch deshalb, weil plötzlich von multiplen Orgasmen die Rede war und von G-Punkten, ja, sogar von vaginalem Orgasmus und was weiß ich.

Inzwischen hat es sich glücklicherweise bei Männern herumgesprochen, daß Frauen - selbstverständlich nur die Frauen der anderen Männer - einen gewissen Nachholbedarf haben. Und erst jetzt, endlich!, sind die Wissenschaftler dabei sich krummzulegen, um unser Wohlbefinden, ja, unser Glück noch über die Teflonpfanne, Frauen-chats im Internet und sogenannte Religionskriege hinaus zu vervollkommnen.

Liebe Schwestern, es ist heute kaum vorstellbar, wie sich mit Hilfe dieser segensreichen Pille unser Leben ändern wird!

Denken Sie nur einmal daran, daß all die für uns erfundenen Haushaltsgeräte zwar die Arbeit erleichtern, und das heißt: die Arbeitszeit verkürzen, aber sie helfen uns nicht, mit diesen gewonnenen Stunden etwas Sinnvolles anzufangen. Der Trockner trocknet von alleine, der Herd schaltet sich ab, wenn die Mahlzeit fertig ist, die Kinder hängen wie angenagelt vor ihren Gameboys - und wir? Wir sitzen da mit einem Frauenroman in der modernen S & F (Shopping & Fucking)-Version und beneiden die Heldinnen um ihre ultraschicken Lovers, die ihnen einen Orgasmus nach dem anderen bescheren.

Sich mopsen und andere Frauen beneiden, das wird es bald nicht mehr geben! Wenn wir erst die Pille haben! Und wenn wir erst die Pille haben, werden wir auch andere Wartezeiten kurzweilig überbrücken können; auf dem Amt, beim Frisör, beim Arzt, in der Schlange vor dem Postschalter, beim Einchecken auf dem Flughafen und auf den teuren Plätzen im "Phantom der Oper", die Schwiegermutter uns zur Silberhochzeit geschenkt hat. Das wird ein Leben!

Und denken Sie nur an das öde Vorspiel! Damit ist es jetzt auch vorbei! Vorbei ist es mit den Männerzungen, die überall da waren, wo sie nicht hingehörten, besonders im Ohr, wo es so infernalisch kitzelt, da mußten wir uns immer mühsam ein Lachen verbeißen. Vorbei auch der umständliche Verhütungskram, das Vorher-Duschen, Nachher-Duschen, vorbei die Zigarette danach (einziger Minuspunkt), vorbei das: Mach-dir-nichts-draus-Schatz-das kann-doch-jedem-passieren (er nimmt natürlich auch Viagra) oder vielleicht sogar alles vorbei mit den Männern, hehe.

Das Geld verdienen wir schließlich selbst, für kleinere Reparaturen im Haushalt gibt's den Handwerksburschen, Kinder werden von der Samenbank geliefert, am Frühstückstisch muffelig sein können wir ganz alleine und um einen Orgasmus zu kriegen, brauchten wir sowieso noch nie einen Mann. Wir werfen nur noch unsere Pille ein, und dann heißt es: "Hoppla, jetzt komm ich!"

Oh, schöne neue Welt, die solche Pillen hat!