Wer gewinnt beim Domino?

Von Frankreich unterstützt, kommt für Togos Präsident Eyadéma ein Rücktritt nicht in Frage

In Togos Hauptstadt Lomé werden die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 21. Juni von Straßenverkäufern als heiße Ware gehandelt. Für den Oppositionskandidaten Gilchrist Olympio steht nämlich fest, die offiziellen Ergebnisse seien von Gefolgsleuten des Präsidenten Gnassingbé Eyadéma manipuliert worden.

Olympio, Sohn des von Eyadéma ermordeten ersten Präsidenten der seit 1960 unabhängigen Republik, rief daher für den Freitag der vergangenen Woche zum eintägigen Generalstreik auf. Insbesondere in der industrialisierten Küstenregion, in der sich auch die Hauptstadt befindet, wurde das öffentliche Leben lahmgelegt. Erste Protestdemonstrationen gegen die Manipulationen wurden bereits Ende Juni von Militärs gewaltsam aufgelöst, wobei mehrere Demonstrationsteilnehmer erschossen wurden.

Die in Lomé gehandelten vierfach unterschriebenen Kopien mit diversen Stempeln bezeugen schwarz auf weiß den Sieg Olympios. Die Niederlage des seit 1967 regierenden Putschgenerals Eyadéma ist demnach eindeutig: In allen Départements des westafrikanischen Landes soll Olympio die absolute Mehrheit errungen haben - je nach Wahllokal mit bis zu 90 Prozent der abgegebenen Stimmen. Aber die Unterschriften und Stempel sind jedoch ausschließlich von Wahlbeobachtern der Oppositionsparteien.

Am 10. Juli wurde das Ergebnis vom Verfassungsgericht bestätigt; eine Klage von vier Oppositionspolitikern, darunter auch Olympio, wurde abgewiesen. Die am 27. Juni durch Innenminister Sévi Mémène - Mitglied der Eyadéma-Partei Versammlung des togolesischen Volkes (RPT) - bekanntgegebene Mehrheit von 52 Prozent für den 61jährigen Präsidenten gilt damit als endgültig. Lediglich offensichtliche Widersprüche - Differenzen zwischen den abgegebenen Stimmen und den Voten für die einzelnen Kandidaten - wurden von den sieben Richtern, die alle als Günstlinge Eyadémas gelten, korrigiert.

Ausländische Beobachter bestätigen hingegen die Opposition: Schon die Berichterstattung der staatlichen Medien vor den Wahlen sei nach Angaben von Reporter ohne Grenzen zu über 90 Prozent von Eyadéma und der RPT dominiert gewesen. Für den Herausgeber des oppositionellen Blattes Crocodile, Francis-Pedro Amuzun, steht außerdem eine Manipulation der Wählerverzeichnisse fest. Eyadémas Anhänger hätten bis zu viermal wählen können. Wegen der vorzeitigen Schließung einiger Wahllokale forderten Tausende Oppositionelle vergeblich ihr Wahlrecht ein.

Kurz nach der Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses verabschiedete die Europäische Union daher ein Kommuniqué, in dem sie den Wahlsieg Eyadémas anzweifelte. Auch in Washington will man von einer weiteren Amtszeit des Militärherrschers nichts wissen. Nur Frankreich ist der Kurs gegen den 61jährigen Staatschef Togos noch nicht ganz geheuer. Denn Olympio, ein wohlhabender Geschäftsmann und früherer Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF), gilt nicht nur als Garant für eine market democracy, sondern auch als anglophil. Der größte Teil seiner Geschäfte erfolgt über Großbritannien und die USA, und das wird in Paris nicht gern gesehen.

Vor allem die neogaullistische Rechte Frankreichs, zu der Eyadéma gute Kontakte pflegt, sorgt sich um die postkolonialen Einflußzonen auf dem afrikanischen Kontinent. Als ehemalige Kolonialmacht war Frankreich längste Zeit der wichtigste Geldgeber zum Aufbau von phosphat- und erdölverarbeitender Industrie. Zum Teil flossen auch aus der französischen Staatskasse Gelder in den Togo, der 1975 auf Betreiben Frankreichs im Abkommen von Lomé zum handelsbegünstigten Partner der Europäischen Gemeinschaft erklärt wurde.

Für die USA war die kleine afrikanische Republik hingegen nur von strategischem Interesse, weil sowohl das westlich angrenzende Ghana wie der östliche Nachbar Benin als "sozialistisch" galten und mit der Sowjetunion zusammenarbeiteten. Nachdem sich Washington mittlerweile aber aktiv um Einfluß in Afrika bemüht (Jungle World, Nr. 14/98), fürchtet man in Frankreich nicht nur den Verlust eines verläßlichen Partners, sondern auch einen Dominoeffekt in der bisherigen Einflußsphäre. In Lomés Diplomatenkreisen gilt es daher als unwahrscheinlich, daß Frankreich einen Wechsel von Eyadéma zu Olympio dulden werde.

Der Oppositionsführer sieht sich bereits in der Präsidentenrolle: "Ich habe die Wahlen gewonnen!", erklärte er gegenüber Crocodile. Neben den Streikenden weiß er auch die vier weiteren Oppositionskandidaten hinter sich. Gemeinsam haben sie Eyadéma eine Frist bis zum 25. August gesetzt, dem eigentlichen Ablauf seines Mandats. Bis dahin solle er den Wahlsieg seines Rivalen anerkennen.

Georges Aidam, Generalsekretär des oppositionellen Aktionskomitees für die Erneuerung (CAR) hält einen friedlichen Machtwechsel allerdings für ausgeschlossen, eher werde es zum Bürgerkrieg kommen. Die Armee ist in Togo jedenfalls ein wichtiger Machtfaktor, was sie zweifelsfrei Eyadéma verdankt - als dieser 1963 den ersten Putsch Afrikas anführte, zählten die Streitkräfte des Landes nur etwas mehr als 300 Soldaten. Im Jahresbericht des vergangenen Jahres verzeichnete amnesty international sieben extralegale Hinrichtungen sowie zahlreiche Fälle von Folter oder anderer gewalttätiger Übergriffe von Polizei und Militärs gegen Oppositionelle.

Bisher durch das Günstlingssystem des autokratischen Präsidenten klar privilegiert, zeichnete sich innerhalb des Militärs allerdings eine wachsende Unzufriedenheit ab. Wegen Zahlungsschwierigkeiten mußte der Staat in den vergangenen Monaten selbst den Soldaten ihren Lohn schuldig bleiben. Gleichzeitig heißt es, Eyadéma werbe im Ausland bereits Söldner an, um seine Macht zu sichern.

Bereits seit Jahren fehlen ihm die Mittel, sein Günstlingsnetz aufrecht zu erhalten. Vom IWF, der dem Land 1988 mit einem Kredit aus einer Schuldenkrise half, kann Togo diesmal jedoch keine Unterstützung erwarten. Eine Delegation von IWF und Weltbank bezeichnete bei einem Kurzbesuch im Juni die finanzielle Situation des Land als desolat und hoffnungslos.

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