Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel

Jürgen Schneider ist Galerist und Übersetzer

Aus irgendeinem Grund kann ich mich an dieses Spiel nicht erinnern. Dabei steht doch in meinen Stasi-Akten, mein Verhältnis zur DDR-Kultur sei kritisch-positiv. Das war eine Floskel, die man zur Legitimierung von DDR-Aufenthalten benutzte - ich war oft da, um Verwandte und Freunde zu besuchen.

Zu den Freunden in Leipzig war ich über eine Italienerin, eine Freundin, gekommen, die einen Sprachaufenthalt in der DDR machte, wir trafen uns oft auf dem Alexanderplatz. Über die Büchner-Buchhandlung in Darmstadt - wo Büchner herkam und wo er seine Schießübungen im Wald veranstaltete -, deren Miteigentümer ich war, haben wir dann später auch einen dieser DDR-Bürger zu einem Vortrag über Georg Büchner einladen können, er arbeitete an der Akademie der Wissenschaften, Büchner war sein Spezialgebiet. Daraus entstand ein sogenannter wissenschaftlicher Austausch, mit dem allerdings verbunden war, daß er über die Besuche berichten mußte. Daß diese Berichte an die Staatssicherheit gingen, wurde nie gesagt, aber es war klar. Heute haben wir noch gelegentlichen Kontakt.

Für Fußball habe ich mich immer interessiert, ich erinnere mich an die Niederlage gegen England 1966, die mich sehr traurig machte, da war ich wohl noch zu jung, um zu verstehen, daß ein Sieg der deutschen Nationalmannschaft nicht unbedingt ein Grund zur Freude ist. Und immerhin habe ich zwölf Jahre lang selber gespielt, in einem mickrigen Verein namens FC 34 - bezeichnenderweise also ein Jahr später gegründet - Bierstadt. Damals wäre ich gerne Fußball-Profi geworden, aber als ich 19 war, wurde bei mir ein Sportlerherz festgestellt und ich erhielt daraufhin Sportverbot. Erst später, als ich in Irland wohnte, spielte ich wieder regelmäßig, in einer Altherren-Kneipen-Mannschaft, dort war ich dann alles außer Torwart, meistens jedoch linker Verteidiger.

So bleibt mein größter sportlicher Triumph ein Spiel gegen den Nachbarverein, den FC Biebrich. Die waren traditionell stark, Jürgen Grabowski kam daher, der bei diesem Match gegen unseren Angstgegner sogar auf der Zuschauertribüne saß. Und ich allein habe sie dann, vor seinen Augen, mit zwei Toren erledigt - da bin ich heute noch stolz drauf, ich war sozusagen der Zidane des Lokalderbys.

Das Tor von Sparwasser kam für mich übrigens nicht so überraschend, denn ich kannte ihn schon, vom Fernsehen her, und hatte auch schon einige Berichte über ihn gelesen. Ein großer Teil der deutschen Linken sah seinen Treffer wohl als Beleg für die Überlegenheit des Sozialismus, mit klammheimlicher Freude, wie andere Ereignisse auch.