Zum Abschuß freigegeben

Algerische Journalisten protestieren gegen die drohende Schließung ihrer Arbeitsräume

Läuft alles nach Plan der Hotelleitung, werden sich die Türen der Unterkünfte in den Sicherheitszonen von Algier in knapp einem Jahr zum letzten Mal für die von Repression und Terror gebeutelten Journalisten öffnen. Bereits kurze Zeit nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs 1992 hatten rund 200 Pressevertreter vor den Killerkommandos islamischer Extremisten Reißaus genommen und ihr Quartier in den hermetisch abgeschirmten Luxusappartements westlich der Hauptstadt aufgeschlagen.

Damit soll jetzt jedoch endgültig Schluß sein, da die Verträge im nächsten Jahr nicht mehr verlängert werden. Das Entsetzen der betroffenen Journalisten ist groß, da noch nicht einmal geklärt ist, wohin die Reise ins Ungewisse für sie gehen soll: Die Regierung, die bisher für die Organisation der Sicherheitsunterkünfte verantwortlich war, hüllt sich beharrlich in Schweigen.

Anfang dieses Monats waren daher fünf Publizisten in Hungerstreik getreten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Sie fordern die sofortige Aufhebung der Kündigungen - zumindest so lang, bis ihnen eine sicheres Ersatzquartier garantiert wird. Wie aus algerischen Medienkreisen jüngst verlautete, stellt das Vorgehen des Regimes einen politischen Skandal dar, der möglicherweise schon bald einen Generalstreik auf dem Mediensektor provozieren könnte.

Die Hotelunterkünfte stellten bisher ein sicheres Refugium für die von den islamistischen Eiferern gejagten Journalisten dar. "Früher war es notwendig, sich in regelmäßigen Abständen vor den Islamisten zu verstecken. Man mußte ständig seine Wegstrecke zu den Redaktionen ändern und sich so gut wie möglich tarnen, um einer möglichen Geiselnahme oder einem Attentat zu entgehen", berichtet ein Mitarbeiter der französischsprachigen Zeitung Algérie Actualité.

Spätestens seit dem Bombenanschlag auf das "Pressehaus in Algier" und den Schüssen, die 1996 auf Omar Belhouchet, den renommierten Chefredakteur der Tageszeitung El-Watan, abgegeben wurden, fürchten Algeriens Journalisten um ihr Leben. Seit 1993 sind rund 60 Journalisten den Mordanschlägen der Bärtigen zum Opfer gefallen.

Die "bewaffneten islamischen Gruppen" (GIA) und ihre Helfershelfer aus den Reihen des militanten Arms der Heilsfront (FIS) erklärten all den Vertretern der algerischen Presse den Krieg, die das Zéroual-Regime mit ihrer Berichterstattung direkt unterstützen oder sich gegen eine islamische Republik aussprechen. Dieser Angriff richtete sich nicht nur gegen das staatliche Medienmonopol, sondern vor allem auch gegen die sechs unabhängigen Tageszeitungen, die eine Trennung von Staat und Religion favorisieren und ein islamisches Regierungssystem strikt ablehnen.

Aber auch die Staatsmacht schreckt nicht davor zurück, von ihrem hauseigenen Medienrecht ausgiebig Gebrauch zu machen, um den nicht konformen, unabhängigen Presseorganen - wenn nötig - den Maulkorb zu verpassen. Im Zuge der Unruhen von 1988 war den alten Machthabern der FLN-Einheitspartei mühsam ein neues Nachrichtengesetz ("Code de l'information") abgerungen worden, das die zentrale Verfügungsgewalt des Staates über die Presse- und Parteienlandschaft zeitweise aufhob. Es wurde jedoch nach dem Putsch der Militärs 1992 wieder suspendiert.

Das daraufhin erlassene Mediengesetz, das auch als "zweites Strafgesetz" firmiert, schrieb fortan wieder dem Staat das volle Informationsmonopol zu. Laut Gesetz kontrolliert die Regierung die Werbeeinnahmen, die Druck- und Papierzuteilung sowie den Internetzugang aller Redaktionen und Verlagshäuser, mit dem Ziel, die Preise sowie die Auflagenzahl der Presseorgane zu überwachen.

Wenn Journalisten zu scharfe Kritik an Regierungsvertretern üben sollten oder zum zivilen Ungehorsam aufrufen, können die Redaktionen im Rahmen der Antiterror-Dekrete sogar für unbestimmte Zeit geschlossen werden. Auch ist den Medien generell nicht gestattet, über Themen wie innere Sicherheit sowie insbesondere über die militärische Operationen der Sicherheitskräfte gegen die Islamisten zu berichten.

Vor zwei Jahren erreichte die staatliche Repressionswelle gegen die unabhängige Presse einen neuen Höhepunkt, als Zeitungen wie El-Watan und La Nation nicht gedruckt werden durften, obwohl die Artikel keine sicherheitsrelevanten Nachrichten enthielten. Oppositionellen Zeitungen wurde regelmäßig die Drucklizenz vorübergehend entzogen. Das Tagesblatt La Tribune wurde für sechs Monate verboten, weil eine Karikatur im Zusammenhang mit der algerischen Nationalfahne in einer Ausgabe auftauchte, die von den Justizbehörden schlecht aufgenommen wurde. Die verantwortlichen Redakteure wurden zu sechsmonatigen Haftstrafen verurteilt.

Mittlerweile mehren sich auch kritische Stimmen an den staatlichen Sicherheitsbehörden. Regimekritiker werfen ihnen vor, die Islamisten zu benutzen, um mit unbequemen Journalisten abzurechnen. Der Direktor der Tageszeitung El-Watan, Omar Belhouchet, hatte gegenüber einem ausländischen Fernsehsender die Ansicht geäußert, daß die islamistischen Mordanschläge gegen Publizisten zum Teil im Auftrag der rivalisierenden Clans innerhalb des Staates geschähen. Für diese Aussage wurde er Ende 1997 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.