10.03.1999

Die Zärtlichkeit der Staatschefs

Die kurdischen Exilparlamentarier wurden vom baskischen Parlament ein-, von der spanischen Regierung jedoch wieder ausgeladen

Das Ökonomische ist immer wichtig. Aber nicht immer das Wichtigste. "Wir als baskische Demokraten sind nicht bereit, unser Bruttosozialprodukt durch die Tragödie des kurdischen Volkes zu erhöhen", findet zumindest Xabier Arzalluz, der Vorsitzende der konservativen Nationalistischen Baskischen Partei (PNV).

Und deswegen geht für das baskische Regionalparlament in Vitoria die "Solidarität mit dem unterdrückten kurdischen Volk" sogar vor wirtschaftlichen Erwägungen. Also lud man Anfang Februar das kurdische Exilparlament ein, im Juli das baskische Plenargebäude für eine Sitzung zu nutzen - um eine diplomatische Konfliktlösung zu begünstigen.

Was aber nur funktioniert, wenn die kurdischen Abgeordneten überhaupt ins Baskenland gelangen. Denn die spanische Zentralregierung zeigte sich nicht besonders erfreut über den Beschluß des Baskenparlamentes, der neben der PNV und ihrer Koalitionspartnerin, der Baskischen Solidaritätspartei, auch von der Vereinigten Linken und der "linkspatriotischen" Wahlkoalition Euskal Herritarrok unterstützt wurde. "Mit allen Mitteln" wolle man die kurdische Parlamentssitzung verhindern, tönte es aus dem Kabinett des konservativen Ministerpräsidenten José Mar'a Aznar.

Schließlich geht es um die bisher sehr guten Beziehungen zum Nato-Partner Türkei, der außerdem auch noch ein wichtiger Wirtschaftspartner ist. Einen Handelsüberschuß von umgerechnet 535 Millionen Euro verzeichnete Spanien in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres. Hauptsächlich durch den Export von Autos, Aluminium und Aluminiumprodukten, Raumfahrt- und Kernreaktortechnologie sowie Rüstungsgütern und Waffen. Für den spanischen Rüstungskonzern Casa ist die Regierung in Ankara beispielsweise der zweitwichtigste Abnehmer im Ausland.

Aufgeschreckt durch den Boykott italienischer Waren in der Türkei nach der Weigerung Roms im vergangenen November, den PKK-Chef Abdullah Öcalan an Ankara auszuliefern, will man sich diese guten Kontakte erhalten. Selbst der - sonst als PNV-nah geltende - baskische Unternehmerverband Confebask zeigte sich "besorgt und "irritiert" über den Beschluß des Parlamentes in Vitoria und sähe das Kurdenparlament lieber jenseits der spanischen Grenzen.

Ganz so wie Innenminister Jaime Mayor Oreja, der sich bereits dafür aussprach, die Exilparlamentarier gar nicht erst nach Spanien hineinzulassen. Nach den Vereinbarungen über den freien Personenverkehr ist das jedoch gar nicht möglich, weil ein Großteil der kurdischen Vertreter einen legalen Aufenthaltstatus in einem EU-Land besitzt und daher nicht am Grenzübertritt gehindert werden darf. Außenminister Abel Matutes drohte deswegen am Dienstag vergangener Woche, zumindest sämtliche Abgeordnete, die in einem Land des Schengen-Vertrages per Haftbefehl gesucht würden, festnehmen zu lassen. Und Regierungssprecher Josep Piqué i Camps kündigte an, die Regierung werde notfalls vor das Verfassungsgericht in Madrid ziehen, um die Sitzung zu verhindern.

Und das, obwohl Mendo Balci, Sprecher der kurdischen ERNK in Madrid, unterstrich, "die öffentliche Ordnung" Spaniens werde auf keinen Fall gefährdet. Denn der Aznar-Administration geht es keineswegs nur um die ökonomischen Beziehungen mit der Türkei, und schon gar nicht um die Angst vor einem angeblich heranrollenden "Kurdenterror", sondern um ein Prinzip des spanischen Autonomiestaates: Die Außenpolitik wird - wie es in Artikel 149 der spanischen Verfassung steht - von Madrid bestimmt.

Deswegen kann sich die baskische Regionalregierung unter Juan José Ibarretxe (PNV), der sich von den "Erpressungsversuchen" aus Madrid nicht beeindrucken lassen will, aber auch der Solidarität anderer "Völker" gewiß sein: der des katalanischen beispielsweise. Jordi Pujol, Chef der katalanischen Regionalregierung, betonte seine Unterstützung für den baskischen Beschluß. Und Josep Llu's Carod-Rovira von der Republikanischen Linken Kataloniens brachte vor dem Regionalparlament in Barcelona bereits einen Antrag ein, nach dem auch das katalanische Plenargebäude dem kurdischen Exilparlament für eine Sitzung zur Verfügung stehen soll.