"Um meine Zukunft braucht sich niemand zu sorgen", sprach der Landesparteiobmann der Kärntner SPÖ, Michael Außerwinkler, und trat zurück. Eigentlich warf der gelernte Mediziner schon vor der ersten Hochrechnung entnervt das Handtuch. Wenige Minuten später bestätigten ihm die Computer, was er offenbar längst geahnt hatte: Die FPÖ hatte seine Sozialdemokraten nicht nur geschlagen, sondern regelrecht gedemütigt. Das offizielle Ergebnis: FPÖ 42 Prozent (+ 9,1), SPÖ 32,9 (- 4,5), ÖVP 20,7 (-3,1).
Diese Zahlen veranlaßten anschließend auch den bisherigen Landeshauptmann Christoph Zernatto zum Rücktritt, hatte er doch seine Zukunft als Kärntner Oberhaupt vom Erreichen der 25-Prozent-Marke der ÖVP abhängig gemacht.
Also: Bahn frei für Haider? Kärnten so blau, so blau, so blau? Noch nicht. Österreichs südlichstes Bundesland ist schließlich bekannt für seine komplizierte Wahlarithmetik. Als Jörg Haider 1989 erstmals Landeshauptmann wurde, verfehlte die SPÖ die absolute Mehrheit um lächerliche 600 Stimmen, und Zernatto wurde ebenfalls großteils von roten und blauen Gönnern im Sessel gehalten. Wer nun mit wem "packeln" wird, ist noch ein streng gehütetes Geheimnis.
Allerdings war die Panik der beiden Großparteien bereits im Vorfeld der Landtagswahl in Kärnten spürbar. Gegenseitige Drohungen standen auf der Tagesordnung; die Vorverlegung der Nationalratswahlen war hier nur eine von vielen. Das Mißtrauen zwischen Schwarz und Rot wuchs proportional mit der Nähe zum Wahltermin. Die österreichischen Medien wußten wieder einmal von einer schweren Koalitionskrise zu berichten; die beiden Klub-Obmänner, Andreas Khol (ÖVP) und Peter Kostelka (SPÖ), trugen ihre Scharmützel in aller Öffentlichkeit aus.
Doch bei aller perfekt inszenierter Emotion - hinter dem ganzen Hick-Hack steckt System. Und das hat schon Tradition: Sobald der große Bärentaler irgendwo kandidiert, liegen die Nerven der Regierungsparteien blank. Haider zum Landeshauptmann machen? Nie und nimmer! Daß SPÖ und ÖVP aber gerade durch diese Grabenkämpfe dem Rechtspopulisten immer wieder zu gewaltigen Stimmengewinnen verhelfen, hat offenbar noch niemand verstanden. Besonders hervorgetan hat sich diesmal die Kärntner SPÖ, deren Mitglieder mitten im Wahlkampf plötzlich eine Obmanndebatte begannen und Michael Außerwinkler medienwirksam ihr Vertrauen entzogen. Der introvertierte Arzt stand mit einem Schlag ohne jegliche Basis da und versuchte, als Eisstockschütze, Bratwurst-Wettesser und Baby-Windelwechsler zu retten, was noch zu retten war. Doch das lag ihm nicht. Das kann Haider besser. Viel besser. Wo er auch auftrat, hingen die Kärntner an seinen Lippen. Außerwinkler hatte nie wirklich eine Chance, die deftige Wahlschlappe der bisher stimmenstärksten SPÖ war unmöglich zu verhindern.
Haider jedoch weiß, daß er trotz des überlegenen Sieges der FPÖ auf die Gunst der im Kärntner Landtag vertretenen Parteien angewiesen ist. Dementsprechend zurückhaltend gab sich der sonst so wortgewaltige Demagoge nach der Veröffentlichung des Endergebnisses: "Ich bin sicher, daß sich die Landesparteien nicht von den Parteizentralen in Wien beeinflussen lassen werden. Die wissen schon, was sie tun. Die stimmenstärkste Partei soll auch den Landeshauptmann stellen."
Was erschwerend hinzu kommt: Haider hat nun keinen legitimen Gegenspieler mehr. Außerwinkler zurückgetreten, Zernatto ohne Anspruch auf den "Thron". Es hat auch den Anschein, als wären SPÖ und ÖVP untereinander zu uneinig, zu schwach und intern zu erschüttert, um einen Landeshauptmann Haider verhindern zu können.
Was Kärnten mit "Jörgl" an der Spitze bevorsteht, ist abzusehen. Das äußerst strukturschwache Land wird sich in einem "Europa der Regionen" weiter an den Rand gedrängt sehen. Gerade die in den letzten Jahren verstärkten Kontakte zu Slowenien stehen auf dem Spiel, die Bewerbung für die Olympischen Spiele mit dem Slogan "Senza Confini" (Gemeinschaftsproduktion mit Slowenien und Italien) werden mit Haider zur Farce.
Doch Jörg Haider will "durchstarten", wie er selbstsicher ankündigte. Daß er dabei kaum Unterstützung außerhalb seines neuen Reichs finden wird, scheint ihm egal zu sein.