Illegale Unterkunft in Berlin

»Höchst dubios«

Was sich am letzten Freitag vor dem Landgericht Berlin in Moabit abspielte, kann man als Ankunft des bundesdeutschen Grenzregimes in der Hauptstadt bezeichnen. Wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz war eine 33jährige Berlinerin bereits im November 1998 zu einer Geldstrafe von 300 Mark verurteilt worden - dagegen ging sie nun in Berufung.

Die Straftat: Im September 1997 hatte die Diplom-Soziologin einer vierköpfigen peruanischen Familie, die sich illegal in Deutschland aufhielt, ihre Wohnung für ein paar Tage überlassen. Auf einem Spielplatz erzählten ihr die Eltern, daß sie in einer ziemlich teuren Pension wohnten - worauf sich die Angeklagte bereitfand, sie für ein paar Tage zu beherbergen. Kurz später lief die Familie einer Polizeistreife in die Arme. Gerade auf dem Weg zum Waschsalon, trugen die PeruanerInnen Taschen und Koffer mit sich, was "so um zehne nachts" recht ungewöhnlich sei, wie die PolizeibeamtInnen später zu Protokoll gaben.

Schon in der ersten Verhandlung hatte die Richterin am Amtsgericht Tiergarten der Angeklagten vorgeworfen, sie habe "billigend in Kauf" genommen, daß ihre Gäste nicht "im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis" waren. Das Gericht könne es ihr nicht abnehmen, daß sie so unbedarft sei, lediglich aus Hilfsbereitschaft gehandelt zu haben.

Die von Rechtsanwältin Christiane Clemm gestellte Frage, woran ihre Mandantin denn den Aufenthaltsstatus der PeruanerInnen hätte erkennen sollen, mochte das Gericht nicht beantworten. Auch nicht, wie man sich die ständig wechselnden Visabestimmungen - PeruanerInnen etwa brauchen erst seit Mitte 1997 wieder ein Visum - merken solle.

Statt dessen gab sich der Richter den wildesten Schleuser-Phantasien hin: Die peruanische Familie sei zu der Angeklagten durchgereicht worden; sie selbst sei allerdings nur Glied einer Kette, die Illegalisierten Unterschlupf gewähre. Daß die Angeklagte ihre Straftat jedoch als Sozialhilfeempfängerin quasi auf Staatskosten begangen habe, mache den Vorgang um so verwerflicher.

Nach der Kriminalisierung von TaxifahrerInnen in deutschen Grenzregionen ist nun die nächste Personengruppe an der Reihe: Wer nicht bereit ist, sich um den Aufenthaltsstatus seiner Mitmenschen zu kümmern, läuft zwangsläufig Gefahr, in die Fänge der Justiz zu geraten. Wenn die Umstände "höchst dubios" erscheinen, wie das Gericht in seinem ersten Urteil formulierte, müsse dies bei "jedem verständigen Menschen (...) den Verdacht aufkommen lassen", daß der Aufenthaltsstatus "möglicherweise nicht dem geltenden Ausländerrecht entspricht". Schon dunkle Hautfarbe oder die pure Anwesenheit im Lande können da zum Verdachtsmoment werden.