»Gays, don't go to Munich!«

Hundert Streifenbeamte sollen das homophobe Image der Münchener Polizei aufpolieren

Schwule bringen Geld. Das ist in München nicht verborgen geblieben. Um auch nach dem Ende des Oktoberfests mitsamt seiner Millionenumsätze an Geld zu kommen, segnete der Stadtrat - mit nur vier Gegenstimmen der CSU - in der letzten Woche den Beitritt des Münchener Fremdenverkehrsamts in die International Gay & Lesbian Travel Association (IGLTA) ab. Nun will man sich gar um den dreitägigen Jahreskongreß der IGLTA bewerben.

Den Werbeeffekt hat die Metropole der Bierseligkeit auch bitter nötig. "Schwule, reist nicht nach München", hatte bereits im Juli die angesehene amerikanische Schwulen- und Lesbenzeitschrift Advocate gewarnt.

Ein ins Koma geprügelter 38jähriger Niederländer, drei mit Schnürstiefeln in den Notarztwagen getretene und sechs krankenhausreif geschlagene Männer in den zwei vergangenen Monaten waren nötig, ehe sich Münchens Polizei dazu durchrang, den Kampf gegen schwulenfeindliche Gewalt auf ihre ernstzunehmen. "Beamte einer Einsatzhundertschaft sollen solche Tendenzen im Keim ersticken", verkündete Polizeisprecher Peter Durdak im September markig. Doch auch wenn die Community auf wirklichen Schutz vor homophoben Schlägern hofft, will man daran nicht so recht glauben - schließlich gab es mit Ordnungshütern bisher wenig gute Erfahrungen.

Beim Anti-Gewalt-Projekt des Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrums Sub zieht man daher eine nicht allzu positive Bilanz der Polizeiarbeit. Mitarbeiter Günter Reisbeck: "Die Polizei sieht Schwule oft eher als Täter denn als Opfer." So hätten anonyme Anrufer berichtet, daß sie im Englischen Garten von Polizisten dazu angehalten worden seien, sich nicht mehr blicken zu lassen - ansonsten würden sie längere Zeit im Revier festgehalten. Ein anderer Anrufer erzählte, daß er im Alten Botanischen Garten von fünf Zivilpolizisten gefragt wurde, ob er schwul sei. Wenn sie ihn nochmals dort antreffen würden, gebe es eine Anzeige.

Trotz der offensichtlich homophoben Haltung vieler Beamten fordert Reisbeck mehr Streifen im Schwulenkiez der Stadt, dem Glockenbachviertel: "Es wäre ein wichtiges Signal der Polizei gegen antischwule Gewalt. Natürlich sollten Streifen Schwule bisher eher einschüchtern als schützen. Das muß sich ändern. Die Polizisten brauchen eine Schulung."

Alexander Mikl-sy ist für die Rosa Liste Mitglied im Bezirksausschuß II. Hier um den Gärtnerplatz herum trifft sich die Szene. Mikl-sy kennt die Lage vor Ort und die gemischten Gefühle angesichts verstärkter Polizeistreifen: "Es gibt in der Polizei keine schwulenfeindliche Tendenz von oben. Aber es gibt Streifenbeamte, die hier die Sau raus- und ihre Vorurteile ablassen. Die werden bei der Polizei nicht genügend problematisiert. Einen Beauftragten für Schwule als Ansprechpartner für Opfer und bei Beschwerden gibt es in München immer noch nicht."

In Hamburg, Berlin und Köln schon. Warum nicht in München, schrieb der Polizeisprecher in der August-Ausgabe der Schwulen- und Lesbenzeitschrift Queer: "Wir können nicht für jeden Zweck einen Beauftragten installieren. Und schon gar nicht für jede Randgruppe."

Auch wenn die neuen Beamten erst in Zukunft ihre Runden durch das Viertel ziehen werden, zittern einige Schwule bereits jetzt. Zwischen 100 und 200 Stricher schaffen hier innerhalb des Münchener Sperrbezirks an, 80 Prozent von ihnen sind obdachlos. Ihre Lage will der grüne Bürgermeister Hep Monatzeder verbessern. In einem Positionspapier fordert der Vorsitzende des Interfraktionellen Arbeitskreises Prostitution ein House of Boys, ein Schwulen-Bordell, wo die bisher Obdachlosen Unterschlupf finden könnten. Noch schaffen die Stricher auf öffentlichen Toiletten und in Kneipen an, ständig in Gefahr, von der Polizei verhaftet zu werden.

Doch die will ihr erfolgreich praktiziertes Betreuungskonzept nicht einfach aufgeben. Im Gegenteil: Mit den zusätzlichen Streifen soll die Kontrolle über die Szene noch verschärft werden. "Über ein House of Boys gibt es für uns keine Diskussion", sagt der Polizeisprecher Durdak. "Die Sperrbezirksverordnung schließt Bordelle aus - das kann allein die Politik ändern. Dafür sind einige obdachlose Stricher aber ein schlechtes Argument. Es bedarf keiner zusätzlichen Einrichtungen: Wir haben Obdachlosenheime. Wer auf der Straße anschafft, wird bei Kontrollen zur Anzeige gebracht."

Ein Programm zur Bekämpfung antischwuler Gewalt ist das wohl kaum. Sub-Betreiber Reisbeck hofft trotzdem, "daß die Polizei es richtig macht" - und bleibt skeptisch. "Wenn die neuen Streifen weiter Stricher rigoros kontrollieren und kriminalisieren, wird jedes neu entstandene Vertrauen kaputtgemacht."

Während in München die Wogen hochschlagen, hat die Polizei anderswo kein Problem mit Schwulen-Bordellen. Der Kölner Polizeisprecher Werner Schmidt etwa meint, daß Sperrbezirke allein das Anschaffen auf der Straße ausschließen. "Ob da ein Bordell liegt oder nicht, ist gleich. In Köln als Schwulen- und Lesbenmetropole ist das nicht auszuschließen. Aber es ist ja auch kein Problem und nicht verboten."

In München des nächsten Jahrtausends vielleicht auch nicht mehr. Bis zum Jahresende nämlich will das Kreisverwaltungsreferat eine Änderung der Sperrbezirksverordnung in den Stadtrat einbringen, die die Vorschläge des Interfraktionellen Arbeitskreises Prostitution berücksichtigt. Dann gäbe es für die Polizei weniger festzunehmen und für die Stricher einen Anlaufpunkt außerhalb des Obdachlosenheims.