Joseph Fischer und die Uno

Marsch durch die Institutionen

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"Herr Präsident, diese Generalversammlung ist die letzte in diesem 'Jahrhundert der Extreme', wie der britische Historiker Eric Hobsbawm das zu Ende gehende 20. Jahrhundert genannt hat. Anlaß genug für eine Standortbestimmung." So sprach der deutsche Außenminister Joseph Fischer vergangene Woche vor der 54. Generalversammlung der Vereinten Nationen (Uno, von Fischer mit VN abgekürzt).

Da wird der marxistische Historiker zum Anlaß für eine Bestimmung des Standorts, da werden Kapitalismuskritik und Kapitalismus unfreiwillig vereint. Beides gilt Fischer als Waffe für die weltweite Durchsetzung der "Ziele und Werte der VN - Frieden, Menschenrechte, Freiheit, Gerechtigkeit und Entwicklung".

Der deutsche Außenminister präsentierte sich als Sprecher eines Deutschlands, dem es vor allem um die Abschaffung der Todesstrafe, des Kinderhandels und der Diskriminierung von Frauen und um die unterdrückten Völker gehe. Die Pressefreiheit müsse geschützt, ein "Ausgleich zwischen den reichen und den armen Ländern zu Wege" gebracht und die Zerstörung der Umwelt gestoppt werden. Nachhaltig. Was für ein Kerl. Edel ist der Deutsche, hilfreich und gut.

Und internationalistisch. Deswegen muß das Veto-Recht der ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates fallen, bzw. modifiziert werden. Denn das bisherige Vetorecht für die festen fünf des zehnköpfigen Rates - die USA, Rußland, China, Großbritannien und Frankreich - "ist nicht nur wenig demokratisch und transparent, es erleichtert auch die Einlegung des unilateralen Vetos aus nationalen statt internationalen Interessen".

Ohne Eigeninteresse ist der Deutsche auch. Deswegen muß auch ein ständiger Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat her: "Wie Sie wissen, hat Deutschland schon länger seine Bereitschaft erklärt, in diesem Zusammenhang dauerhaft mehr Verantwortung zu übernehmen." So einfach wie der japanische Kollege, der das gleiche will und zur Begründung anführte, Japan überweise an die UN mehr Geld als vier der fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat zusammen, macht es sich Fischer nicht. Nur zur Verteidigung der Menschenrechte wolle man die angestrebte Position nutzen.

Denn besonders ist der Deutsche Staatsfeind und Menschenrechtler: "Darf den VN die Staatssouveränität wichtiger sein als der Schutz der Menschen und ihrer Rechte?" fragte Fischer das Plenum und wußte auch gleich die Antwort: "Die Nichteinmischung in 'innere Angelegenheiten' darf nicht länger als Schutzschild für Diktatoren und Mörder mißbraucht werden."

Soviel Güte, Edelmut und Altruismus bleibt nicht unwidersprochen: US-Präsident William Clinton erklärte, Entscheidungen über lebensrettende Interventionen würden in erster Linie von nationalen Eigeninteressen bestimmt, nicht von humanitären Prinzipien. Im übrigen müßten sich die UN hin und wieder auf Regionalmächte verlassen - wie auf die Nato auf dem Balkan, Australien in Ost-Timor oder Nigeria in Westafrika.

Chinas Außenminister Tang Jiaxuan wandte sich lapidar gegen jede Schwächung des Sicherheitsrates. Seine Rede war, glaubt man Reuters, der "Most-hard-line"-Einwand gegen Rufe zur Anerkennung des Rechts auf "humanitäre Intervention". Auch der russische Außenminister Iwan Iwanow war deutlich: Die UN sollten mehr Zeit darauf verwenden, gegen Separatisten "strenger vorzugehen" und das Prinzip der staatlichen Souveränität zu stärken.

Und Algeriens Newcomer Abdelaziz Bouteflika wurde gar prinzipiell: Humanitäre Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates sei erfunden worden, um der jeweiligen Bevölkerung ihre nationale Souveränität zu nehmen.

Besonders perfide aber attackierte wieder einmal der Erzfeind - nicht direkt, sondern über Le Monde. Die Zeitung schrieb zur Fischer-Rede: "Berlin bestätigt so jeden Tag seinen Willen, eine diplomatische Großmacht zu sein, die jedoch immer im Rahmen der internationalen Institutionen agiert, handele es sich um die Vereinten Nationen, die Nato oder die Europäische Union."

Da hat sie recht. Fischers Rolle ist die des Sunnyboys in den internationalen Institutionen. Das hat seinen Grund: Deutschland kann seine Interessen nur mittels dieser Einrichtungen verfolgen.