Daniel Bahr

»Mein Traum wäre Winzer in Italien«

Daniel Bahr ist seit April dieses Jahres Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, der Jugendorganisation der FDP. Der 22jährige ist Förderstudent der Dresdner Bank - und paukt an der Uni Münster Volkswirtschaftslehre. Auf sein Drängen hin machten die Münsteraner Julis Bahrs Lieblings-Hangout - "eine ehemalige RAF-Kneipe" - zu ihrem Polit-Treffpunkt. Das "Café Madig", findet der Jungliberale, ist nämlich einfach eine nette Kneipe, und Jungle World gibt's dort auch. Politische Beziehungen zur RAF hatte Bahr zwar nie, findet aber, daß dies "mit Sicherheit auch eine interessante Erfahrung gewesen" wäre.

Wann treten Sie aus der FDP aus?

Ich werde die FDP nicht verlassen, weil es erstens keine andere Partei gibt, die ein so liberales Programm hat wie die FDP. Zweitens glaube ich nicht daran, daß die FDP aussterben wird.

Haben Sie sich denn vorsichtshalber bereits eine Karriere woanders gesichert?

Man darf nie auf Politik als Beruf setzen, sie ist immer ein Hobby oder eine Tätigkeit auf Zeit. Deshalb will ich gar kein Berufspolitiker werden, sondern möchte Erfahrungen im Berufsleben sammeln. Mein Traum wäre Winzer in Italien.

Verständlich, denn die FDP hat ja wohl kaum eine politische Zukunft.

Doch, aber da muß ich nicht unbedingt auch meine persönliche Zukunft drin sehen. Ich bin ja nicht Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, um später im Bundestag zu sitzen. Das wäre dummes Zeug. Außerdem möchte ich die materielle und persönliche Unabhängigkeit von der FDP haben, um die Partei verlassen zu können, wenn es mir inhaltlich nicht mehr gefällt. Aber das ist jetzt nicht der Fall.

Die FDP ist doch längst eine Splitterpartei: Bei den Landtagswahlen in Sachsen landete sie mit 1,1 Prozent der Stimmen hinter dubiosen rechtslastigen Gruppen wie der Initiative Pro D-Mark, den Republikanern oder der NPD nur noch auf dem neunten Platz.

Für die Landtagswahlen im Osten trifft das mit Sicherheit zu, aber in anderen Bundesländern sieht es ganz anders aus. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden wir vielleicht sogar eine ernstzunehmende Regierungspartei sein. Die Grünen haben übrigens genau dasselbe Problem.

Die Grünen haben es aber geschafft, aus der außerparlamentarischen Opposition auf die Regierungsbank zu kommen. Ist das ein Vorbild für den Wiederaufstieg der FDP?

Mit Sicherheit nicht. Die Grünen machen das, wofür die FDP 30 Jahre gebraucht hat - nämlich von einer inhaltlich überzeugenden Partei zur Funktionspartei zu werden - in zwei Jahren durch. Als Vorsitzender einer grünen Jugendorganisation wäre ich noch frustrierter, als ich es derzeit wegen der FDP bin.

Aus Unzufriedenheit mit der Situation haben Sie den Rücktritt von Parteichef Wolfgang Gerhardt gefordert.

Die FDP hat es nicht geschafft, von ihrer Rolle als Regierungspartei - die sie über mehr als 30 Jahre war - wegzukommen. Sie ist keine Oppositionspartei. Und als Funktionspartei wird die FDP in einem Fünfparteiensystem nicht mehr gewählt. Also müßte sie sich inhaltlich positionieren, und das hat sie nicht geschafft.

Mit einem neuen Parteivorsitzenden wäre dann alles besser?

Die FDP muß einen Neuanfang wagen, indem sie auf Inhalte setzt. Diesen Neuanfang kann man aber nur dann glaubwürdig nach außen vertreten, wenn die Führungsperson Gerhardt ausgewechselt wird.

Durch Guido Westerwelle, der ja insgeheim schon jetzt mit Gerhardt zusammen die Partei führt?

Mehrere Repräsentanten fördern die öffentliche Wahrnehmung der Partei. Westerwelle sollte dabei als Oppositionsführer in den Vordergrund gestellt werden. In welcher Funktion, ist eher zweitrangig. Denn er ist der beste Oppositionsführer, den die FDP haben kann.

Weil er gute Reden schwingen kann und populistischer auftritt als Gerhardt?

Weil er den Anspruch der FDP, auch als kleine Partei Politik zu machen, gut deutlich macht. Er ist kreativ, er kann sehr gut zuspitzen, er vertritt die FDP-Positionen pointiert und als junger Mensch stellt er oft Dinge in Frage, die alte Politiker eben nicht mehr in Frage stellen.

Aber politisch gibt es doch keine Unterschiede zwischen Gerhardt und Westerwelle.

Die gibt es schon, aber sie sind nicht gravierend. Gerhardt ist eher ein bedächtiger Typ, der die verschiedenen Meinungen auszugleichen versucht, Westerwelle aber eckt auch gerne an. Und so jemanden brauchen wir derzeit an vorderster Stelle.

Bisher hat die Partei außer der Forderung nach einer Liberalisierung des Ladenschlußgesetzes doch gar nichts zu bieten.

Unser Grundsatzprogramm, die Wiesbadener Grundsätze, ist nach meiner Meinung - und nach der Meinung vieler Intellektueller - eines der modernsten Grundsatzprogramme, die die Parteien auf dem Markt bieten. Darüber wird bei uns nicht mehr diskutiert - das ist Konsens. Bei uns findet ja keine inhaltliche strategische Kursdiskussion statt wie etwa bei der SPD, bei den Grünen oder bei der Union. Das Vertreten nach außen ist das Problem. Wir sind doch die einzigen, die den Einfluß des Staates wirklich infragestellen. Wir stellen daher die Bürgergesellschaft in den Mittelpunkt - das bedeutet mehr Eigenverantwortung. Und verlangt nach einer Reform der Sozialsysteme.

Sie sprechen selbst von einem Parteienmarkt. Die ganze politische Auseinandersetzung ist doch nur gesellschaftlicher Überbau. Was zählt, ist das Primat der Ökonomie.

Darum geht es doch allen Parteien. Zu sagen, es geht nur noch darum, etwas ohne Inhalt zu verkaufen, das ist zu einfach. Wenn das Politik ist, dann möchte ich nicht mehr Politik machen. Ich mache ja Politik, um etwas zu verändern, um Reformen voranzubringen, und nicht, um mich selbst darzustellen. Obwohl es sicher Politiker gibt, die sich so verhalten.

Als Student der Volkswirtschaftslehre und Mitarbeiter der Dresdner Bank verstehen Sie etwas von Finanzmärkten. Was halten Sie denn davon, aus der FDP eine Aktiengesellschaft zu machen, die an die Börse geht? Mit den Einnahmen könnten Sie beispielsweise andere Parteien übernehmen. Die Reden einzelner FDP-Abgeordneten könnten Sie von Sponsoren präsentieren lassen und die Sendeplätze für Wahlspots ließen sich meistbietend weiterverkaufen. Damit wäre die FDP viel erfolgreicher als derzeit.

Dafür bin ich zu idealistisch. Die Parteien sollten sich nicht abhängig machen von Spenden oder Sponsoren. Die FDP darf keine Aktiengesellschaft werden mit unterschiedlichen Anteilseignern. Im Moment stände der Kurs übrigens auch sehr weit unten. Beim jetzigen Kurs könnte ich ja die gesamte Partei aufkaufen - und hätte sogar ein Interesse daran. Aber das ist kein Weg, den die Parteien in Deutschland gehen dürfen.

Im Moment funktioniert es doch auch nicht anders.

Zumindest nicht so zugespitzt. Es gibt natürlich Anteilseigner an einer Partei. Das sind die Mitglieder. Und dann gibt es einflußreichere Anteilseigner mit größeren Aktienpaketen. Das sind die Landesvorsitzenden. Das ist leider in jeder Partei so. Als idealistischer Vorsitzender einer Jugendorganisation versuche ich dagegen anzukämpfen. Aber das ist sehr schwierig, weil das festgefahrene Strukturen sind.

Es entsteht ein wenig der Eindruck, daß Sie das ganze Theater, das um Politik üblicherweise gemacht wird, viel zu ernst nehmen. Die FDP ist doch unfreiwillig ein ziemlich witziger Haufen. Jürgen Möllemann will Milosevic mittels Kopfgeld zur Strecke bringen, die Parteiführung bemühte sich um die Aufnahme des rechten Manfred Brunner, der die Partei einst verlassen hat, weil Sie ihm zu europafreundlich war, und ein paar Studenten versuchten die feindliche Übernahme der FDP. Warum macht die Partei solche Absurditäten nicht einfach zum Programm?

Wenn man nur Politshow macht, hat man langfristig keinen Erfolg. Damit gewinnt man vielleicht mal eine Wahl, möglicherweise sogar eine Bundestagswahl. Aber auf Dauer überzeugt man damit keine Wähler und erst recht nicht die junge Generation. Die möchte Fakten sehen und Problemlösungen.

Für eine Spaßpartei sehen Sie keine Zukunft?

Ich mache zwar aus Spaß Politik, aber nicht Politik um des Spaßes willen. Wenn die FDP zur Fun-Partei würde - wahrscheinlich mit Gerhard Schröder, der dann übertritt -, würde auch ich mich nicht mehr wohlfühlen.

Jetzt klingen Sie aber doch wie ein Berufspolitiker, der Sie doch eigentlich gar nicht sein wollen ...

... Ich sehe mich als Hobbypolitiker, der an der Politik Feuer gefangen hat und das gerne weitermachen möchte. Nicht als Beruf - aber an Entscheidungsprozessen in der Politik möchte ich mich trotzdem beteiligen. Das kann man auch, wenn man sein Brot woanders verdient.

Wenn Sie sich dennoch ein Ministeramt aussuchen könnten, welches wäre das dann?

Sie erwarten jetzt bestimmt Finanz- oder Wirtschaftsminister. Wahrscheinlich würde ich mir das Umweltministerium aussuchen. Um zu zeigen, daß man Umweltpolitik nicht nur über Gesetze, sondern auch über marktwirtschaftliche Mechanismen machen kann.