Mubaraks Mumienschanz

Mit einem Referendum läßt sich Ägyptens Präsident seine vierte Amtszeit absegnen

Der letzte Pharao Ägyptens - das ist bei Freund und Feind der Spitzname von Präsident Hosni Mubarak. Seine Freunde mögen diesen Namen gebrauchen, um seine "natürliche Führerschaft" zu unterstreichen. Aber seine Opponenten halten den Titel für eine zutreffende Beschreibung von Mubaraks Regime. Mit einem Referendum vom vergangenen Wochenende - die Stimmenauszählung dürfte derzeit noch andauern - will der 71jährige Präsident unangefochten in seine vierte Amtszeit starten.

In den 18 Jahren, die der frühere Luftwaffen-Kommandeur Mubarak mittlerweile als Präsident fungiert, ist er national und international kritisiert und gepriesen worden. Als damaliger Vize-Präsident wurde er, nach der Ermordung von Anwar el-Sadat durch islamische Fundamentalisten, im Oktober 1981 zum Präsidenten ernannt; er behielt weitgehend die von seinem Vorgänger begonnene Politik bei: Der Frieden mit Israel nach dem Camp David-Abkommen brachte Ägypten ökonomische und militärische Hilfen von den USA in Höhe von vier Milliarden Dollar jährlich.

Zur gleichen Zeit aber wurde Ägypten in der islamischen Welt isoliert. Weil Mubarak als Vermittler für viele regionale Friedensabkommen agierte und ägyptische Truppen zur Unterstützung der Alliierten während des Golfkriegs sandte, fand er nur noch in Saudi-Arabien und anderen Emiraten Anklang. Dennoch gilt Mubarak auch bei seinen Gegnern als gemäßigter und vor allem erfolgreicher Diplomat - die jüngste Einigung zwischen Israels Regierungschef Ehud Barak und dem PLO-Vorsitzenden Yassir Arafat wurde auf Wunsch Mubaraks im ägyptischen Scharm el-Scheich unterzeichnet.

Innenpolitisch ist Mubarak ein Hardliner. Aus seinem Kampf gegen den religiösen Extremismus ist er erfolgreich hervorgegangen. Kampagnen der Sicherheitskräfte haben die bewaffneten islamistischen Jihad Islami und Gamaat al Islamjia so gut wie ausgeschaltet. Ägyptens Gefängnisse sind mit Tausenden Gotteskriegern überfüllt.

Häufig haben sich in den vergangenen Jahren die Sicherheitskräfte für eine Politik entschieden, die "keine Gefangenen macht". Leute, die dennoch lebend gefangen genommen werden, landen meist vor Militärgerichten ohne Berufungsinstanz. Die gebräuchlichsten Strafen sind lebenslängliche Haft oder die Todesstrafe durch Erhängen.

Die extremistischen Gruppen verloren so rasch an Mitgliedern, aber etliche sind immer noch frei. Als Mitte September Sicherheitskräfte vier Gamaat-Mitglieder zu ergreifen suchte, kam es zur ersten großen Konfrontation in Kairo seit Jahren. Der Schußwechsel dauerte eine Stunde, und am Ende erklärten die Sicherheitskräfte die vier für tot. Dennoch sahen Augenzeugen, wie drei Personen aus dem von Kugeln durchlöcherten Wohnsitz abgeführt wurden. Gamaat-Sprecher erklärten anschließend, sie könnten nicht länger garantieren, daß alle ihre Mitglieder einen im Sommer verkündeten Waffenstillstand weiterhin einhalten würden.

Als Jihad-Militante 1995 versuchten, Mubarak auf der OAU-Konferenz in Addis Abeba zu erschießen, solidarisierten sich die meisten Ägypter mit dem Präsidenten. Seither sehen viele Leute Mubarak als eine Art Vaterfigur an - eine bequeme Position für einen Präsidenten.

Dies macht ihm auch die zunehmende Beschränkung der politischen Freiheiten einfach. Opposition innerhalb wie außerhalb des politischen Systems wird kaum toleriert. Demonstrationen sind verboten, die ägyptische Presse wird streng kontrolliert. Berufsverbände, Gewerkschaften, Gerichte und auch die religiösen Autoritäten von Al Azhar sind vollständig unter Kontrolle der Regierung. In der ganzen Zeit von Mubaraks Präsidentschaft sind Notstandsgesetze in Kraft gewesen.

Die Kritik zahlreicher Menschenrechtsorganisationen an Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren, Folter und Morden auf Polizeistationen ist für Mubarak nichts Neues: Er erkennt offiziell an, daß Demokratie in Ägypten nur eingeschränkt existiere. Drei Wahlen in den vergangenen 20 Jahren wurden sogar vom Höchsten Gericht Ägyptens für nicht-verfassungsmäßig erklärt. Oppositionsparteien erkennen an, daß sie nahezu unbedeutend sind - bei einer 96prozentigen Mehrheit für Mubaraks Nationaldemokratische Partei.

In der ägyptischen Verfassung ist vorgesehen, daß ein Präsident nur zwei Amtszeiten durchlaufen darf; aber mit drei beendeten Amtszeiten und einer vierten bevorstehenden kann man davon ausgehen, daß sich in Ägypten diesen vollendeten Tatsachen kaum jemand entgegenstellen wird.

Das Referendum zur Bestätigung Mubaraks wird aller Voraussicht nach mit einer überwältigenden Zustimmung enden. Es ist nicht wichtig, ob Mubarak seine vierte Amtszeit mit einer Zustimmung von 99,6 oder 99,7 Prozent beginnt: Es besteht Wahlpflicht, und die einzige zur Wahl stehende Möglichkeit ist, "Ja" zu Mubarak zu sagen. Max Rodenbeck brachte es in der zweiwöchentlich erscheinenden Cairo Times auf den Punkt: "In Ägypten werden Wahlen zumeist abgehalten, damit man sagen kann, man hält sie ab."