Antifa heißt X-Faktor

Schill-Out

Strafmaß plus Schill-Faktor X: Mit seinen extremen Urteilen hat sich Ronald Schill einen Namen als "Richter Gnadenlos" gemacht. Vor zwei Jahren trat der Hamburger Amtsrichter häufig als Gast in Talkshows auf. Dort wetterte er gegen Richter, die ein "Herz für Verbrecher" hätten, und setzte sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein.

Heute möchte Schill lieber vor einem Publikum sprechen, das weiß, was Recht und Ordnung ist. Am

1. Dezember soll der Amtsrichter als Gastredner bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) auftreten. Im Kirchhofsaal will er über "Die Qualität und die Probleme unseres Rechtsstaates" seine "persönliche Bewertung aus richterlicher Praxis" abgeben.

Die SWG hat sich seit 35 Jahren der "konservativen Bildungsarbeit" verschrieben. Zusammen mit dem damaligen CDU-Abgeordneten Arthur Mißbach gründete 1962 Hugo Wellems, seinerzeit Chefredakteur des Deutschen Wortes, die Gesellschaft, die bis heute als gemeinnütziger Verein in Hamburg eingetragen ist. Beide SWG-Gründer hatten politische Erfahrung: Mißbach erwarb als NSDAP-Mitglied das Goldene Parteiabzeichen, Wellems diente Joseph Goebbels als Referent im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda.

Als Wellems 1995 starb, übernahm Reinhard Uhle-Wettler den Vorsitz der bundesweit agierenden SWG. Uhle-Wettler, der regelmäßig das "US-Umerziehungsprogramm für die besiegten Deutschen" geißelt, unterhält Beziehungen zur Gesellschaft für Freie Publizistik, der mitgliederstärksten rechtsextremen Kulturvereinigung Deutschlands.

Selbst der stellvertretende Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck, räumt zur SWG mittlerweile ein: "Uns sind personelle Überschneidungen zu rechtsextremistischen Organisationen bekannt." Für den ehemaligen Kommandeur des deutschen Kfor-Kontingents im Kosovo, Helmut Harff, kein Grund zur Absage: Er referierte auf Einladung der SWG am 20. September über "Militärische Friedenssicherung". "Wenn der dort spricht, ist das für mich unbedenklich", erklärt nun Schill und läßt offen, ob er am 1. Dezember seinen Vortrag hält.

Gegen den Amtsrichter, der nach eigenen Aussagen gerne "Verbrechern und Chaoten einen Denkzettel" verpaßt, wurden unlängst Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung gestellt. In einem Fall geht es um die Inhaftierung zweier Männer, bei der er die Überprüfung der Rechtmäßigkeit unnötig lang verzögert habe. Im zweiten Fall wurde von ihm ein Mann ohne Rechtsbeistand zu 28 Monaten Haft verurteilt. Dabei habe Schill gegen die Rechtsprechung verstoßen: Bei der Verurteilung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und mehr ist eine Pflichtverteidigung vorgeschrieben.