Wer zahlt, schafft an

Auf die Deutschmark fürs Kosovo soll die Montenegrin-Marka folgen

Die Zerlegung Jugoslawiens mag militärisch zunächst einmal vorbei sein - politisch jedenfalls ist nach der Kapitulation des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic noch viel zur dauerhaften Demontage der jugoslawischen Staatsmacht zu leisten. Über die im Kosovo eingesetzte UN-Verwaltung (Unmik) rücken auf Basis der geklärten Gewaltverhältnisse vor Ort nun die polit-ökonomischen Hebel zur Auflösung des Bundesstaats ins Zentrum westlicher Politik.

Im Kosovo hat die Unmik Anfang September die Deutsche Mark (DM) zur neuen Hauptwährung erhoben und damit die ausschließliche Geltung des jugoslawischen Dinar ebenso kassiert wie sämtliche bis dahin geltenden Rechtsgrundlagen der Devisenbewirtschaftung, des Finanz- und Kreditüberbaus Belgrader Provenienz. Außer in DM können bei freiem Devisenverkehr in sämtlichen internationalen Währungen Transaktionen abgewickelt werden, die aber ebenso wie der Dinar im offiziellen Zahlungsverkehr der Unmik mit einer Sondergebühr belegt werden.

Mit dem von Finanzminister Borislaw Milacic Anfang September geäußerten Protest, damit werde die Souveränität Jugoslawiens verletzt und ein "steinzeitlich anmutender Parallelstaat" etabliert, versucht die jugoslawische Regierung keineswegs einen Landstrich zu retten, der für sie einen relevanten ökonomischen Nutzen hätte. Schon vor dem Krieg war das Kosovo wirtschaftlich eine Wüstenei - daran hat weder der Feldzug der serbischen Armee und Miliz noch der Luftkrieg der Nato irgend etwas geändert.

Die noch erbärmlicheren Hinterlassenschaften des Krieges verwandelt daher auch kein anerkanntes Weltgeld in eine prosperierende Sphäre kapitalistischer Ausbeutung, Akkumulation und Zirkulation - weder als "verlängerte Werkbank" europäischer oder US-amerikanischer "global players", noch als lohnendes Anlage- oder Spekulationsobjekt. Die endgültig ruinierte Ökonomie des Kosovo taugt nicht einmal zum Absatzmarkt - welche Zahlungsfähigkeit sollte auch in Zeltlagern und Ruinen auszunutzen sein?

Der imperialistische Ertrag der Einführung einer neuen Haupt- samt diverser Nebenwährungen ist ein politischer: Er liegt in der Auflösung der zivilen Restposten jugoslawischer Souveränität über das Kosovo und die Überführung der politischen Hoheit in die Gewalt der Nato-Besatzungsmächte qua eingesetzter UN-Verwaltung. Das rein negative Moment, daß die jugoslawische Staatsgewalt über diesen Teil ihres ehemaligen Territoriums nicht mehr gebietet, ist der aktuelle Gewinn dieser Aktion.

Einen solchen Beitrag zur Entmachtung Jugoslawiens würde auch das sezessionsfreudige montenegrinische Establishment gerne leisten. Die Regierung um Präsident Milo Djukanovic bereitet sich nach Angaben der NZZ mindestens seit Anfang August ebenfalls darauf vor, eine eigene Währung anstelle des Dinar zu plazieren. Zu diesem Zweck hat sie den US-Wirtschaftsexperten Steve Hanke in ihren Beraterstab berufen, der sich u.a. in Bulgarien und Argentinien als Kreditsanierer einen Namen gemacht hat. Sein Projekt ist die Schaffung der "Montenegrin-Marka", die unter Aufsicht eines internationalen Rates in einem fixen Kursverhältnis von 1:1 an die DM gebunden werden soll.

Auch hier steht zunächst der politische Zweck im Zentrum des Interesses. Die Führung Montenegros bezieht die anvisierte Währungsreform ausdrücklich auf ihre Forderung nach der Reform des jugoslawischen Staatswesens, die in naher Zukunft zwischen der serbischen und der montenegrinischen Seite verhandelt werden soll. Für Djukanovic wäre das einzig akzeptable Resultat der deutliche Machtzuwachs der Teilrepublik auf Kosten der Belgrader Zentrale. Bei einem Scheitern der Verhandlungen droht Montenegro nach Angaben der NZZ mit der sofortigen Einführung des neuen Zahlungsmittels.

Der Stand der Vorbereitungen der Währungsumstellung als auch die ostentative Behandlung der "Reformvorhaben" als Totgeburt lassen allerdings vermuten, daß die "Gespräche" über die staatliche Neuregelung von seiten Djukanovics auf ihre Pleite berechnet sind. Die Führung Montenegros will vermutlich die Sezession und kalkuliert mit einer harten Linie Belgrads. So konstruiert sie die Trennung vom Zentralstaat geradezu als Sachzwang, als unausweichliche Reaktion auf die isolationistische Politik Milosevics.

Bei aller Vehemenz der Drohgebärden werden die Pläne Montenegros das Moment der Abhängigkeit von äußeren Interessenten an keiner Stelle los. Während die Nato-Staaten im Kosovo ihre Machtvollkommenheit mit der Etablierung eines anerkannten Weltgeldes als Zirkulationsmittel demonstrieren und sie diese gar nicht erst irgendwelchen ortsansässigen Figuren überlassen, sind die beabsichtigten monetären Reformen Montenegros - und damit der Weg zur Unabhängigkeit - vor allem auf das Placet des Westens angewiesen.

EU-Balkankoordinator Bodo Hombach etwa mochte Mitte September in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau auf die Frage nach seiner Haltung zur möglichen Sezession Montenegros keinerlei Auskunft geben. Immerhin steht für den Westen immer noch die Option im Raum, Montenegro nach einer Änderung der Staatsverfassung innerhalb Jugoslawiens zur Destabilisierung des Milosevic-Regimes zu nutzen.

Entsprechend sieht das Vorhaben Hankes zur monetären Abkopplung der Teilrepublik dann auch aus. Zentrales Element ist die Einrichtung eines internationalen Aufsichtsrates über das neue Geld - das sogenannte Currency board. Als grundsätzliche Bedingung des künftigen Nationalkredits hat die montenegrinische Zentralbank die Geldhoheit an dieses Gremium abzutreten. Ihr werden alle Rechte finanzieller Garantieleistungen für die heimische Ökonomie ebenso entzogen wie sämtliche Kompetenzen, nach eigenen Maßgaben "Standortbetreuung" durch Wirtschaftsförderung zu betreiben. Sie wird so als lender of the last ressort aus dem Verkehr gezogen, als letzte zahlungsfähige Instanz in der Gesellschaft und damit als Instrument einer autarken montenegrinischen Wirtschaftspolitik.

Diese Sorte Hoheitsverlust im Verein mit der Alternativlosigkeit, die dieses System, einmal etabliert, mit sich bringt, sind für den "Währungsexperten" Hanke der schlagende Beweis, daß die montenegrinische Mark das Vertrauen "der Märkte" verdient. Bevor Montenegro also überhaupt die Welt der Finanz- und Devisenmärkte betritt, muß es als Bedingung dafür sämtliche nationalen Ambitionen hinsichtlich der Verwendung seines Kredits aufgeben.

Die projektierte Herstellung einer eigenen antiserbischen Souveränität hat also den grundsätzlichen Verzicht auf das politische Kommando über die Quelle wirtschaftlicher Macht zur Voraussetzung. Das zeigt, daß Montenegros Status quo in der Konkurrenz der - existenten wie künftigen - Nationen nicht aus dem Zugriff auf eine autarke, schlagkräftige politökonomische Basis resultiert.

Daran wird auch die Förderung des Tourismus nichts ändern, mit der Montenegro, wie die NZZ Anfang September schrieb, diesen Sommer einen "Aufschwung" hinlegen wollte, wenn bloß der Krieg nicht dazwischen gekommen wäre: "Die Ferienprospekte für diesen Sommer waren schon gedruckt." Zumindest könnte damit noch eine schmale Basis für künftige Boomphasen vorhanden sein.

Ihren Ausgangs- wie Endpunkt hat die montenegrinische Staatsräson somit in der Rolle, die sie bei der Destabilisierung Jugoslawiens und der Neuordnung des Balkans von westlicher Seite zugewiesen bekommt. Die sieht für die Staaten des Balkan ohnehin keine Entwicklungsperspektiven, keine noch so erbärmlichen nationalen Ambitionen vor.

Als Vasallen westlicher Ordnungspolitik sind sie in diese als "strategisches Vorfeld" der Nato, als "Gegenküste" oder "Transitländer" einsortiert. Als ökonomische Abbruchunternehmen im europäischen Hinterhof ist das Interesse des Westens an ihnen nurmehr ein negatives, und die Kosten, die für sie aufgebracht werden müssen, sind faux frais - tote, aber notwendige Kosten.

Vor diesem Hintergrund steht der Wille Deutschlands, an der Spitze Europas den "Wiederaufbau" der Region in Regie zu nehmen. Die DM, ohnehin inoffizielle Leitwährung auf dem Balkan, stellt wegen des ökonomischen wie politischen Gewichts der Euro-Vormacht für sich schon unmittelbar eine imperialistische Potenz dar.

Und gerade weil es nicht um die Ausnutzung prosperierender kapitalistischer Ökonomien geht, sondern um die Alimentierung quasi-souveräner Statthalter des Westens, gilt das Prinzip: "Wer zahlt, schafft an". Den Widerspruch, daß das die DM respektive den Euro als Weltwährung ökonomisch strapaziert, werden die Deutschen dabei nicht los.