Keine Kolumne II

Kein Glück im Osten

Die Ostdeutschen, die Vereinigung - es gibt Dinge, die mich mehr interessieren. Aber vor gar nicht langer Zeit fuhren wir wieder in den Osten. Zu einem Fußballturnier über zwei Tage. Wir hatten uns viel vorgenommen, wollten die Schmach des letzten Jahres wieder gutmachen, und für mich war der Ausflug eine gute Gelegenheit, mal zu gucken, was sich in Ostdeutschland so getan hat.

Am Samstagabend, wir hatten die Vorrunde bestens überstanden, ging uns der Tabak aus. Auf dem Festgelände fragte ich ungefähr jeden, wo man denn jetzt entweder Zigaretten oder besser Tabak bekomme. Alle sagten: »An der Tanke, die ist aber 15 Minuten weg.« Also machte ich mich auf den Weg, dachte: »Man darf nicht immer alles erwarten, gehste eben mal ein bisschen durchs Dorf und verstehst dabei gleichzeitig mehr vom Osten.« Zum Glück kamen am Eingang des Sportplatzes drei oder vier, so genau weiß ich das nicht mehr, Jugendliche auf mich zu. Die hatten sich viel Zeit gelassen, um genau zum coolsten Zeitpunkt auf dem Event des Jahres zu erscheinen, also etwa um 21.30 Uhr. Ich sagte zu einem: »Hallo, sag mal, leihst du mir dein Rad, ich gebe dir meinen Perso als Pfand?« »Ja, klar«, meinte der Junge. »Oh, ich merke gerade, ich habe meinen Ausweis gar nicht dabei. Pass auf, hier hast du einen Zwanni, wir treffen uns beim Bierstand, wenn ich von der Tanke zurück bin. Du bekommst dein Fahrrad, ich mein Pfund.« »Kein Problem«, sagte er und lächelte. Ich war dankbar, fast gerührt, ich vertraute ihnen.

Die Jungs hatten mir zwar mit allen Armen, die sie hatten, den Weg und überhaupt das ganze Areal beschrieben, allein, nach einer Minute hatte ich das meiste vergessen. Das machte aber nichts, an jeder Ecke schickte man mich aus Autos oder Fenstern zurufend direkt zur Tanke.

Zurück, übergab ich in jedem der Mannschaft die bestellte Ware, man solle mich mit einem Bier statt Barem bezahlen, ich war so gut wie Spieler des Jahres und brauchte jetzt nur noch meinen Fahrradausleiher. Aber er schien verschwunden, am Bierstand war jedenfalls niemand in seiner Größe zu sehen. Ich wurde skeptisch: »20 Mark? Was ist das überhaupt für ein Fahrrad? Sieht aus wie das von seiner Schwester, 26er, Diamant, mintgrünmetallic, Licht geht, keine Schaltung, 20 Mark ist es schon wert, aber ich brauche kein Rad. Wie kommt die Schwester jetzt zur Schule?« Nach der dritten Runde gab ich die Suche auf.

Am nächsten Tag verletzte ich mich und musste von draußen zusehen, wie wir schon wieder ausschieden. Das Fahrrad hatte ich in der Nacht einfach irgendwo angelehnt, »zum Mitnehmen«, dachte ich, »wenn ich schon übers Ohr gehauen werde, vielleicht freut sich jemand«. Als wir abreisten, stand es immer noch da. Mit dem Spieler des Jahres ist es auch nichts geworden.