Neonazis in Brandenburg

Braune Sympathieträger

Mit antisemitischen und rassistischen Anschlägen punktet die Nationale Bewegung in der Neonazi-Szene. Von Terror keine Spur, meint das brandenburgische Innenministerium.

Wenn in Brandenburg politische Kriminalität anzuklagen ist, so kommt sie immer von Links. Erst kürzlich spekulierte Innenminister Jörg Schönbohm öffentlich über eine zwei- bis dreiköpfige Gruppe, die den »Antiimperialistischen Zellen« ähneln und anscheinend in Brandenburg ihr Unwesen treiben soll.

Nazi-Terror hingegen wurde bisher nicht bemerkt, glaubt man den Aussagen der zuständigen Innenbehörde. Keinesfalls, so heißt es aus Potsdam, gäbe es derartige Ansätze in Brandenburg. Das Landeskriminalamt registrierte zwar bis Ende November letzten Jahres insgesamt 324 rechtsextreme Straftaten - 48 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres - doch Schönbohms Innenministerium wiegelt ab.

Auch nach dem Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in der brandenburgischen Landeshauptstadt in der Nacht zum 8. Januar, zu dem sich eine so genannte Nationale Bewegung bekannt hatte, will man »die Szene« noch immer gut im Griff haben. Sogar die Bundesanwaltschaft, die gegen die Nationale Bewegung ermittelt, spricht von »terroristischen Strukturen«. In den letzten zwölf Monaten soll die Nazi-Gruppe rund 15 Propagandaaktionen und Anschläge in Potsdam und Umgebung verübt haben.

Die ideologische Ausrichtung der Nationalen Bewegung deckt sich mit der des Neonazi-Mainstreams in Deutschland: extremer Antisemitismus, Rassismus und die verstärkte Bezugnahme auf das NS-Regime. Dies spiegelt sich auch in den Anschlägen und Aktionen, die der Organisation zugerechnet werden. Am 30. Januar letzten Jahres, dem Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme, wurde eine Hakenkreuztafel, die Horst Wessel gewidmet war, an der Autobahn 115 befestigt. Am 23. Februar, dem 70. Todestag des SA-Mannes Wessel, schändete die Nationale Bewegung den jüdischen Friedhof in Potsdam. Die Täter stellten dort ein Holzkreuz auf, das mit einem Hakenkreuz versehen war. Knapp einen Monat später, am 22. März, befestigten die Kameraden an einer Havelbrücke eine Hakenkreuzfahne, um an den 67. Jahrestag der Eröffnung des Reichstages durch Adolf Hitler zu erinnern.

Die nächste Aktion der Nationalen Bewegung folgte am 21. April: »Zum Geburtstag wünschen wir, die Patrioten, Dir, lieber Adolf, alles Gute«, hieß es in dem Bekennerschreiben, das neben einem Hakenkreuzbanner an einem Baugerüst in Potsdam gefunden wurde. In der gleichen Nacht brachten die Nazi-Aktivisten ein Transparent mit der Aufschrift »Sieg Heil mein Führer« an einer Bundesstraße an. Am 5. Mai traf es dann das Mahnmal für ermordete sowjetische Zwangsarbeiter auf dem Waldfriedhof Güterfelde bei Potsdam. Unbekannte errichteten ein Hakenkreuz aus Sperrholz und erklärten: »Zur Erinnerung an unsere gefallenen deutschen Kameraden im 2. Befreiungskrieg (...) wollen wir, die nationale Bewegung, ein Zeichen setzen« und an »die tapferen Soldaten des Reiches erinnern«. Am Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, dem 1. September, wurde das sowjetische Ehrenmal in Mahlow geschändet.

Zum 50. Jahrestag der Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland am 21. September präsentierte sich die Nationale Bewegung mit einem antisemitischen Transparent »Potsdam ohne Juden« sowie mit SS-Runen an der »Villa Grenzenlos« in der Potsdamer Innenstadt, in der alternative Projekte und die Jüdische Volkshochschule Veranstaltungen organisieren. In derselben Nacht brannte im nahe gelegenen Stahnsdorf ein türkischer Imbisswagen vollständig aus. Am Tatort fand die Polizei ein teilweise verkohltes Bekennerschreiben der Nationalen Bewegung. Auch der vorletzte Anschlag am 28. Dezember richtete sich gegen einen türkischen Imbisswagen, diesmal in Trebbin südlich von Potsdam.

Zum Exportschlager der neonazistischen Szene Potsdams hat sich in den letzten Jahren die Naziskinband Proissenheads entwickelt. Die Band hatte bis Anfang 1998 in dem städtisch geförderten Club 18 ihre Proberäume. Versuche antifaschistischer Gruppen, den Clubleiter und die Stadt zum Rausschmiss der Proissenheads zu bewegen, scheiterten zunächst an den Interventionen zweier Beamter des Potsdamer Staatsschutzkommissariats K 4. Die beiden waren offensichtlich der Meinung, dort habe man die Band besser unter Kontrolle.

Die Markenzeichen der Proissenheads sind extremer Antisemitismus, NS-Verherrlichung und Aufrufe zur Gewalt gegen politische Gegner. So heißt es beispielsweise auf ihrer CD »Jung und Stolz«: »In Deiner Hand der Bäsi, die Stiefel wie geleckt, den Schädel kahlgeschoren, Du wartest auf den Dreck (...) Du stehst zu jedem Hieb, Ihr tanzt auf den Straßen den Dr. Martens Beat.« In einem Interview in dem Blood & Honour nahen Skinzine White Supremacy Ende 1998 meinte Uwe Menzel, der Sänger der Band, Gaskammern seien die nützlichste Erfindung der Menscheit.

Einzelne Bandmitglieder haben sich in der Vergangenheit auch mit Drohungen gegen politische Gegner hervorgetan. So soll Bassist Ilja Schartow für telefonische Morddrohungen gegen ein Mitglied der Kampagne gegen Wehrpflicht verantwortlich sein. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei Kopiervorlagen eines Anti-Antifa-Drohbriefs.

Potsdamer Neonazis, die sich auf eine wachsende rechtsextreme Skinheadszene stützen können und Kontakte zu Gleichgesinnten im ganzen Land pflegen, scheinen sich aber auch längst für militante Angriffe gerüstet zu haben. Im Juli letzten Jahres brachten Hausdurchsuchungen bei Neonazis in der Region Schlagwerkzeuge, ein Kleinkalibergewehr, eine Pistole und rund 100 Schuss Munition zu Tage.