Guben will antirassistisches Mahnmal entsorgen

Stein des Anstoßes

Die Stadt Guben will ein antirassistisches Mahnmal entsorgen - pünktlich zum zweiten Todestag von Farid Gouendoul.

Guben diskutiert. Nicht etwa über Strategien gegen Neonazis, die in der brandenburgischen Kleinstadt ihr Unwesen treiben. Nein, in Guben hat man andere Probleme. Etwa die Gedenktafel in dem Gubener Neubauviertel Obersprucke, die an den Tod von Farid Gouendoul erinnert. Vor zwei Jahren ist der algerische Flüchtling von Neonazis zu Tode gehetzt worden.

»Farid Gouendoul, 28 Jahre, verblutet am 13. Februar 1999. Mahnmal gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Gewalt. Die Würde des Menschen ist unantastbar«, ist die Inschrift des Gedenksteins, den die Antifa Guben im Juli 1999 in der Nähe des Tatorts errichtet hatte. Seither wurde der Stein mit tatkräftiger Unterstützung von Angeklagten aus dem Hetzjagd-Prozess sieben Mal geschändet, einmal sogar vor den Augen der Polizei. Die Beamten zogen es damals vor, »aus taktischen Gründen« nicht einzugreifen.

Die Schändungen müssen nun als Grund herhalten, den Stein aus Obersprucke zu entfernen. Dafür hatte sich im Januar die Mehrheit im Hauptausschuss des Stadtparlaments ausgesprochen. Ende Februar will das Gubener Stadtparlament entscheiden, wo Farid Gouendouls künftig gedacht werden soll.

Unterstützung erhielten die Stadtparlamentarier vom brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm und vom Vorsitzenden des Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Rolf Wischnath. Anfang Januar sagte Schönbohm in einem Interview mit dem Tagesspiegel, das Innenministerium habe der Stadtverwaltung früher schon empfohlen, den Gedenkstein nicht in der Nähe des Tatortes aufzustellen: »Ohne diesen Standort hätte eine kleine Gruppe von Randalierern niemals Guben so stark in die Schlagzeilen bringen können.« Auch Wischnath, der in der Vergangenheit zwar häufig mit Schönbohm aneinandergeraten war, vor allem wegen dessen rigider Haltung zu Kirchenasyl oder Abschiebungen, demonstrierte Linientreue.

Es könne »nicht sein, dass der Stein für jeden Neonazi Gelegenheit gibt, sich und Guben in die Schlagzeilen zu bringen«, sagte Wischnath in einem ORB-Interview und plädierte dafür, den Stein ins Gubener Rathaus zu versetzen, neben eine Gedenktafel zur Erinnerung an die NS-Zwangsarbeiter. So könne man ein menschenwürdiges Gedenken wahren und dafür sorgen, dass der Stein »nicht länger von Rechten und Linken« funktionalisiert werde. Die Neonazis wollten die Menschenwürde zerstören, indem sie den Stein schändeten, und die Antifa, »indem sie den Stein anstelle eines Menschen stellen«.

Die wenigen Kritiker dieser Linie haben inzwischen einen schweren Stand in der Stadt. Wischnaths Polemik stärke diejenigen, »die den Stein schon von Anfang an als Provokation empfanden und setzt diejenigen, die in der Stadt wirklich etwas verändern wollen, unter Druck«, kommentierte die Cottbusser Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt. Außer der Gubener Antifa hat sich immerhin auch Bürgermeister Gottfried Hain (SPD), sehr zum Unwillen seiner Parteifreunde im Stadtparlament, gegen die Entfernung des Gedenksteins ausgesprochen: »Oft wird der Stein als Problem angesehen und nicht das Problem der rechtsextremen Schandtaten.«

Tatsächlich sind Angriffe von Rechtsextremen in Guben nach wie vor keine Seltenheit. So attackierten am zweiten Weihnachtsfeiertag vier Rechtsextremisten einen 20jährigen Studenten »wegen seines asiatischen Aussehens« und verletzten ihn mit einem Messerstich in den Rücken. Einer der Täter, der 19jährige David Barm, war nur wenige Wochen zuvor für seine Beteiligung an der Hetzjagd auf Gouendoul gerichtlich verwarnt worden. Nach dem Angriff auf den Studenten kam Barm erneut glimpflich davon; er wurde nach kurzer Untersuchungshaft wieder entlassen.

Barms Anwältin Patricia Hahl ist inzwischen in die Offensive gegangen. Mitte Januar hat die Juristin eine Klage gegen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse beim Cottbuser Landgericht eingereicht. In einem Radio-Interview hatte Thierse Kritik an dem Hetzjagd-Prozess geäußert: Die Anwälte, die »wohl zugleich Gesinnungsgenossen« der Angeklagten seien, hätten mit allen Tricks versucht, den Prozess zu verschleppen. Rechtsanwältin Hahl fühlte sich in ihrer Ehre »zutiefst verletzt« und forderte eine »Unterlassungserklärung« von Thierse. »Für den Fall der Zuwiderhandlung« soll der Bundestagspräsident 15 000 Mark zahlen. Die gleiche Summe forderte die Anwältin auch als Schmerzensgeld. Thierse wies die Vorwürfe zurück.

Auch drei Kameraden Barms, die wegen der Hetzjagd zu Haftstrafen verurteilt wurden, können sich auf ihre Rechtsvertreter verlassen. Die Anwälte der Neonazis haben Revision gegen das Urteil eingelegt, bis auf weiteres sind die Täter auf freiem Fuß. Der 21jährige Alexander Bode beispielsweise, der als »entscheidende Figur« unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung zu zwei Jahren Jugendhaft verurteilt wurde, war dabei, als einer seiner Mitangeklagten im Februar vergangenen Jahres die Blumen am Gedenkstein zertrampelte. Bode gilt als Zögling des Berliner NPD-Bundesvorstandsmitglieds Frank Schwerdt, saß längere Zeit für das Junge Nationale Spektrum am städtischen Runden Tisch gegen Gewalt und rekrutiert in den Gubener Jugendclubs den rechten Nachwuchs.

Die Aktivitäten der Jungnazis haben sich zwar nach Ansicht von Gerd Wermerskirch vom Mobilen Beratungsteam inzwischen mehr in den ländlichen Bereich um Guben verlagert. »Damit entzieht sich vieles der medialen Aufmerksamkeit«, so Wermerskirch, der auf »mehr zivilgesellschaftliches Engagement« zum Schutz des Gedenksteins hofft und die rechte Szene in der Stadt »momentan in der Defensive« sieht.

Farid Gouendouls ehemalige Mitbewohner im Flüchtlingsheim der Stadt wollen sich darauf aber nicht verlassen. Die Flüchtlinge möchten den Gedenkstein am liebsten auf dem Gelände des Heims unterbringen.