Syriens Staatschef Assad in Paris

Antisemit im Hinterhof

So hatte Syriens Staatspräsident Bashar al-Assad sich seinen dreitägigen Staatsbesuch in Paris nicht vorgestellt. Von Protesten begleitet, von einigen französischen Medien scharf kritisiert und durch die Distanzierung von Teilen der politischen Klasse abgewertet. Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë begrüßte Assad von einer Treppe herab; er weigerte sich, hinunterzusteigen und ihm die Hand zu geben.

Frankreich war bis 1946 militärisch in Syrien präsent. Ein Teil der Verwaltungsstrukturen des Landes, beispielsweise im Banken- und Finanzsektor, geht auf die französische Administration zurück. In Paris fühlt man sich daher bis heute zu einer wichtigen politischen Rolle in dieser Region berufen, und derzeit rechnet sich Frankreich wieder gute Chancen aus, eine solche Rolle zu spielen. Mit dem Zerfall der UdSSR verlor Syrien seinen wichtigsten Bündnispartner, und trotz einer darauf folgenden Annäherung an den Westen und der Unterstützung des Krieges gegen den Irak im Jahr 1991 sind die Beziehungen zu den USA weiterhin gespannt.

Vom Montag bis zum Mittwoch voriger Woche nun weilte Bashar al-Assad in Paris. Er nahm am 17. Juni 2000 den Platz seines verstorbenen Vaters Hafiz al-Assad ein, der als unumschränkter Herrscher an der Spitze der Einheitspartei Bath seit 1970 das Land regiert hatte. Das Hauptthema der Gespräche, unter anderem mit seinem Amtskollegen Jacques Chirac und einer Unternehmerdelegation unter Leitung des »Bosses der Bosse«, Ernest-Antoine Seillière, waren ökonomische Fragen. Zwei wirtschaftliche Kooperationsabkommen wurden unterzeichnet, im Hintergrund stehen Pläne für ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Syrien. Solche Abkommen wurden mit Marokko und Tunesien bereits abgeschlossen, ein Vertrag mit Algerien soll bald unterzeichnet werden. Die EU strebt eine Freihandelszone als ökonomischen Hinterhof an, und Paris sieht sich in besonderer Weise berufen, dieses Anliegen zu fördern.

In politischer Hinsicht gibt man vor, die Demokratisierung in Syrien fördern und das Land als unentbehrlichen Partner in den Nahost-Friedensprozess einbeziehen zu wollen. Was die Demokratisierung betrifft, so hat es zwar seit dem Personenwechsel an der Staatsspitze einen gewissen Wandel gegeben, der aber nur die Öffnung der ehedem etatistisch-bürokratischen Ökonomie für westliche Investoren begleitet und nichts an der Allmacht der Bath-Partei geändert hat. Auch der Beitrag Syriens zum Frieden fällt dürftig aus. Das Regime braucht die Konfrontation mit Israel als Rechtfertigung für die Diktatur, und jeder Kompromiss der von der konfessionellen Minderheit der Alewiten getragenen Führung würde von der sunnitischen Opposition als Verrat gegeißelt. Nicht selten werden antisemitische Parolen benutzt, um die immense soziale Wut auf Israel abzuleiten.

Assad selbst tat sich während des Papstbesuchs am 5. Mai in Damaskus wie bei seiner vorangegangenen Visite in Madrid auch vor der internationalen Öffentlichkeit mit antisemitischen Äußerungen hervor. Israel, so erklärte er beispielsweise dem erstaunten Papst, wolle »alle Prinzipien der Religionen töten, so wie die Juden Jesus verraten und gefoltert und den Propheten Mohammed zu töten versucht haben«. Diese Hassparolen hatten auch zu heftigen Protesten in Paris geführt, die von grünen bis zu wirtschaftsliberalen Politikern unterstützt wurden, während die jüdischen Institutionen am Montag größere Demonstrationen in Paris und Marseille organisierten.

Andere Stimmen plädieren aus realpolitischen Gründen für größere Distanz. So vertrat der französische Experte für internationale Politik Frédéric Encel in der Tageszeitung Libération die Ansicht, dass Syrien im Grunde schwach sei, da es außer veralteten sowjetischen Panzern kaum über strategische Machtmittel verfüge. Daher sei es nicht nötig, ein solches Regime aufzuwerten.