Auslieferung von Milosevic

Das Ende Jugoslawiens

Die Auslieferung des jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic sei ein »großer Tag für das internationale Recht«, erklärte der deutsche Außenminister Joseph Fischer. Deutschland sei nun »nach besten Kräften bereit«, ergänzte Bundeskanzler Gerhard Schröder, den Wiederaufbau Jugoslawiens zu unterstützen. Vorausgesetzt, die Regierung in Belgrad verhalte sich weiterhin kooperativ. Die Auslieferung von Milosevic könne nur ein Anfang sein, weitere Kriegsverbrecher müssten folgen, tönte es aus Berlin.

Und auch die anderen Staaten der EU begrüßten einhellig die Entscheidung der serbischen Regierung, das jugoslawische Verfassungsgericht, das die Auslieferung verhindern wollte, einfach zu ignorieren. Das Vorgehen des Ministerpräsidenten Zoran Djindjic sei »weise und couragiert«, sagte Nato-Generalsekretär George Robertson. Der britische Premierminister Anthony Blair nannte die Auslieferung eine »durch und durch gute Sache«.

Bei so viel Freude stört es wenig, dass es den Staat, den Schröder und seine europäischen Kollegen jetzt unterstützen möchten, vermutlich bald gar nicht mehr geben wird. Wenn die gesamtjugoslawischen Institutionen inklusive des Präsidenten offensichtlich keine Macht mehr besitzen, ist ein Zerfall der Republik wohl kaum mehr zu verhindern. Ein Referendum soll bald über die Unabhängigkeit Montenegros entscheiden, einen Autonomiestatus für die Vojvodina, ein Gebiet mit einer ungarisch-sprachigen Minderheit, ist schon im Gespräch.

Vor allem aber werden sich die albanischsprachigen Separatisten in Montenegro und im Kosovo ermutigt fühlen. Im Nachbarstaat Mazedonien ist die UCK erfolgreich dabei, das Land in einen Bürgerkrieg zu führen, der mit der Auflösung des Staates enden könnte. Damit wird ein völkisches Großkosovo zu einer realistischen Option.

Die so genannte internationale Gemeinschaft hat hingegen mit der Überführung von Milosevic ihr Ziel erreicht. Die Anklage in Den Haag legitimiert nachträglich den Angriffskrieg gegen Jugoslawien und führt den Rest der Republik endgültig in die Arme der EU. Die gesamte Region ist damit eine neokoloniale Einflusssphäre der Union.

Dass der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica die Auslieferung Milosevics als »unnötig, gesetzwidrig, unbedacht und voreilig« kritisierte, stieß in Europa daher nur auf Unverständnis. Schließlich seien die Richter alle noch von Milosevic eingesetzt worden, der Verfassungsbruch sei daher legitim.

Noch vor einem halben Jahr aber sah die Welt ganz anders aus. Als im vergangenen Oktober das gleiche Gericht den Wahlsieg von Kostunica bestätigte, waren die europäischen Regierungen voll des Lobes. Das höchste Verfassungsorgan habe damit seine Unabhängigkeit von Milosevic bewiesen, hieß es anerkennend in Berlin und London. Der neue Präsident galt als Held des demokratischen Aufbruchs.

Die Hymnen auf Kostunica gehören der Vergangenheit an. Da er sich der Auslieferung Milosevics widersetzte und auf dem Urteil des Verfassungsgerichts bestand, gilt er nun als Störenfried, der sich »in seiner nationalromantischen Ecke verbunkert«, wie die FAZ kommentierte.

Als guter Freund des Westen hat sich hingegen Zoran Djindjic erwiesen. Für seinen Verfassungsbruch hat ihm die internationale Geberkonferenz am vergangenen Freitag in Brüssel etwa 3,5 Milliarden Mark zugesagt. Mit dem Geld kann sich das ökonomisch völlig ruinierte Jugoslawien vielleicht gerade noch über Wasser halten. Mehr aber auch nicht.

Dafür hat sich das Land endgültig zum Hinterhof der EU degradiert. Um auch weiterhin dringend benötigte Kredite zu erhalten, kann Djindjic nur wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen, die auch in Brüssel und Berlin ihren Segen finden. Doch diese Entschlüsse werden dann vermutlich schon nicht mehr Jugoslawien betreffen.