Denkmal zur Bücherverbrennung

Erinnerung im Parkhaus

Als der israelische Künstler Micha Ullman 1994 der Stadt sein Mahnmal vorstellte, das an die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 erinnert, waren offizielle Sprecher voll des Lobes. Auch jene, die die frühere Hauptstadt des Dritten Reiches nicht zum »Ort des Erinnerns« werden lassen wollten, zeigten sich von der Skulptur beeindruckt.

Wenn man den Bebelplatz, den historischen Ort der Verbrennung, betritt, sieht man das Denkmal zunächst nicht. Denn es geht in die Tiefe, nicht in die Höhe. Durch eine Glasplatte, die ins Pflaster eingelassen ist, schaut man in eine leere Bibliothek. Die leer bleiben wird, denn der Ort ist nicht zu betreten. Davor ist ein Satz von Heinrich Heine zu lesen: »Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.«

Damit soll Büchern nicht etwa ein Wert zugesprochen werden, der einem Menschenleben entspricht. Vielmehr redet Heine davon, wie schon eine Bücherverbrennung ankündigt, dass eine Gesellschaft in eine barbarische umgewandelt werden soll. Nicht zufällig wird das Trägermedium der Vernunft und der Aufklärung angegriffen: das Buch.

Berlin war anfangs stolz auf sein Denkmal zur Bücherverbrennung, doch seit einigen Monaten ist Schluss damit. Die Senatsbauverwaltung unter dem SPD-Vorsitzenden Peter Strieder gab die Erlaubnis, unter dem Bebelplatz eine Tiefgarage zu errichten. Auf den Vorwurf des Künstlers, dass man damit die Aura seines Werkes zerstöre, die sich nicht zuletzt aus der Stille und Weite bildet, antwortete die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Petra Reetz, lakonisch: »Leere und Ruhe - ich weiß auch nicht, ob man dem Thema damit gerecht wird. Autos gehören nun mal zum Leben dazu.« Und sie erinnerte an Bertolt Brecht, der schließlich ein Autonarr gewesen sei.

Doch trotz solcher dümmlichen Ironie halten die Proteste gegen die Tiefgarage an. Inzwischen treten Prominente wie Christa Wolf und Senta Berger, aber auch die Humboldt-Universität, Teile der Buchhändlervereinigung und die Akademie der Künste öffentlich für den Erhalt des Denkmals in seiner bisherigen Form ein.

Die Tiefgarage allerdings scheint unvermeidlich zu sein. Da der Senat bereits seine Zusage gegeben hat, muss auch die Bezirksverwaltung zustimmen. Andernfalls wären Regressforderungen in Millionenhöhe zu erwarten. Die grüne Bezirksstadträtin Dorothee Dubrau ruft daher zu Spenden für die Entschädigung des Tiefgaragenbauers auf, da der Bezirk die Regressforderungen keinesfalls erfüllen könne. Sollten die Spenden nicht reichen und sollte es doch zum Bau der Tiefgarage kommen, würde das gesammelte Geld für den Kauf von Büchern verwendet. Und zwar von Büchern derjenigen AutorInnen, deren Werke auf dem Bebelplatz von den Nazis verbrannt wurden. Die Bücher sollen dann öffentlichen Bibliotheken überlassen werden.

Als sei das nicht bereits beschämend genug, lässt Strieder verkünden, er habe sich mit Ullman auf den Bau der Tiefgarage verständigt. Der Künstler aber weiß nichts von einem Kompromiss. Mit diesem demonstrativen Schlendrian setzt die SPD unter Strieder jene Politik der Lässigkeit fort, die schon das Diepgensche Berlin geprägt hat. Erste unerkannte Fans verstanden die waltende Ignoranz bereits auf ihre Weise. Sie schändeten in der vergangenen Woche das Denkmal, indem sie nachts ein Buch darauf verbrannten.