Friedensverhandlungen auf den Philippinen

Tanz auf dem Vulkan

Die philippinische Regierung hat ein Abkommen mit der islamischen Guerillagruppe Milf unterzeichnet, aber die Verhandlungen mit der maoistischen NDF wurden unterbrochen.

Leicht hat es die neue philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo nicht. Ein Vulkanausbruch im südlichen Luzon hat Hunderttausende zur Flucht gezwungen, die muslimische Terroristengruppe Abu Sayyaf hat mit spektakulären Entführungen wieder auf sich aufmerksam gemacht, weiterhin droht ein Putschversuch der Anhänger des ehemaligen Präsidenten Joseph Estrada, und die Friedensverhandlungen mit der kommunistischen Guerilla wurden unterbrochen.

Arroyo steht unter großem Druck, außer dem Kampf gegen die Armut erwartet die Bevölkerung vor allem eine Lösung der Konflikte mit den Guerillagruppen in verschiedenen Landesteilen. Hier kann die Präsidentin einen ersten Erfolg verbuchen: Am 22. Juni unterzeichneten die philippinische Regierung und die Moro Islamic Liberation Front (Milf) in Libyen ein Friedensabkommen. Vermittelt wurde die Einigung von Saif Al-Islam Gaddafi, dem Sohn des Staatschefs und Vorsitzenden der Gaddafi International Foundation.

Bereits 1997 hatten beide Seiten ein Waffenstillstandsabkommen unterschrieben, das sie zur »allgemeinen Beendigung der Feindseligkeiten« verpflichtete. Die erste Runde formaler Friedensgespräche in Tripolis führte nun zu einer Vereinbarung über Sicherheitsaspekte und die Rückkehr der Flüchtlinge und Evakuierten. Sie sollen finanzielle und technische Hilfe sowie eine Entschädigung für ihr verlorenes Eigentum erhalten. Auch Entwicklungsprojekte für die betroffenen Gebiete sind vorgesehen.

Während der Regierungszeit des im Januar gestürzten Präsidenten Estrada (Jungle World, 6/01) musste fast eine Million Menschen vor dem Krieg gegen die Abu Sayyaf-Gruppe fliehen, andere wurden von der Regierung evakuiert. Wegen der schlechten Bedingungen in den Sammellagern starben nach Angaben des Philippine Department of Social Welfare mindestens 300 Menschen. Es wird geschätzt, dass mindestens 70 000 Evakuierte noch nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten.

Repräsentanten der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), der 56 Staaten angehören, sollen nun ein Beobachterteam entsenden, um die Einhaltung des Abkommens zu überwachen. Die Organisation hatte bereits bei früheren Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Moro National Liberation Front (MNLF) vermittelt, die 1976 zur Unterzeichnung eines ersten Vertrages und 1996 zum Abschluss des so genannten endgültigen Friedensabkommens führten. Die radikalere Milf, die für die Errichtung eines islamischen Staates in Mindanao kämpft, hatte sich 1976 von der MNLF abgespalten.

Dass es nun auch zu einer Verständigung mit der Milf kam, wird sowohl von der christlichen als auch von der muslimischen Bevölkerung begrüßt. Vor einer endgültigen Einigung müssen jedoch noch zahlreiche strittige Punkte wie der künftige politische Status Mindanaos, der zweitgrößten Insel der Philippinen, geklärt werden. Bereits am 24. März hatten die Regierung und die Milf in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur ein vorbereitendes Abkommen unterzeichnet, das für die kommenden Verhandlungen die Notwendigkeit anerkannte, die muslimische Bevölkerungsgruppe der Moro, die Bangsamoro, zu konsultieren.

Diese Absichtserklärung wurde von den NGO begrüßt, die meisten von ihnen fordern aber, neben den Konfliktparteien auch andere Gruppen der Gesellschaft einzubeziehen. Zu den zentralen Ursachen des Konflikts gehört der Streit um Landrechte. Diverse multinationale Konzerne interessieren sich für Mindanao, gegenwärtig aber wird der Zugang noch von der Milf blockiert. Und auch die indigenen Communities der Lumads, die weder christlich noch muslimisch sind, erheben Ansprüche. Dieser komplexe Streitgegenstand soll in der nächsten Phase der Gespräche verhandelt werden.

Zugleich setzt die Gruppe Abu Sayyaf, eine extremistische Abspaltung der Milf, ihren Kampf fort. Im Dschungel der südphilippinischen Insel Basilan hat das Militär einen weiteren enthaupteten Körper gefunden, das achte Opfer einer Geiselnahme der Abu Sayyaf. Hier setzt Arroyo auf eine militärische Lösung: »Kein Waffenstillstand. Keine Unterbrechung der militärischen Operationen.«

Einige Christen reorganisieren zudem Gruppen von Vigilanten, weil sie die Regierung für unfähig halten, die terroristische Gruppe zu zerschlagen. Die Vigilanten wurden zuerst Mitte der achtziger Jahre vom Militär als antikommunistische Miliz aufgebaut. Ihre Mitglieder waren wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen und der Ermordung angeblicher Unterstützer der Kommunisten berüchtigt. NGO fürchten nun, dass neue Aktivitäten der Vigilanten wieder zu Morden und zu einer Verschärfung der christlich-muslimischen Spannungen führen könnten.

Auch der Konflikt mit der kommunistischen Guerilla ist noch ungelöst. Arroyo erklärte eine »unbegrenzte Pause« in den Friedensgesprächen mit der National Democratic Front (NDF), nachdem deren bewaffneter Arm, die New People's Army (NPA), den Provinzpolitiker Rodolfo Aguinaldo getötet hatte, einen ehemaligen General der 1986 gestürzten Marcos-Diktatur, der wegen der Folterung von politischen Gefangenen berüchtigt war. Die NPA führt nun wieder verstärkt Aktionen in den Städten durch. Sie gibt an, dass sie sich in den letzten beiden Jahren um 20 Prozent verstärkt hat, das Militär schätzt die Zahl ihrer Kämpfer auf 13 000.

Das Attentat könnte die bislang guten Beziehungen der neuen Regierung zur NDF beenden. Deren legaler Flügel Bayan Muna, die stärkste Partei der radikalen Linken, hatte Arroyo im Kampf gegen Estrada unterstützt. Das Attentat, das trotz der Verbrechen Aguinaldos auch von NGO und sozialen Bewegungen kritisiert wurde, hat jedoch die Vertrauensbasis zerstört.

Die Unterstützung der Linken hatte Arroyo geholfen, der Destabilisierungskampagne der Estrada-Loyalisten entgegenzutreten. Die Bedrohung von dieser Seite scheint geringer geworden zu sein. Estrada hat nur noch wenige Helfer im Militärapparat, viele seiner zivilen Anhänger haben sich von ihm abgewandt (Jungle World, 20/01). Allerdings wird erwartet, dass es im Zusammenhang mit den Korruptions- und Meineidsverfahren gegen Estrada, die am 27. Juni begannen, noch einmal zu einem Putschversuch kommen könnte.