Aufstandsbekämpfung mit US-Unterstützung

Morden für und gegen Drogen

In Kolumbien folgt die von den USA unterstützte Bekämpfung von Aufständen Mustern, die aus Vietnam und Nicaragua bekannt sind.

Durch die Entführung von drei Deutschen im südwestlichen Department Cauca ist Kolumbien wieder einmal für wenige Tage ins Blickfeld des Medieninteresses gerückt. Während in deutschen Zeitungen vergleichsweise ausführlich über die »Suche von mehreren Tausend Indianern nach den verschleppten Deutschen« berichtetet wurde, suchte man Informationen über die Hintergründe des Konflikts jedoch vergeblich. Im besten Fall wurde noch erwähnt, dass die Farc-Guerilla mit der Entführung eine Einstellung der Herbizid-Einsätze gegen Koka-Pflanzungen erreichen will; im schlechteren wurde nur darauf verwiesen, dass die Rebellen - wie Gerhard Dilger in der Frankfurter Rundschau schrieb - »mit Entführungen ihre Kriegskasse auffüllten«.

Zwar ist die Aktion der Farc tatsächlich nicht besonders zielgerichtet: die europäischen Regierungen haben sich eindeutig gegen die von den USA geforderten Herbizid-Besprühungen ausgesprochen, und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit unterstützt Substitutionsprojekte ländlicher Indígena-Gemeinden, also der Opfer der Besprühungen. Doch abgesehen davon verweist die Entführung der drei Deutschen auf ein anderes, viel ernster zu nehmendes Problem. Mit dem Plan Colombia hat der Krieg in Kolumbien eine neue Stufe erreicht. Waren die Aktionen der Armee und ihrer paramilitärischen Unterstützungsverbände bisher vorrangig gegen die soziale Opposition und die vermeintliche Basis der Guerillagruppen gerichtet, kann man das neue Vorgehen des kolumbianischen Staates nur noch als offene Kriegserklärung an die eigene Bevölkerung bezeichnen.

Ein Jahr nach der Bewilligung von Polizei- und Militärhilfe in Höhe von einer Milliarde US-Dollar durch den US-Kongress werden immer unglaublichere Details des Plan Colombia bekannt. So weiß man inzwischen, dass die Autoren des vor allem in den USA verfassten Plans die Vertreibung von mehreren Hunderttausend Kleinbauern aus Südkolumbien ausdrücklich in Kauf genommen haben. Das kolumbianische Präsidentenamt spricht offiziell von 210 000 möglichen Vertriebenen allein im Department Putumayo, was die Clinton-Regierung im vergangenen Jahr dazu veranlasste, die Einrichtung UN-betreuter Flüchtlingsprojekte in Ecuador zu unterstützen. Nach inoffiziellen Angaben geht der Plan des weiteren von 7 000 Toten in Folge der Herbizid-Einsätze und verschärfter kriegerischer Auseinandersetzungen aus.

Augenzeugen aus den betroffenen südkolumbianischen Dörfern berichten, dass es in den letzten Wochen bereits zahlreiche Tote gegeben habe. Die Glifosat-Besprühungen hätten nicht nur Nutzpflanzungen zerstört und Hausvieh verenden lassen, sondern auch zu tödlichen Erkrankungen bei Kleinkindern geführt. Aus dem nordkolumbianischen Department Bolívar, das im Zusammenhang mit der von der ELN-Guerilla geforderten Nationalkonvention längst entmilitarisiert sein sollte, wird weiterhin gemeldet, dass die Herbizideinsätze auch in Tälern vorgenommen wurden, in denen überhaupt kein Koka angebaut wird. Offensichtlich wird mit den Besprühungen wie schon in den siebziger Jahren während des Vietnamkriegs auch das Ziel verfolgt, von der Guerilla kontrollierte Gebiete auszuhungern und schützenden Wald zu zerstören.

Der Einsatz chemischer Waffen ist dabei nicht das einzige Kriegsverbrechen, das sich die Verantwortlichen des »Plan Colombia« zuschulden kommen lassen. Noch unglaublicher muten die Informationen an, die nach und nach über die Verbindungen zwischen US-Behörden, kolumbianischer Armee und Paramilitärs ans Licht kommen. Bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte die spanischsprachige Ausgabe des Miami Herald, El Nuevo Herald, Meldungen, wonach die Agenten der Abteilung 43 der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA sowie der langjährige CIA-Informant Baruch Vega ein »Resozialisierungsprogramm« für kolumbianische Drogenhändler betreut hätten. Im Rahmen dieses Programms habe die DEA auch Kontakte zum Heroinhändler Hernando Gómez alias »Rasguño« unterhalten, der in Kolumbien als »militärischer Chef des Drogenhandels« und zentrale Figur im paramilitärischen Netzwerk gilt. Außerdem hätten DEA-Gesandte mit Nicolás Vergonzoli verhandelt, einem Vertrauten des Paramilitärkommandanten Carlos Castaño, um ein Treffen mit dem Paramilitärchef und einem Dutzend hochrangiger Drogenhändler in Panama zu arrangieren.

Castaño bestätigte damals einige der veröffentlichen Informationen und erklärte, er habe der US-Regierung die Unterwerfung der Drogenmafia in Aussicht gestellt, wenn den Paramilitärs im Gegenzug alternative Einkommensquellen im Anti-Guerilla-Kampf garantiert würden.

Doch schon damals kursierten Gerüchte, hinter den Gesprächen verstecke sich etwas anderes als Drogenbekämpfung: eine mindestens zehn Jahre alte Kooperation von US-Geheimdiensten, kolumbianischer Polizei, staatstragender Mafia und rechten Todesschwadronen. Um Pablo Escobar zu fassen und sein außer Kontrolle geratenes Kartell zu zerschlagen, hatten die ungleichen Partner unter dem Namen Los Pepes (Verfolgte von Pablo Escobar) miteinander kooperiert. Die Pepes-Kommandos, die mehr als 1 000 Morde an vermeintlichen Kollaborateuren des Medellín-Kartells verübten, seien - so der Nuevo Herald - bei der kolumbianischen Polizei-Sondereinheit Bloque de Búsqueda ein und aus gegangen und hätten über den DEA-Agenten Javier Peña, den heutigen Subdirektor des DEA-Büros in Bogotá, auch Verbindungen zu den US-Behörden unterhalten.

Aus Dankbarkeit für die Unterstützung im Kampf gegen Pablo Escobar habe Diego Murillo Bejarano alias Don Bernardo, einer der führenden Köpfe der Pepes-Todesschwadronen, 1994 als Belohnung für seine Arbeit ein Urlaubsvisum für die USA erhalten. Diese Kontakte besitzen für die aktuelle Auseinandersetzung einige Bedeutung. Der von den Castaño-Brüdern aufgebaute paramilitärische Dachverband AUC, der für den Großteil der Massaker in Kolumbien verantwortlich ist, entstand nach der Exekution Pablo Escobars 1993 auf der Grundlage dieses Netzwerks.

Ein nun veröffentlichter Brief der Bande La Terraza gibt Hinweise auf das Ausmaß der Verbindungen. Die La Terraza-Bande verübte für die Pepes wie auch für die Paramilitärs von Carlos Castaño zahlreiche Auftragsmorde zunächst an Mitgliedern des Medellín-Kartells, später vor allem an linken Oppositionellen. Im Verlauf des Jahres 2000 geriet die Bande in Konflikt mit ihren Auftraggebern und begann ihrerseits Aktionen gegen die Hintermänner des Paramilitarismus durchzuführen. Die Bombenanschläge, die im Frühjahr dieses Jahres die kolumbianischen Großstädte erschütterten, gingen offensichtlich auf ihr Konto und richteten sich, nach ihrem Bekunden, gegen die Geldgeber der Paramilitärs. Betroffen war damals u. a. eine große Hotelkette des Landes.

In dem an die Regierung Pastrana und die Justiz gerichteten Brief behaupten die Angehörigen der Terraza-Bande nun, die spektakulärsten Mordanschläge - etwa auf die MenschenrechtsaktivistInnen Elsa Calderón und Eduardo Umana und den Fernsehkomiker Jaime Garzón - auf Veranlassung der Heereskommandeure Haroldo Bedoya und Jorge E. Mora verübt zu haben. Bedoya ist mittlerweile Kandidat der Ultrarechten für die Präsidentenwahlen im Jahr 2002, Mora ist ein enger Partner der US-Militärs.

Die Terraza-Bande schreibt, dass die Paramilitärs, anders als in den bürgerlichen Medien behauptet wird, keineswegs autonom agierten. Die Generäle erteilten »ihrer Marionette Carlos Castaño direkte Befehle«, heißt es in dem Brief. Verwickelt in die Machenschaften sei unter anderen der neue Chef der kolumbianischen Polizei Luis Ernesto Gilbert, der sowohl zu Castaño als auch zu Diego Murillo Bejarano alias Don Bernardo gute Verbindungen unterhalte, sowie der langjährige Statthalter der USA in Kolumbien, der ehemalige Polizeichef General Rosso José Serrano. Serrano, der von US-Drogenbekämpfern immer wieder als der »beste Polizist der Welt« bezeichnet worden war, wurden in Kolumbien schon lange gute Verbindungen zum Drogenhandel nachgesagt; er ging kurz nach den Enthüllungen des Nuevo Herald im vergangenen Jahr ohne weitere Erklärungen in den Ruhestand.

Die La Terraza-Bande bestätigte die Gerüchte, wonach Serrano gute Kontakte zum Heroin-Kartell von Hernando Gómez alias Rasguño sowie zum Paramilitärchef Carlos Castaño besitze. Dessen Informationen habe es die Polizei zu verdanken gehabt, dass 1995 auch Anführer des Cali-Kartells festgenommen werden konnten.

Es ist auffällig, wie viele Protegés der US-Behörden in das Mafia-Paramilitär-Netzwerk verstrickt sind. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Anti-Drogen-Diskurse der US-Administration nur noch absurd. Wie schon während des Contra-Kriegs in Nicaragua werden auch im Rahmen des Plan Colombia offensichtlich Drahtzieher einer rechtsextremen Drogen-Connection mit Waffen ausgerüstet.

Das hört sich erstaunlich an, aber Gründe für eine derartige Politik gibt es mehr als genug. Kolumbien gehört zu den an Bodenschätzen - v. a. an Erdöl - reichsten Ländern, verfügt über starke soziale Bewegungen und wird wegen seiner geographischen Lage nach der Einführung der FTAA-Freihandelszone im Jahre 2005 eine Schlüsselrolle in der Region spielen. Bis dahin sollen Investitionshindernisse - ob nun renitente Bauern, Gewerkschaften oder linke Guerilla - so weit wie möglich ausgeschaltet sein.

Eine längere Fassung des Artikels erscheint im September 2001 in der Prokla, Nr. 124: »Kapitalismus und Kriminalität«.