Hexenserien im TV

Das N-Waffen-Abkommen

Die Fernsehhexe ist magisch, aber ungefährlich. In Serien wie »Bewitched«, »The Teenage Witch« und »Charmed« beweist sie vor allem soziale Kompetenz.

Die Fernsehhexe in Serie ist ein amerikanisches Markenprodukt. Sie ist weiblich, weiß und jung und kommt in drei Varianten vor: als Ehefrau, als Teenager mit Ersatzfamilie und als Twen. Mit »Bewitched« (»Verliebt in eine Hexe«) startete 1964 die Hausfrauenversion. Samantha Stevens verschlug es ins amerikanische Suburb, weil sie einen Sterblichen geheiratet hatte. Diese mystische Interpretation der »Komödie der Heterosexualität« (Judith Butler) wird am besten von Hexenmutter Endora zusammengefasst, als sie eine Verzauberung mit den Worten rechtfertigt: »Es war ein Test, welchen Belastungen eure Mischehe standhält!«

Samantha steht zwischen den beiden Welten und gerät dadurch immer wieder unter Druck. Von ihrem Mann Darrin, einem überangepassten Angestellten in einer Werbeagentur, darf sie sich nicht beim Zaubern, von ihrer Mutter nicht bei der Hausarbeit erwischen lassen. Taucht Endora unangemeldet aus dem Nichts auf, kriegt zumeist Samantha Probleme. Dass sie beim Putzen ihren Kopf in den schmutzigen Ofen gesteckt hat, wirkt auf die Mutter wie ein Selbstmordversuch. Ist der Irrtum aufgeklärt, umso schlimmer, dann ist Samantha »die Dienstmagd eines Sterblichen« und damit »ein verkommenes Geschöpf!«

In Gestalt der glamourösen und bösen Mutter und Schwiegermutter spricht Endora oft wie mit feministischer Stimme. Da arbeitet Tochter Samantha fleißig in ihrer Menschenküche und hat im nächsten Moment eine Sträflingskugel am Bein. Kurz darauf erscheint die Mutter mit der Botschaft: »Wenn du schon wie eine Sklavin arbeitest, solltest du auch wie eine Sklavin aussehen.«

Schauspielerin Elizabeth Montgomery ist in »Bewitched« in einer Doppelrolle zu sehen, sie spielt sowohl Samantha als auch ihre Cousine Serena, die quasi deren Schatten ist - vergnügungssüchtig, promisk und wie die ganze übrige Hexenfamilie Teil eines internationalen Hexen-Jet-Sets.

Die Liebe zu einem Sterblichen muss immer wieder als Erklärung für Samanthas Selbstbeschränkung herhalten. Die Normalität ist der höchste Wert geworden und stellt zugleich ein für sie unerreichbares Ideal dar. »Bewitched« bezieht aus der Unvereinbarkeit der beiden Welten sein Material. Nur ganz selten, wenn Samantha herausgefordert wird, nutzt sie ihre Fähigkeiten, um Schaden anzurichten. Sonst ist sie nicht gefährlicher als jene Außerirdischen, die in einer Folge gelandet sind und damit drohen, ihre »N-Waffen«, nämlich »Nettigkeits-Waffen« einzusetzen. So viel Harmlosigkeit ist für die Zuschauerin von heute ein bisschen frustrierend.

Wegen des komischen halbstündigen Formats mit der Ur-Serie aus den Sechzigern vergleichbar ist die End-Neunziger-Comedy »Sabrina - The Teenage Witch«. Nur ist in dieser Serie nicht die Menschenwelt, sondern »das andere Reich«, so heißt hier die Hexenwelt, die Kontrollgesellschaft. An ihrem 16. Geburtstag erfährt Sabrina von ihren magischen Fähigkeiten, aufgeklärt und erzogen wird sie von ihren Tanten Hilda und Zelda, nachdem die »Mischehe« ihrer Eltern zerbrochen ist. »Sabrina« beginnt also da, wo »Bewitched« aufhört.

Eine Erinnerung an Hildas Jugendsünden ist der sprechende Hauskater Salem, ein Hexer, der zur Gefangenschaft im Pelz verurteilt wurde, weil er die Weltherrschaft anstrebte; eine Verschwörung, die das Hexen-FBI aufdeckte. Solche Dinge erfährt Sabrina, wenn sie selbst mit den Hexengesetzen in Konflikt kommt.

Viele folkloristische Elemente der Hexenerzählung werden für die Seriengegenwart modernisiert. Es gibt eine Hexenpolizei und eine Einwanderungs- und Finanzbehörde. Denn: »Seit Pompeji werden wir Hexen von Zeit zu Zeit überprüft.« Und beim Versuch, sich Rollerblades zu zaubern, entdeckt Sabrina entsetzt, dass sie sich keine Markenartikel verschaffen kann. Sie muss sich an das Copyright halten.

Die magischen Fähigkeiten unterliegen in »Sabrina« stärkeren Kontrollen als die menschlichen Möglichkeiten. Der ungezügelte Sadismus des Übernatürlichen hat in dieser Comedy vor allem die Funktion von Überwachen und Strafen angenommen.

Beide Tanten sind Singles, mit Dates von Zeit zu Zeit. Wenn Zelda beim Elternabend den Mathelehrer charmant findet, hält sie es für nötig klarzustellen, dass sie und Hilda kein Paar seien. Tatsächlich erscheinen die Tanten als Eltern gut geeignet, gerade weil sie nicht von einer Beziehung abgelenkt sind. Für Sabrina bedeutet ihr neues Leben auch das Erbringen doppelter Anpassungsleistungen, da sie sowohl die Highschool absolvieren als auch für Hexenprüfungen lernen muss. Die Teenagerhexe hat einen süßen, etwas unterbelichteten Boyfriend, dem sie genauso überlegen ist wie dem einzigen »Mann im Haus«, dem Kater Salem.

Natürliche Feinde junger Hexen in der Menschenwelt sind der reaktionäre Vizedirektor und seine Protegés, die Cheerleader; da kann sich der geplagte Teenager oder die nonkonformistische Zuschauerin wiederfinden. Allmachtsphantasien werden aber durch das lückenlose Regelwerk des Hexengemeinwesens sabotiert. Die Unausweichlichkeit wird unterstrichen von den Lachkonserven, die nach Baudrillard ja die Entsprechung zum Chor in der griechischen Tragödie sind. Der trotzdem mögliche regressive Spaß ist ein wenig würdelos, weil besonders die Behandlung des ewigen Teenagerthemas »Peinlichkeit« quasi pornografisch ist. Für eine junge Hexe ist eben alles viel schlimmer, da es ständig magische Rückkoppelungen gibt.

Die dritte Hexenserie im einstündigen Mysteryformat, »Charmed« (1998), kann als Teil eines breiten Trends betrachtet werden, der sich im Fernsehen als eine große Fluchtbewegung in die Science Fiction, in Fantasy und Mystery darstellt. Mit den anderen Fernsehschwestern haben die drei Protagonistinnen gemeinsam, dass sie »gute Hexen« sind, mit dem die Spannung ausmachenden Unterschied, dass die »Charmed«-Twens für das Gute auch ihr Leben riskieren müssen. Denn wie bei anderen Mystery-Serien lautet die Grundannahme, dass das Böse existiert. Die Halliwell-Schwestern leben in San Francisco - in der Stadt, die ganz real ein Zentrum von »neuen Hexen« ist. Vokabular, Praxis und Ästhetik der Esoterik gehen denn auch in die Serie ein.

Ausgestattet mit geerbten magischen Kräften, haben die Halliwells die Aufgabe übernommen, die »Unschuldigen zu beschützen«, eigennützig dürfen sie ihre übernatürlichen Fähigkeiten nicht anwenden. Sie gehen bürgerlichen Berufen nach, werden dabei aber von ihren Hexenpflichten oft gestört, immer wieder müssen sie auf eigene Faust ermittelnd und eingreifend tätig werden.

Alle Fernsehhexen sind attraktiv und setzen ihren Körper zur Durchsetzung ihrer Ziele ein. Aber nicht nur um zu verführen. Zugleich beherrschen sie besondere Kampfkünste, die, wenn sie gegen Dämonen eingesetzt werden, auch gern zur Vernichtung des Gegners führen dürfen. Solche Szenen heben die Stimmung bei der sterblichen Zuschauerin. Männliche Testpersonen langweilen sich allerdings, nicht nur dann, wenn Beziehungsprobleme verhandelt werden. Dabei hat gerade das Thema hier seinen Reiz. Auch weil illustriert wird, wie gefährlich Irrtümer sind, wenn der Liebhaber sich als Dämon entpuppt.

In dieser Serie gibt es endlich auch Sex. Phoebe, die Jüngste und Wildeste, sagt nach einem erfolgreichen Liebeszauber zu ihren Schwestern: »Keine Sorge, wir hatten safer Sex. Richtig viel safer Sex!« Ausgerechnet diese Serie, mit einem hübschen Bein im Kitsch, mit dem andern im Horror, hat das Potenzial, um sich den Identitätsproblemen junger Frauen zu widmen, der Hexenanteil dient dabei der Dramatisierung der Konflikte. Durch die bösen Gegenspieler wird eindeutig klargestellt, dass die neue Hexe nicht dem Bild entspricht, das ihrer kirchlichen Verfolgung einmal zugrunde lag, als der angebliche Teufelspakt Hauptanklagepunkt war. Die Angst vor Entdeckung ist den Hexen aller Serien trotzdem gemeinsam.

Eine Folge von »Bewitched« spielt das »Was wäre wenn?« ganz durch. Der Ehemann droht seiner Frau im Zorn, allen zu sagen, wer und was sie sei. Vorsichtshalber induziert sie ihm einen Traum, worin er die Folgen seines Handelns erlebt. Zunächst löst Samantha eine Popstar-Hysterie aus, selbst ihrem Mann reißen die Fans die Kleider herunter.

Doch dann reklamiert der Staat den Hexenstar für sich. Vertreter des Militärs und des Geheimdienstes werden vorgeschickt, um Samantha unter Druck zu setzen. Man könne, heißt es, nicht mehr für Samanthas Sicherheit garantieren, es sei denn sie entschließe sich zur Zusammenarbeit mit dem Staat: »Sie sind doch eine patriotische Hexe?« Der Staat ist eben nicht so dumm, seine Waffen nicht einzusetzen.