WM-Qualifikationin Südamerika

Dann spielt mal schön

Die südamerikanischen Teams aus Argentinien, Brasilien, Paraguay, Ecuador und Uruguay nehmen an der Fußball-WM 2002 teil.

Welche südamerikanischen Teams zur WM 2002 fahren dürfen, war lange Zeit unklar. In der aus zehn Nationalmannschaften bestehenden Qualifikationsgruppe, aus der sich die ersten vier direkt für die WM qualifizieren, während der Fünftplatzierte gegen den Sieger der Ozeanien-Gruppe in die Relegation muss, standen die meisten WM-Teilnehmer erst am letzten Spieltag fest: Argentinien, Brasilien, Paraguay und Ecuador, Uruguay als Fünfter musste noch gegen Australien antreten.

Während sich die argentinische Elf schon früh als Gruppensieger und WM-Teilnehmer präsentieren konnte, musste Brasilien bis zum letzten Spieltag zittern. Eine Überraschung war der zweite Platz von Ecuador, das am letzten Spieltag noch an Paraguay vorbeiziehen konnte und nun in Japan und Korea sein Debüt bei einer WM-Endrunde feiern wird. Ecuador gelangen ebenso viele Siege wie Brasilien, im heimischen Atahualpa Stadion in Quito wurden sie nur einmal geschlagen. Am vorletzten Spieltag reichte ein 1:1 gegen Uruguay für die WM-Teilnahme, von der man seit 70 Jahren geträumt hatte.

In die europäischen Schlagzeilen geriet Ecuador nicht wegen der guten Spiele der Nationalelf, sondern wegen eines bewaffneten Überfalls auf den aus Kolumbien stammenden Nationaltrainer, Hernán Bolillo Gómez. Der ehemalige Präsident Ecuadors, Abdalá Bucaram, genannt El Loco (der Irre), wollte, dass sein Sohn Dalo Bucaram Pulley, ein mittelmäßiger Fußballer der bei Santa Rita, einem kleinen Zweitligaverein unter Vertrag steht, im Nationalteam spielt.

Bucaram beauftragte auch zwei Männer, um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen. Sie griffen Bolillo, als er in einem Straßencafé in Guayaquil saß, an, schlugen ihn nieder und schossen ihm ins Bein. Der geschockte Trainer reichte seinen Rücktritt ein, konnte aber von seinen Spielern und den Fans zum Bleiben bewegt werden.

In Paraguay beschränkte man sich dagegen auf die traditionelle Trainerbehandlung. Der erfolgreiche Nationaltrainer des Landes hieß bis zum letzten Spieltag Sergio Markarián. Der aus Uruguay stammende Markarián führte das Team immerhin zu neun Siegen, drei Unentschieden und sechs Niederlagen. Zu Hause, im Stadion Defensores del Chaco in Asunción, verlor sein Team nur einmal: am letzten Spieltag gegen Kolumbien. Diese Heimniederlage war es, die ihn seinen Posten kostete, da man algo raro (etwas Seltsames), sprich Schiebung, vermutete.

Vor dem Spiel hatte Markarián in der uruguayischen Presse kundgetan, dass er der Celeste, wie das Nationalteam Uruguays genannt wird, unter die Arme greifen wolle und sein Team die unwichtige letzte Partie ernst nehmen werde. Vor dem 18. Spieltag lagen Brasilien, Uruguay und Kolumbien auf den Plätzen vier, fünf und sechs, getrennt nur durch wenige Punkte.

Auf Hilfe aus Paraguay war man dann aber nicht angewiesen, da man sich mit einem 1:1 gegen Argentinien in Montevideo den fünften Platz und damit die Teilnahme an den Relegationsspielen gegen Australien sichern konnte. Trotzdem war man angesichts des paraguayischen Schwächelns wenig begeistert.

»Die Uruguayer sollen aufhören zu flennen, wenn sie sich zu Beginn der Qualifikation besser vorbereitet hätten, wären sie nicht von ihren Konkurrenten abhängig gewesen«, urteilte José Luis Chilavert, der Torhüter und Kapitän der paraguayischen Nationalmannschaft vom fernen Strasbourg aus. Er ist wegen einer Tätlichkeit gegen den Brasilianer Roberto Carlos für vier Spiele gesperrt.

Überzeugend spielte Uruguay in der Qualifikation nicht. Es reichte gerade zu sieben Siegen, sechs Unentschieden und fünf Niederlagen. Aber wenigstens klappte es bei den Verteidigern des Teams ganz gut. Die uruguayische Abwehr ließ nur 13 Gegentore zu, eine ähnlich gute Bilanz können sonst nur Argentinien und Brasilien aufweisen. Im Gegensatz zu deren Torausbeute konnte der uruguayische Sturm mit ganzen 19 Toren jedoch nicht unbedingt überzeugen. Immerhin, das mit drei Millionen Einwohnern kleinste Land der Südamerika-Gruppe schaffte es in der Relegation, sich nach einer 1:0-Auswärtsniederlage in Australien zu Hause doch noch mit 3:0 durchzusetzen. Der zweimalige Fußball-Weltmeister darf damit zur WM in Japan und Südkorea fahren.

Warum die brasilianische Auswahl in der Qualifikation so schlecht spielte, gehört dort zu den am häufigsten gestellten Fragen, denn das Selbstbewusstsein der Spieler war wie weggeblasen. Gegen die vermeintlich kleinen Gegner wie Peru, Paraguay, Ecuador und Bolivien blamierte sich das Team ausgiebig.

Vor dem Anpfiff des Gruppenspiels in Ecuador hatten die brasilianischen Kommentatoren noch lauthals über die Prognose des Trainers von Ecuador, Gómez, gescherzt, der versichert hatte, Brasilien werde »Bolero tanzen«. Die Ironie der brasilianischen Sprecher ging über in Sorge, wandelte sich in Frustration, wurde zu Scham und endete in Wut, als Brasilien tatsächlich verloren hatte.

Meinungen und Analysen gab es reichlich, kein Wunder, heißt es doch, Brasilien verfüge über 170 Millionen Fußballexperten; allein an konkreten Vorschlägen, wie das Problem zu beheben sei, mangelte es. Wie so oft bei verfahrenen Situationen wechselte man die Trainer. Vom verhassten Wanderley Luxemburgo über die kurzen und konfusen Gastauftritte der Herren Candinho und Leão hin zum trockenen Luiz Felipe Scolari wurde viel ausprobiert, keiner der Coaches bekam jedoch die notwendige Zeit, ein Team zu formen. Die Minimallösung war, elf Spieler zu berufen, auf ihr Talent zu hoffen und zu beten, dass sie den Anweisungen des jeweiligen Trainers folgten. Insgesamt wurden 60 Spieler berufen - Argentinien hatte einen festen Kader von 28 Spielern - aber zu einer gelungenen Kombination der Weltklassespieler kam es nie.

Nach der mit 2:1 verlorenen Partie in Argentinien hatten bei den meisten Brasilianern die Nerven blank gelegen, einzig Trainer Scolari hatte die Ruhe behalten und vorgerechnet, dass Brasilien zwei der drei noch ausstehenden Spiele - gegen Chile, Bolivien und Venezuela - gewinnen müsse, um sich direkt zu qualifizieren. Für Scolari zählt nur der Sieg, egal wie er errungen wird, Kritik an seinem Stil und dem unansehnlichen Spiel seiner Elf bügelte er ab: »So, wer spielt denn schön? Holland? Tja, Holland spielt nicht bei der Weltmeisterschaft«.

Nach dem 3:0-Sieg gegen Venezuela stand der Vizeweltmeister von 1998 dann als WM-Teilnehmer fest. Gefehlt hat Brasilien bei einer Weltmeisterschaft noch nie, aber das Erlebnis, sich im letzten Moment zu qualifizieren, kennt man aus dem Jahre 1969: 1970 in Mexiko besiegte man dann im Endspiel Italien und wurde zum dritten Mal Weltmeister.