US-Sanktionen gegen Telekom-Unternehmen

Falsch verbunden

Das somalische Telekommunikationsunternehmen al-Barakaat soll nach US-Angaben al-Qaida unterstützt haben. Die Sperrung seiner Konten könnte Somalia weiter destabilisieren.

Nahe der Residenz des Präsidenten kam es zu einem kurzen Gefecht, doch die Truppen Abdullahi Yussufs schlugen ihre Gegner schnell in die Flucht. Im Juli hatte der Generalkongress der Autonomen Region Puntland Yussuf seines Amtes als Präsident enthoben, doch am Mittwoch vergangener Woche kehrte er mit mehreren Hundert Kämpfern nach Garowe zurück und vertrieb seinen Nachfolger Jama Ali aus der Regionalhauptstadt. Puntland hatte sich 1998 für autonom erklärt, um die Region aus den Kämpfen rivalisierender Warlords herauszuhalten.

Seit dem 11. September findet der somalische Bürgerkrieg, der vor 14 Jahren begann, wieder ein größeres internationales Interesse. Yussuf begründete seinen Militärschlag mit der Notwendigkeit, Basen der islamistischen al-Ittihad-Miliz in Puntland zerschlagen zu müssen. Al-Ittihad soll Teil des al-Qaida-Netzwerks sein und Verbindungen zu al-Barakaat, dem größten in Somalia arbeitenden Telekommunikationsunternehmen, und dessen Besitzer haben.

Der britische Economist lobte die somalische Telekommunikationsindustrie einmal als die am weitesten deregulierte in Afrika. Nun aber wünscht die US-Regierung ein wenig mehr Regulierung der Tätigkeit von al-Barakaat. Das Unternehmen, das auch als globale Transferbank fungiert, findet sich mit weiteren 60 Personen und Organisationen auf einer Liste der mutmaßlichen Unterstützer des Terrornetzwerks al-Qaida, die US-Präsident George W. Bush am 7. November bekannt gab: »Die heutige Aktion unterbricht al-Qaidas Kommunikation, blockiert wichtige finanzielle Quellen, beschafft wertvolle Informationen und sendet eine klare Botschaft an globale Finanzinstitute: Ihr seid entweder mit uns oder mit den Terroristen. Und wenn ihr mit den Terroristen seid, werdet ihr die Konsequenzen spüren.«

Konsequenzen hat das amerikanische Vorgehen jedoch auch für Somalias Ökonomie. Al-Barakaat ist mit 3 000 Angestellten der größte Arbeitgeber des Landes, und viele Somalier sind von Überweisungen aus dem Exil abhängig, die über die Bank abgewickelt wurden. Die Konten des Unternehmens sind inzwischen eingefroren, und Filialen in Afrika, Nordamerika, Europa sowie die Zentrale in den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden geschlossen. AT&T und British Telecom, über deren Anlagen al-Barakaat Somalia mit dem Rest der Welt verband, beendeten die Zusammenarbeit. Zwei Angestellte von Barakaat North America sind in den USA und Kanada wegen »illegalem Geldtransfer« angeklagt worden. Firmenchef Ahmed Nur Jumale forderte von den USA, Beweise für seine Verbindung zu al-Qaida vorzulegen, und bestritt gegenüber der britischen Financial Times die Vorwürfe: »Es gibt keine Beweise, und die Lügen, die von unseren Feinden verbreitet wurden, werden nun als substanzielle Tatsachen behandelt«.

Die Uno, die ihre Angestellten in Somalia über al-Barakaat bezahlt hat, befürchtet nun eine weitere Destabilisierung des zersplitterten Landes. Vor allem die international nicht anerkannte Republik Somaliland im Nordwesten des Landes sowie die Autonome Region Puntland waren bislang relativ stabil. Südsomalia und die Hauptstadt Mogadischu hingegen sind trotz der Einsetzung einer weitgehend machtlosen Übergangsregierung vor zwei Jahren in Herrschaftsgebiete verschiedener Warlords zerfallen. In vielen dieser Gebiete gilt die Sharia, die islamische Rechtsprechung. Kontrolliert wird deren Einhaltung durch bewaffnete Milizen. Finanziell unterstützt werden die Gerichte und Milizen zumeist von lokalen Händlern, die sich besseren Schutz für ihre Geschäfte versprechen.

Al-Ittihad war seit dem Beginn des somalischen Bürgerkrieges 1988 mit Mohammed Farah Aidid, dem inzwischen verstorbenen militärischen Führer des United Somali Congress (USC), alliiert. Nachdem der USC 1991 den letzten gesamtsomalischen Präsidenten Siad Barre gestürzt hatte, zerfiel der oppositionelle Dachverband in einander bekämpfende Fraktionen, Bürgerkrieg und Dürre verursachten eine Hungersnot. Unter Führung der USA entschloss sich die Uno 1992, Lebensmittelkonvois von Blauhelmen absichern zu lassen. Im Rahmen der vom damaligen US-Präsidenten George Bush entworfenen »Neuen Weltordnung« sollte nach dem Golfkrieg die staatliche Einheit Somalias durchgesetzt werden.

Aus der humanitären Intervention wurde ein Kampfeinsatz, nachdem die USA 1993 beschlossen hatten, den widerspenstigen Warlord Aidid in Mogadischu zu verhaften. Amerikanische Eliteeinheiten gerieten in einen Hinterhalt von mehreren Hundert somalischen Milizionären Aidids und der verbündeten al-Ittihad. 200 Somalis und 18 Elitesoldaten kamen zu Tode, zwei Hubschrauber wurden abgeschossen. Die inzwischen regierende Clinton-Administration entschloss sich zum Truppenabzug, 1994 verließen die letzten US-Soldaten das Land.

Die Stinger-Raketen, die den Hubschraubern zum Verhängnis wurden, sollen vom militärischen Chef des al-Qaida-Netzwerkes, Mohammed Atef, geliefert worden sein. Der vor zwei Wochen bei Bombenangriffen in Afghanistan umgekommene Atef soll auch somalische Milizionäre ausgebildet haben. Dies hat er dem in London ansässigen Islamic Observation Centre zufolge nach dem Beginn der Luftangriffe auf Afghanistan bestätigt: »Amerika wird seine Fehlkalkulation nicht begreifen, bis seine Soldaten durch Afghanistan geschleift werden, wie sie es in Somalia wurden.«

Der Einsatz von Bodentruppen in Somalia scheint angesichts der Erfahrungen von 1993 unwahrscheinlich. Vielmehr halten die Vereinigten Staaten wie in Afghanistan Ausschau nach Verbündeten in der Region. Ein sich anbietender Partner ist die benachbarte Regionalmacht Äthiopien, die schon länger einzelne somalische Fraktionen unterstützt.

Die Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba versucht nun, die neue Lage zu nutzen. Während der behördliche Umgang mit somalischen Immigranten verschärft und sämtliche somalischen Geldinstitute vorerst geschlossen wurden, forderte der äthiopische UN-Botschafter Abdulmejid Hussein ein Waffenembargo gegenüber Somalia: »Waffen wurden per Schiff und aus der Luft nach Somalia gebracht und haben die Situation in diesem Land verschlimmert. Die unkontrollierte Waffenflut hat es terroristischen Organisationen ermöglicht, Operationen tief in Äthiopien durchzuführen.«

Die äthiopische Regierung beschuldigt al-Ittihad, für mehrere Anschläge in Addis Abeba verantwortlich zu sein, sie bot den USA nun an, al-Ittihad anzugreifen. Bereit 1997 hatten äthiopische Truppen die westsomalische Stadt Luuq besetzt, um die islamistische Gruppe zu schwächen. Die äthiopische Armee könnte von den USA mit Bombenangriffen, Truppenausbildern und Informationen unterstützt werden.

Das Vorgehen gegen al-Barakaat zeigt, dass Gesellschaften ohne staatliche Institutionen nach dem 11. September wieder als Problem der internationalen Politik gesehen werden. Die Sorge, dass westliche Truppen doch in Somalia eingesetzt werden könnten, hat die deutschen Grünen sogar bewogen, in der Protokollerklärung zum Bundeswehreinsatz im Anti-Terror-Krieg einen auf Somalia gemünzten Satz durchzusetzen: »Es ist nicht beabsichtigt, in Ländern außerhalb Afghanistans, in denen es derzeit keine Regierung gibt, deutsche bewaffnete Streitkräfte ohne Befassung des Deutschen Bundestages einzusetzen.«