Debatte über Angriffe auf den Irak

Frieden für Saddam

Die Zeiten, in denen sich die Vorkämpfer der deutschen Friedensbewegung vor Luftwaffenstützpunkten und Parteitagen einen Schnupfen holten, sind vorbei. So schnell konnte kein Transparent gemalt werden, wie die SPD in Nürnberg einen Militärschlag gegen den Irak verurteilte, von dem die USA noch gar nicht sprechen wollten.

Denn gegen einen erneuten Krieg am Golf sind zurzeit noch vor allen anderen die USA selbst. Auch dort sitzt der radikalste Flügel der Antikriegsbewegung im Establishment, in dessen Analysen unermüdlich unter anderem vor den wirtschaftlichen Folgen eines Militärschlags gewarnt wird. Ein Ausfall der irakischen Ölexporte würde den Ölpreis explodieren lassen und die Talfahrt der US-Ökonomie noch beschleunigen.

So finden sich die Falken der amerikanischen Außenpolitik um den stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz in einem verzweifelten Bündnis wieder mit jenen, denen wenig am Wohlergehen der USA gelegen sein kann. Ausgerechnet die Kommunistische Partei des Irak (ICP), die in einer vollständigen politischen Paralyse versunken war, weil sie sich zugleich gegen Saddam Hussein und die USA aussprach, sieht jetzt in einem Militärschlag die Möglichkeit, den Irak von der Diktatur zu befreien.

Dies belegt nicht zuletzt, dass bereits die Option auf eine militärische Zerschlagung des irakischen Baath-Faschismus auf die Opposition wie eine Befreiung wirkt. Die Irak-Politik der USA, die auf die Eliten setze, anstatt auf die Bevölkerung, sei gescheitert, heißt es in dem in London veröffentlichten Kommuniqué der Partei. Das bereits 1998 im Iraq Liberation Act versprochene Geld der US-Regierung sollte endlich für den Kampf der Opposition im Land selbst freigegeben werden. Tatsächlich dürfen mit dem Geld bislang nur Verwaltungskräfte ausgebildet werden, für eine Zeit nach Saddam Hussein.

Dass der Sturz des Regimes entweder jetzt oder niemals eingeleitet werde, erklärte auch der Exiliraker Kanan Makiya der New York Times. Der Autor des Bestsellers »Republic of Fear« sieht in der Entscheidung über einen Militärschlag die grundsätzliche Wahl zwischen dem Sturz des Regimes oder einer Politik der Eindämmung, die Saddam Hussein endgültig rehabilitiere.

Genau vor dieser Wahl scheint die US-Regierung derzeit zurückzuschrecken. Denn begrenzte militärische Aktionen gegen den Irak haben das Regime in der Vergangenheit nicht geschwächt, sondern dessen Herrschaft in der Region lediglich legitimiert. Ein Militärschlag jetzt müsste das Regime stürzen und einen revolutionären Aufstand herbeiführen. Und genau der sollte bislang verhindert werden.

Die Aufforderung der irakischen Oppositionsparteien, das Regime anzugreifen, drängen die US-Regierung, endlich einen Ausweg aus dem seit zehn Jahren bestehenden Dilemma zu finden. So erklärte auch die schiitisch-islamische Opposition, sie bereite sich darauf vor, einen Angriff zum Sturz des Regimes zu nutzen. Einen zweiten Aufstand wie 1991 nach dem Ende des Zweiten Golfkrieges würde das Regime nicht überleben. Wer Saddam Hussein ein Ende bereiten will, der muss die Verhältnisse zum Tanzen bringen.

Die Option der Friedensbewegung dagegen, die im Bundesverband der Deutschen Industrie einen starken Fürsprecher findet, ist die Fortsetzung der Herrschaft Saddam Husseins. Einmal mehr sollen die USA die irakische Bevölkerung hängen lassen und zusehen, wie ihr verzweifelter Aufstand von Husseins Truppen niedergewalzt wird. So bleibt als Hoffnung nur, das Engagement der »Kein Blut«-Bewegung für billiges Öl möge daran scheitern, dass sich im US-Establishment jene durchsetzen, die wissen, dass mit Saddam Hussein auf Dauer kein Vertrag zu machen ist.