Ausländerbeauftragte Barbara John seit 20 Jahren im Dienst

Lasst uns singen und nützlich sein

Barbara John feiert ihr 20jähriges Dienstjubiläum als Ausländerbeauftragte in Berlin.

Barbara John hat zwei Seiten. Die erste und dienstälteste Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik, die am 5. Dezember ihr 20jähriges Dienstjubiläum feierlich begeht, hat sich für eine engagierte Politik, die die Integration von Migranten zum Ziel hat, einen Namen gemacht. Sie legte sich mit der Polizei an, wenn Briten oder Türken den Vorwurf erhoben, aus fremdenfeindlichen Motiven verprügelt worden zu sein. Der Kleingartenverband bekam Ärger, weil ein Grieche nicht Laubenpieper werden durfte. Und gegen Widerstände aus ihrer eigenen Partei, der CDU, hat Barbara John durchgesetzt, dass angeblich »völlig überflüssige« soziokulturelle Projekte für Zuwanderer von der Landesregierung weiterhin Geld erhielten. Im August dieses Jahres setzte sie sich sogar für einen in Spanien lebenden Nigerianer ein, der vom Bundesgrenzschutz wegen eines angeblich gefälschten Passes festgehalten wurde.

Unmittelbar nach dem 11. September warnte die 63jährige als erste deutsche Politikerin davor, Muslime unter Generalverdacht zu stellen. »Wir dürfen uns nicht von dem Gift infizieren lassen, andere Menschen wegen einer bestimmten Religion oder Nationalität auszugrenzen«, erklärte John. Für einen pragmatischen und sachkundigen Umgang mit islamischen Kulturen ist sie seit Jahren bekannt.

Aber da ist auch Barbara Johns andere Seite: Wenn es mit der Integration von Ausländern trotz ihrer Programme nicht so recht klappen wollte, wies sie ihnen bisweilen die Schuld zu. Türkischen Müttern riet sie, mit ihren Kindern deutsche Lieder zu singen, um ihnen das Kulturgut der Wahlheimat nahe zu bringen (Jungle World, 17/01).

Klare Worte fand sie auch für den Umgang mit Flüchtlingen. Sie stellte nie in Frage, dass sie nur als »Gäste auf Zeit« willkommen seien. Entsprechend trennte sie entschieden zwischen Menschen, die in die deutsche Gesellschaft integriert werden sollten, und Menschen, bei denen sich der Versuch der Integration nicht lohne, da sie das Land möglichst schnell wieder zu verlassen hätten. Für die Rückkehrförderung von Bosnien-Flüchtlingen machte sie sich stark, ignorierte aber, dass bis heute nicht jedem Bosnier eine Rückkehr möglich und zumutbar ist.

1997 erklärte sie der Berliner Morgenpost, die Asylgesetzgebung werde ausgehöhlt, wenn etwa Vietnamesen und Serben nicht abgeschoben werden könnten und deshalb weiter in Deutschland blieben, obwohl sie - nach Johns Überzeugung - freiwillig ausreisen könnten. Der Berliner Flüchtlingsrat war anderer Meinung. Er gab zu bedenken, dass eine freiwillige Ausreise in vielen Fällen praktisch nicht möglich sei, weil das Herkunftsland die Einreisedokumente verweigere oder sie humanitär nicht zumutbar sei. Barbara John blieb hart: »Wer ausreisen kann und sich verweigert, darf nicht mehr unterstützt werden.«

Auch die Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes von 1998 geht unter anderem auf John zurück. Darin wurde festgelegt, dass Flüchtlinge in Berlin, denen die Verweigerung ihrer Ausreisepflicht unterstellt wird, ohne alle Leistung, ohne Obdach, ohne medizinische Versorgung und ohne Geld bleiben. »Der Flüchtlingsrat wünscht sich deshalb nach 20 Jahren eine andere Persönlichkeit mit neuer Energie für dieses Amt«, erklärt Mitstreiter Georg Classen. »Wir fordern für Berlin einen Flüchtlingsbeauftragten. Oder die Position der Ausländerbeauftragten sollte mit einer Person besetzt werden, die sich kompetent und engagiert auch für Flüchtlinge einsetzt.« Rita Kantemir vom Flüchtlingsrat ergänzt: »Die politischen Kämpfe für eine Altfallregelung für langjährig hier lebende abgelehnte Asylbewerber und für Ausbildungserlaubnisse für jugendliche Flüchtlinge haben wir und nicht Frau John ausgetragen.«

Allerdings ist kaum mit einem Wechsel in diesem Ressort zu rechnen. Ausländerbeauftragte fallen nicht so schnell von Bord. Almuth Berger in Brandenburg und Günther Piening in Sachsen-Anhalt wurden von den jeweiligen Landesregierungen im Amt behalten, obwohl ihre Partei, die Bündnisgrünen, in den Landtagen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war.

Auch Barbara John wird aller Voraussicht nach im Amt bleiben. Aus den Reihen der Ampelkoalition gibt es keine Signale, die auf einen Wechsel hindeuten. Und 1989/90 hatte eine rot-grüne Regierung sie schon einmal im Amt belassen. John erklärt, sie wolle weitermachen, und sie erklärt es auf ihre Art, selbstlos und staatstreu: »Ich erfreue mich bester Gesundheit. Solange ich mein Geld selbst verdienen kann, werde ich doch nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegen.«

Ohnehin dürfte die Suche nach einem Nachfolger schwierig werden. Die SPD und die Grünen haben gerade im migrationspolitischen Bereich ihr Personal häufig verschlissen. Das Aufgabengebiet galt als undankbar, weil hier die CDU-Hardliner jahrelang die Themen gesetzt hatten und die ausländerpolitischen Sprecher der jeweiligen Abgeordnetenhausfraktionen damit beschäftigt waren, Schadensbegrenzung zu betreiben. Das kostete viel Kraft und brachte nur selten Erfolge. Kein Wunder, dass kaum ein Politiker länger als eine Legislaturperiode diesem Arbeitsgebiet treu blieb.

So wird das Thema Fremdenfeindlichkeit bisher von Politikern nur selten kontinuierlich behandelt. Auch die Einbeziehung der Spätaussiedler, die häufig mit denselben Problemen zu kämpfen haben wie Zuwanderer ohne deutschen Pass, ist in weiten Teilen der Stadt kein Thema. Barbara John hätte gegen eine Einbeziehung der Spätaussiedler in den Aufgabenbereich ihrer Behörde nichts einzuwenden. »Aber darüber müssen die Ampel-Partner entscheiden.«

Als John im Dezember 1981 von Richard von Weizsäcker ins Amt berufen wurde, war sie die erste Ausländerbeauftragte, die sich ein Bundesland leistete. Die Lehrerin für Deutsch als Zweitsprache war zuvor jahrelang Bezirksverordnete in Kreuzberg gewesen und damit in der Landes-CDU verankert.

Im Mai wurde ihr eine ehrenamtliche Professur für Ethnologie an der Humboldt-Universität übertragen. Seit dem laufenden Semester versucht sie, bei Studenten die Neugier auf eine multikulturelle Stadt zu wecken. Nicht zuletzt, weil sie darin einen ökonomischen Nutzen sieht: »Wer an der Humboldt-Universität studiert«, sagt sie, »soll sich später nicht in Extra-Seminaren mühevoll eine multikulturelle Kompetenz erarbeiten müssen. Die kann man in Berlin beim Studium nebenher erwerben. Und das ist ein Standortvorteil für die deutsche Hauptstadt.« So einer wie sie selbst.