Fernsehen mit Peter Scholl-Latour

Latournich!*

Scholllatourismus und seine Folgen. (*selbst der blödeste linke Student hat »Asterix« gelesen, ergo erübrigen sich Verständnisfragen)

Als ich das erste Mal in Berührung mit Herrn Peter Scholl-Latour kam, war ich klein und zärtelnd und etwa acht Jahre alt. Da ich stets mit allergrößter Sorgfalt das Fernsehen studierte und niemals pünktlich das Gerät einzuschalten wusste, begab es sich, dass ich mit feinst ziselierter Regelmäßigkeit zuerst einmal die Nachrichten sah, und da hatte es Krieg, und eifrige Herren rannten munter wie dampfende Füllen im Morgentau umher und berichteten vom Nam, der allerdings kein schmackhafter Schokoriegel war, sondern ein fröhliches Husarenstück, um böse Menschen aus einem nicht näher beschriebenen Dschungelparadies zu entfernen. All das war hochinteressant. Da ich niemals die Buchreihe »Papa, Charlie hat gesagt« gelesen hatte, wusste ich beim besten Willen nicht, was so ein Vietcong sagt, doch dafür gab es ja Herren wie Peter Scholl-Latour, der - latournich! - vor Ort war und heruntergekommene gelbe Teufel interviewte, die sich nur billige Fake-Converse-Chucks leisten konnten, da sie so arm waren.

Da ich als deutsches Kind automatisch auf Seiten der Reichen stand, wusste ich wenigstens, dass ich für Amerika sein musste und war es auch. Scholl-Latour? Obschon mir der Name und das unleidige Gesicht bekannt waren, wusste ich nichts über den Kerl. »Scholl-Latour, mit drei L!« wird dieser Tausendsassa, redegewandt wie er war, seinem Herrn Schulmeister wohl am Tage der Einschulung entgegengekräht haben, dachte ich mir. Denn PSL, der mit Sicherheit keine YSL Klamotten trug, die wären im Schlamm nur verhunzt gegangen, erinnerte mich an Heinz Rühmann. Einen verschmitzten kleinen Herren, der auch im allergnädigsten Schlamm Massel hatte.

So wurde Scholl-Latour denn auch nie »On Air« von einer Bombe am Dez getroffen. Wäre es geschehen, hätte dieser Hallodri sicherlich kurz gewankt, sich dann behäbig am Kopfe gekratzt und in sein stets zu großes Mikrofon ein »Glücklicherweise war der Zünder defekt« konstatiert. Konsternierend, wie einer wie Scholl-Latour, dem sämtliche Wunden begegnen, nicht kleinzukriegen ist. Vielleicht wenn er bei Al Jazeera unter Vertrag wäre. Diese Araber sind ja eher »Dön Air« als »On Air« und mit den Sicherheitsbestimmungen für verderbliche Ware (Menschen) halten sie es nicht allzu genau.

Erst neulich, da er in offenbar geistiger Verdunkelung das Ende der Spaßgesellschaft verkündete, ahnte ich, mit PSL geht's zu Ende. Wie kann so jemand solche Dinge behaupten. Da er immer nur in Kriegsgebieten abhing, hatte er ja nie Spaß. Es wäre, als hätte der Führer im Volksbeflecker das Ende der Sexualität ausgerufen. Nein, mein lieber Scholli, rief ich aus, jetzt hast du deinen Meister gefunden, und wie ich das so schreibe, denke ich unwillkürlich »Scholli - welch billiges Wortspiel, und von welchem Meister rede ich da einher?«

Doch das sind nutzlose Gedankenspiele, denn Scholl-Latour und seine Jünger, junge Journalistendeppen, die glauben, es ihm gleichtun zu müssen, reisen dummdreist in den nächstbesten Gefahrenherd ein, um dort einmal angerichtet zu werden. Der Scholllatourismus ist, als ob man sein Ticket beim Billigreiseveranstalter erwirbt, und dann geht's nicht mehr heim ins Reich. Was im Kosovo tragic endete, wird in Afghanistan auch nicht besser. Besser war's in den Siebzigern. Da war der Feind zwar nur für Kinder klar ersichtlich, doch der erwachsene Mann gab sich sinnlosesten Gedanken hin. Was will der Ami? Warum kommt bei der Waschmittelwerbung immer der Geist aus der Frau raus und sagt »Ich bin dein Gewissen« und nicht »Ich bin dein Gehirn«?

Heutzutage, bei den Talibandeppen, haben wir zum guten Glück ein Feindbild für die ganze Familie. Ich werfe Herrn Scholl-Latour vor, dass er diesen Fakt nicht in einfachen verständlichen Worten erklärt. Stets wird von Möglichkeiten, Verwirrungen und anderen Unwägsamkeiten geredet. Scholl-Latour ist das Sandmännchen meiner Generation. Er streute mir Sand in die Augen, als ich ein Kind war, und ich brauchte Jahre und Gerhard Löwenthal, um meine Feinde zu erkennen und in Gedanken zu richten. Schon während der Biafra-Krise radebrechte Zögling Scholl-Latour von Negern, die sich ein abbes Bein dran abschneiden, und hätte es damals schon intellektuelle Popgruppen wie Echt gehabt, hätten sie »Sag mal weinst du oder ist es der Neger?« gesungen, und die Intelligenzija hätte sich so einen Mann als Befreier gewünscht.

Scholl-Latour war ja stets mit den Befreiern unterwegs, nennen wir sie einmal die Guten. Weshalb er dann in Vietnam immer die Bösen gefeaturet hat, weiß ich nicht. Einmal hockte er in einem Loch, und sein Interviewpartner trug schon wieder diese Billigturnschuhe, die Scholl-Latour als raffiniertes Schnellfortbewegungsmittel klassifizierte. Gut, dass es Chucks damals bei uns nicht hatte. Da war man Gymnasiast und trug die guten Adolf Dassler-Schühchen, wenn die Eltern es neben dem Sport erlaubten. Welche Schuhe Scholl-Latour trug, habe ich nie bemerkt. Vermutlich dieselben wie ich. Klassische braune Halbschuhe.

Reüssieren wir einmal: Ein Scholl-Latour schwindelt und lügt manchmal wie gedruckt. Obschon er es besser weiß, sagt er uns Siebziger-Jahre-Kindern nicht, dass der Feind, der nicht mein Freund sein kann, auf Billigware angewiesen ist, sondern dass er damit flugs zu attackieren vermag. Oder flugs stiften zu gehen, wenn's hochkommt.

Na ja, das alles war kein Spaß, womit sich der Kreis wiederum schließt. Schön an den Siebzigern war auch dieses hochinteressante Magazin, das es für drei Mark zu kaufen gab. Der Dritte Weltkrieg hieß es und erschien im Pallas Verlag oder so ähnlich. Ich kaufte mir es, weil ein herrliches Hochglanzposter der israelischen Version der Mirage IIIC darin zu finden war. Immerhin hatte ich auch von Herren wie Scholl-Latour gelernt, Flugzeugtypen zu unterscheiden, und schließlich hatten wir Krieg. Nicht so wie heute, wo man den bösen Menschen mal aktiv den Hintern versohlen kann, sondern stickum, hintenrum. Doch wusste ich, dass auch ich nie mehr Micky Maus, Fix und Foxi und Zack lesen dürfte, wenn die gelbe Gefahr obsiegte. Den Dritten Weltkrieg schon gar nicht.

Darüber macht man sich ja heutzutage keinerlei Gedanken, dass so ein Teufelsbraten wie Scholl-Latour nicht objektiv ist, wie ich es mit diesem Artikel zu sein versuche. Heutzutage heißt es nicht länger »Papa, Charlie hat gesagt ...«, sondern »Vadda, Scholli hat gesagt ...«, und ohne zu hinterfragen nehmen Vadda und Muttchen es für bare Münze, wie sie nach dem verfickten Euro schnappen werden, weil der doppelt so viel wert ist. Dabei ist's doch heute doppelt so viel wert, wenn man über so komische unrückführbare Aussagen mal nachdenkt. Wozu denn bitte herumschwadronieren, ob so ein Nordallianzdepp unser Vertrauen verdient. Vollkommen gleichgültig. Solange der die Drecksarbeit für unsere heldenhafte Sache tut, sollen die Grünen doch die Schnauze halten. Ein Konflikt für die ganze Familie eben - einfach, stringent, logisch. Es sind Kaputtreder wie PSL, die uns die Freude am Dienst an der Welt nehmen. Langweilig, launisch, lächerlich. Drei L eben.