Innensenator Schill macht Migranten das Leben schwer

Schlechter Deal

Hamburgs neuer Innensenator Ronald Barnabas Schill macht vor allem Migranten das Leben schwer.

Wer ist der jetzt festgenommene 14 Jahre alte Räuber? Mirko ist gebürtiger Jugoslawe, Angehöriger einer dort verfolgten Minderheit. Er wohnt in Hausbruch bei seiner Mutter. Besucht die Sonderschule. Aber nur ab und zu, heißt es. Die Polizei kennt ihn schon länger.«

Das Hamburger Abendblatt, die tonangebende Regionalzeitung in der Hansestadt, fordert seinem Publikum an dieser Stelle eine kleine Denkleistung ab. Vor einigen Jahren hätte man noch kurz und bündig von »Zigeunern« geschrieben. Doch der Aufmacher vom vergangenen Donnerstag, »Jugendbande raubt alte Frauen aus«, über »eine Serie brutaler Überfälle auf Rentnerinnen« endet schließlich doch mit einem geläufigen rassistischen Etikett: »Die Räuber flüchteten über den Balkon, der Beschreibung nach zwei Jugendliche, 16 bis 17 Jahre alt. Und beide Südländer.« Die beiden wurden nicht erwischt, dafür nahm die Polizei den 14jährigen Mirko als vermeintliches Mitglied der Jugendbande fest. Seit dem 20. November sitzt er in Hamburgs Jugendgefängnis Hahnöfersand.

Dass 14jährige dort eingesperrt werden, ist auch schon zu Zeiten vorgekommen, als in Hamburg die SPD regierte. Dennoch ist der Rechtsruck im Stadtstaat Hamburg nach dem Regierungswechsel am 31. Oktober deutlich spürbar. Nur wenige Tage vor Mirkos Festnahme hatte Hamburgs neuer Innensenator Ronald Barnabas Schill von der Partei Rechtsstaatliche Offensive (Pro) im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt gefordert, schnellstmöglich ein geschlossenes Heim für jugendliche »Drogendealer und junge Gewalttäter« einzurichten. »Wir brauchen etwa 100 bis 200 Plätze«, erklärte Schill. Mit dem Heim solle »verhindert werden, dass jugendliche Dealer nach der Festnahme gleich wieder auf der Straße sind«. Auf diese Weise will er das Jugendgericht umgehen, das seiner Meinung nach derzeit viel zu selten Haft für Jugendliche anordnet. Schill machte in dem Gespräch keinen Hehl daraus, wen er als Dealer verdächtigt. Es müsse verhindert werden, dass minderjährige unbegleitete Flüchtlinge »falsche Altersangaben machen, um das mildere Jugendrecht zu nutzen. In Zukunft sollen bereits über die Ausländerbehörde Altersgutachten angeordnet werden - noch bevor die Jugendlichen straffällig werden.«

Nicht nur Schill stellt junge Flüchtlinge unter Generalverdacht. Bereits der im September abgewählte rot-grüne Senat hat vor einem Jahr die so genannte Drogeneinsatzgruppe (DEG) eingerichtet, die seither nach »schwarzafrikanischen Dealern« Ausschau hält. Zusätzlich beschloss Rot-Grün im Juli den Einsatz von Brechmitteln bei Verhafteten, die vor der Festnahme Drogenkugeln verschluckt haben sollen. Für den Leiter der DEG, Kriminaloberrat Ulf Schröder, sind diese Maßnahmen ein voller Erfolg. In den vergangenen Monaten sei die Zahl der »schwarzafrikanischen Dealer an den Brennpunkten sichtbar zurückgegangen«, verkündete er Anfang vergangener Woche.

Der repressive Kurs von Innensenator Schill wird vom gesamten Hamburger Senat mitgetragen. Mitte November trafen sich die Senatoren von FDP, CDU und Schill-Partei zu ihrer ersten Klausurtagung. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) erklärte anschließend, etliche Arbeitsaufträge seien erteilt worden, darunter die Einrichtung des geschlossenen Heims für straffällige Jugendliche. Und auch die Polizei bekommt Verstärkung, 252 neue Angestellte sollen die Beamten von kleineren Aufgaben entlasten, damit sie sich auf »die Jagd nach Dealern und anderen Kriminellen konzentrieren« können.

Noch nicht beschlossen ist die personelle Aufstockung der DEG. Schill möchte deren Einsatzgebiet, das bisher auf die Innenstadt beschränkt war, erweitern - etwa auf das Schanzenviertel.

Dort kann bereits jetzt kaum jemand unbehelligt von der Polizei zu Fuß unterwegs sein, der ins Dealerraster der Ordnungshüter passt, anders gesagt, der jung und farbig ist. Auch der Verzicht auf die Notwendigkeit einer staatsanwaltlichen Anordnung zur Verabreichung von Brechmitteln ist noch in Planung. »Im Moment gilt noch das Paket, das der ehemalige Innensenator Olaf Scholz auf die Reise geschickt hat«, erklärte Polizeisprecher Reinhard Fallak. Aber es seien Treffen geplant, um Schills Vorschläge von den Amtsleitern genauer ausarbeiten zu lassen.

Vor dem Hintergrund der Begeisterung für noch mehr Law and Order wundert es kaum, dass Hamburgs Bürgermeister von Beust bei seiner ersten Rede im Bundesrat erklärte, Schilys Anti-Terror-Paket sei zu lasch: »Der wichtigste Komplex für eine Stärkung der inneren Sicherheit zum Schutz vor Ausländerextremismus und Terrorismus wurde überhaupt nicht geregelt, und das sind durchgreifende Maßnahmen im Bereich des Ausländerrechts.« Es sei notwendig, Leute gar nicht erst einreisen zu lassen, die »unter Terrorismusverdacht stehen«, so von Beust.

In die gleiche Richtung gehen die Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag stehen, den von Beust für die CDU, Schill für die Schill-Partei und Rudolf Lange für die FDP am 19. Oktober unterzeichneten: »Zukünftig erfolgt eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Einbürgerung von Ausländern.«

Menschen ohne deutschen Pass kommen in diesem Vertrag nur unter den Stichworten Innere Sicherheit, Justiz, Drogen und Terrorismusbekämpfung vor. Die einzige Ausnahme ist die Schulpolitik: »Gut ein Jahr vor der Einschulung erfolgt eine Sprachüberprüfung bei Kindern nichtdeutscher Muttersprache. Bei erheblichen Defiziten erfolgen verbindliche Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung, sodass ausreichende Deutschkenntnisse bei allen Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung sichergestellt sind.«

Bislang protestierte nur die Bildungsgewerkschaft gegen diese Regelung. »Die GEW hält es für einen Skandal, Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse nicht mehr einschulen zu wollen«, erklärte Anna Ammon, die Vorsitzende der Hamburger GEW. »Darüber hinaus sollen offenbar die positiven Ergebnisse bilingualer Alphabetisierung über Bord geworfen und durch Eingangstests und Sprachtraining für Kinder nichtdeutscher Muttersprache ersetzt werden. In der Entscheidung der Koalitionäre sieht die GEW eine Einschränkung des Grundrechtes auf Bildung für MigrantInnenkinder.«

Der neue Schulsenator Rudolf Lange könnte sich damit verteidigen, dass er noch neu im Geschäft ist. Bis zum Wahlkampf leitete er als Konteradmiral die Führungsakademie der Bundeswehr, wo die Offiziersausbildung stattfindet. Tipps dafür, wie Schule funktionieren sollte, holte er sich letzte Woche bei der Hamburger Handelskammer, die für mehr Konkurrenz, Elite und die Förderung von leistungsstarkem Nachwuchs eintritt.