Rot-roter Solidarpakt

Arbeit, nichts als Arbeit

»Arbeit soll das Land regieren!« Das klingt zwar wie eine 60 Jahre alte deutsche Weisheit, ist aber eine jüngst im Bundestagswahlkampf verwendete Parole deutscher Sozialisten, ostdeutscher Sozialisten wohlgemerkt. Jener PDS-Funktionäre nämlich, die bis heute nicht verstanden haben, dass die Diktatur der Arbeit nicht dasselbe ist wie eine Diktatur der Arbeitklasse.

»Arbeit soll das Land regieren!« Was diese Forderung bedeutet, zeigt ein Blick in die Hauptstadt. Im Land Berlin ist es nämlich bereits so weit. Da regiert eine Koalition aus SPD und PDS - und mit den ostdeutschen Sozialisten auch die Liebe zur Arbeit. Es ist eine uneingeschränkte Liebe. Zwar hat der Drang zur Arbeit gar nichts mit der uneingeschränkten Solidarität zu tun. Doch allein wegen des Gleichklangs fordern SPD und PDS einen Solidarpakt für Berlin.

»Arbeit soll das Land regieren!« Das sieht dann so aus: 140 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst Berlins lieben ihre Arbeit so sehr, dass sie dafür Opfer bringen sollen - ihren Lohn, zumindest einen Teil davon. Es soll kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, keine Lohnerhöhungen und keinen Tarifvertrag mehr geben. Dafür verspricht die rot-rote Koalition der Hauptstadt nur eines: die Arbeit bleibt.

»Arbeit soll das Land regieren!« Kosten allerdings darf sie nichts. Oder zumindest nicht so viel. Bisher fließen jährlich 7,2 Milliarden Euro in den öffentlichen Dienst der Hauptstadt. Eigentlich sind das 7,2 Milliarden Euro zu viel. Denn Berlin ist pleite. Also heißt es sparen, freilich ohne das Primat der Arbeit anzukratzen. Um eine Milliarde Euro will der Senat seine jährlichen Personalkosten senken.

»Arbeit soll das Land regieren!« Das findet die PDS nach wie vor. Sie sieht die Diktatur der Arbeit gefährdet. Und deswegen soll es im öffentlichen Dienst Berlins keine Kündigung geben, keine einzige. Die SPD sieht das übrigens ganz genauso. Denn wer nicht arbeitet, könnte am Ende noch auf dumme Gedanken kommen.

»Arbeit soll das Land regieren!« Nicht um jeden Preis freilich. Je günstiger, desto besser. Nominal wollen SPD und PDS den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das jährliche Salär um etwa ein Achtel kürzen. Der Tarifvertrag ist also hinfällig. Andere Bundesländer könnten dem Beispiel folgen.

»Arbeit soll das Land regieren!« Das finden die Gewerkschaften eigentlich auch. Mit dem »Bündnis für Arbeit« führten sie einen Tausch der besonderen Sorte ein: Lass mir die Arbeit, ich schenke dir einen Teil des Lohns. Wird dieses Prinzip nun »Solidarpakt« genannt, so wollen die Gewerkschaften nicht mehr mitmachen. Der Deutsche Beamtenbund, die Gewerkschaft der Polizei und die Dienstleistungsgewerkschaft verdi sind sich einig; sie wollen keinen Lohnverzicht. Zumindest nicht in dieser Höhe.

»Arbeit soll das Land regieren!« Darin stimmen also PDS, SPD und Gewerkschaften überein, wenn sie Ende Oktober erneut über den Solidarpakt verhandeln. Dann wird gejammert über die Finanzen der Stadt. Und darüber, dass Menschen ohne Arbeit nicht sein können/sollen/wollen, dass in einer Solidarpaktgemeinschaft alle zusammenhalten müssen. Am Ende wird man sich einigen. Oder auch nicht. Das hätte wenigstens einen Unterhaltungswert. Das einzig Interessante an der Arbeit ist schließlich der Arbeitskampf.