Gefährliche Ausreise

Die Abschiebungen in den Iran häufen sich. In der nächsten Woche soll eine Familie aus Troisdorf abgeschoben werden. Das Ehepaar ist in der Sozialistischen Partei Irans aktiv. von wahied wahdathagh

Am Tag vor Silvester sollten Maryam Andarpori und ihre zwei Töchter sich um zehn Uhr morgens im Rathaus in Troisdorf einfinden. Und zwar mit gepackten Koffern. Denn sie sollten in den Iran abgeschoben werden. Andarporis Mann, Mohammad Lofti, hatte sich bereits entschlossen, seine Familie zu begleiten. Doch nach Protesten und einer Demonstration in Troisdorf, die von der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen organisiert worden war, wurde die Abschiebung um zwei Wochen aufgeschoben.

Als die Familie vor sechs Jahren nach Deutschland floh, wurde ihr in der ersten Instanz politisches Asyl nach Artikel 16 des Grundgesetzes gewährt. Später legte jedoch das Bundesamt für Asyl Widerspruch ein. Es kam zu einem Gang durch die juristischen Instanzen, zuletzt wurde der Asylantrag vom Oberverwaltungsgericht Münster abgelehnt.

Doch Andarpori und Lofti sind nicht untätig. Seit knapp einem Jahr engagieren sie sich in Deutschland in der Sozialistischen Partei Irans (SPI). Sie beteiligten sich an vielen öffentlichen Protestaktionen gegen das Regime im Iran und riefen zur Unterstützung der dortigen ArbeiterInnen- und Studentenbewegung auf. Wie der Generalsekretär der SPI, Fereidoun Gilani, am 1. Januar 2003 an das Verwaltungsgericht Köln schrieb, sei Maryam Andarpori »für die Kontakte in den Iran designiert. Das beinhaltet Verbindungen zur Studentenbewegung und zur Bewegung der Arbeiter in der Ölindustrie«. Sollte Maryam Andarpori tatsächlich abgeschoben werden, würde sie wegen ihrer Aktivitäten »auf der Stelle hingerichtet werden«.

Abschiebungen in den Iran sind längst keine Einzelfälle mehr. Nach Informationen des Bundesinnenministeriums wurden im Jahr 1995 68 Iraner von Deutschland in den Iran abgeschoben, 1996 waren es 77, 1997 131, 1998 ebenfalls 131 und 1999 102 Personen. Im Jahr 2000 betrug die Zahl 103, im Jahr 2001 126. Für das Jahr 2002 liegen noch keine genauen Zahlen vor.

Anfang der neunziger Jahre gab es de facto noch einen Abschiebestopp. Nur vereinzelt wurden Iraner in ihr von den Mullahs regiertes Land abgeschoben. Zwar hat sich die Lage für nicht islamistische politische Gegner des Regimes nicht verändert, aber die systematischen Menschenrechtsverletzungen im Iran gelten heute nicht mehr als ein Hindernis für die Abschiebung von Oppositionellen.

Auch wenn in den vergangenen Jahren oft die Rede war von der »islamischen Demokratie« und der »islamischen Zivilgesellschaft«, wurden die Proteste der Intellektuellen, der Schriftsteller, der Studenten und der Arbeiter im Land weiter brutal unterdrückt. Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen vermutet, »dass die in den letzten Jahren immer intensiver gewordenen Beziehungen auf wirtschaftlicher und auch politischer Ebene zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der islamischen Republik Iran bei der Frage von politischem Asyl eine Rolle spielen«. Die Ablehnung des Asyls für die Familie Lofti-Andarpori sei »ein gezielter Angriff auf eine für deutsche Wirtschaftsinteressen unbequeme Oppositionspartei«.

Die deutschen Behörden jedoch arbeiten mit einer Zermürbungstaktik und fordern die Flüchtlinge zur »freiwilligen« Ausreise auf. Angesichts der drohenden Abschiebung tauchen viele Flüchtlinge in die Illegalität ab. Die sozialen Folgen, von finanziellen Problemen bis zur fehlenden medizinischen Behandlung, nehmen sie in Kauf, da die Angst vor dem Tod in der Diktatur überwiegt.

Nach der Auskunft von Gilani sei vor wenigen Wochen auch ein 20jähriger Iraner, der im Alter von elf Jahren nach Deutschland gekommen war, in den Iran abgeschoben worden. Kamjar Arefi soll kaum persisch gesprochen haben. Im November des vergangenen Jahres wurde der Flüchtling Eshagh Alishahi nach einer Entscheidung der Kreisverwaltung Trier in den Iran abgeschoben. Seitdem gilt er als verschollen.

Ein 29jähriger Iraner wurde auf Anweisung derselben Kreisverwaltung im November im Gerichtssaal verhaftet, nachdem über seinen Asylfolgeantrag verhandelt worden war. Das Gericht war der Überzeugung, dass der Iraner untertauchen könnte. Sein Anwalt konnte lediglich eine Duldung erwirken. Bevor der Mann aus dem Iran fliehen konnte, war er von der islamistischen Hizbollah-Miliz festgenommen und misshandelt worden. Die deutschen Richter wollten jedoch keine Gefährdung bei einer möglichen Abschiebung erkennen.

Dabei werden die iranischen Oppositionellen sehr genau von den Agenten der iranischen Auslandsvertretungen beobachtet und registriert. Offiziell dürften nur die Iraner in ihr Land zurückkehren, die »während ihres Aufenthaltes im Ausland nicht gegen die islamische Republik Iran aktiv waren«, erklärt Pro Asyl. Zwar werden die Exiliraner immer wieder aufgefordert, in den Iran zurückkehren, aber nur dann, wenn sie sich nicht an Aktivitäten gegen den Gotteststaat beteiligt hätten.

Es gilt als sicher, dass Mitglieder von politischen Organisationen und Parteien im Falle ihrer Abschiebung im Iran inhaftiert werden und mit erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu rechnen haben. Aber nur selten werden Fälle wie der des aus Österreich abgeschobenen Javad Jaffarzadeh bekannt, der »Selbstmord« beging, nachdem er am 6. Februar 1993 zwangsweise in den Iran zurückgeführt worden war.

Inzwischen kritisiert auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die restriktive deutsche Flüchtlingspolitik. In einer Erklärung vom 19. Dezember appelliert das UNHCR an die Bundesregierung, ihre Vorbehalte gegen die EU-Richtlinie zum Flüchtlingsbegriff aufzugeben. Das Ziel eines Treffens der Innen- und Justizminister der Europäischen Union (EU) in Brüssel, das am gleichen Tag begann, war es, eine Harmonisierung des Asylrechts zu erreichen. Hierzu sollte auch der Schutz für die Opfer nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention gehören.

Nur Deutschland verweigerte seine Zustimmung. Das UNHCR kritisierte in seiner Erklärung vom 19. Dezember 2002: »Darüber hinaus wendet sich Deutschland gegen die Bestimmung, nach der menschenrechtliche Abschiebungshindernisse für Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung gelten sollen, die von nicht staatlichen Stellen ausgehen. Diese Regelung entspricht jedoch auch der Auffassung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs.«

Stefan Berglund, der Vertreter des UNHCR in Deutschland, warnt davor, dass die restriktive deutsche Praxis zum europäischen Maßstab werden könnte. Und auch Pro Asyl fordert, dass die Bundesrepublik ihre Vorbehalte gegenüber den EU-Richtlinien zur Gewährung von Asyl aufgibt und endlich ein europäisches Asylrecht ermöglicht.

Die sich häufenden Abschiebungen in den Iran sind ein gefährliches Signal für die Menschen, die von dort geflohen sind und in Deutschland Schutz suchen. Während viele iranische Frauen hoffen, dass eines Tages geschlechtsspezifische Fluchtgründe auch für sie zur Geltung kommen, könnten die schlimmsten Befürchtungen wahr werden, wenn sich die deutschen Vorstellungen in der Flüchtlingspolitik in Europa durchsetzen.