Wer wohl am besten rede

Subcomandante Marcos hat den spanischen Richter Garzón zu einem Streitgespräch über das Baskenland herausgefordert.

Termin: 3. bis 10. April 2003, Ort: Lanzarote, Kanarische Inseln, Thema: der Konflikt um das Baskenland. Es treten an: Subcomandante Insurgente Marcos, Rebell, und Fernando Baltasar Garzón Real, Richter. So zumindest sehen es die Planungen des Zapatisten aus dem südmexikanischen Chiapas vor. Ob sein Partner sich auf das von Marcos vorgeschlagene Rededuell tatsächlich einlassen wird, ist bislang noch ungewiss. Er werde »im geeigneten Moment« auf den Vorschlag antworten, ließ der spanische Jurist kurz vor Weihnachten wissen.

Dabei war es Garzón selbst, der den Sprecher der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) zum Gespräch eingeladen hatte: »Ich fordere Sie heraus, wann und wo immer Sie wollen.« Von Angesicht zu Angesicht, ohne Maske und Tarnung könne man über Terrorismus, Würde, Politik, Kampf, Rebellentum und Gerechtigkeit reden, antwortete der Richter auf einen Ende November veröffentlichten Brief, in dem der Maskierte aus dem Lakandonischen Urwald den Spanier wegen seiner Verfolgung der baskischen Opposition angegriffen hatte.

In diesem Schreiben, das an ein Treffen globalisierungskritischer Gruppen in Madrid gerichtet war, beschimpfte Marcos den »grotesken Clown Garzón« als »Arm der politischen Klasse Spaniens«. Mit dem Verbot der linksnationalistischen Batasuna habe der Richter seine »wahre faschistische Gesinnung offenbart« und dem »baskischen Volk« das legitime Recht auf seinen politischen Kampf abgesprochen. Dass Garzón einst Augusto Pinochet angeklagt hatte, habe dem chilenischen Ex-Diktator lediglich einen bezahlten Urlaub in Europa eingebracht, schrieb Marcos.

Solche Sätze kamen nicht nur bei dem spanischen Richter schlecht an, schließlich hat Garzón bei vielen lateinamerikanischen Linken wegen seiner Anklage gegen Pinochet einen guten Ruf. Der mexikanische Autor Carlos Monsiváis wies Marcos zurecht und betonte, dass erst der Prozess gegen den ehemaligen chilenischen Staatschef den Rahmen für eine strafrechtliche Verfolgung weiterer ehemaliger Diktatoren aus Lateinamerika geschaffen habe.

Es lohne sich zwar, darüber zu reden, dass Garzón mit seinem Vorgehen im Baskenland das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränke. »Doch die Akte von Batasuna ist sehr dick, und sie zeigt, dass sich die Gruppe einer terroristischen Logik untergeordnet hat«, so Monsiváis, der in Mexiko zu den bedeutendsten intellektuellen Sympathisanten der EZLN zählt. Mit intoleranter Sprache, radikalem Gehabe und leichtfertigen Witzen habe sich Marcos hinter die Separatistenorganisation Eta gestellt, hinter eine der »am meisten disqualifizierten Gruppen der Welt«.

Solche Kritik dürfte dem Zapatisten zugesetzt haben. Jedenfalls sind die späteren Schreiben, mit denen er Anfang Dezember seinen Vorschlag publik machte, wesentlich zurückhaltender. In mehreren Briefen wandte er sich an Garzón, die spanische und die baskische Öffentlichkeit, die baskische Linke und an die Eta.

Schließlich soll »parallel, nicht gleichzeitig« zum Rededuell ein Treffen aller politischen, sozialen und kulturellen Kräfte stattfinden, »die vom baskischen Problem betroffen« sind. Eine Kampagne mit dem Namen »Den Worten eine Chance« soll in den nächsten Monaten »die spanische Regierung und die Eta dazu drängen, auf der ganzen iberischen Halbinsel angemessene Bedingungen für das Treffen zu schaffen«.

Nach den Vorstellungen von Marcos werden auch Vertreter der Eta an diesen Gesprächen teilnehmen. Im Namen »all meiner Compañeros und Compañeras« bittet er die Separatisten darum, »einen einseitigen Waffenstillstand für 177 Tage auszurufen, beginnend am Morgen des 24. Dezember 2002«. Gleichzeitig distanziert er sich in seinem Brief vom bewaffneten Kampf der Eta.

Während die EZLN nie Aktionen gegen Zivilisten durchgeführt habe, hätten die Angriffe der Eta »nicht wenige zivile Opfer gefordert. Darunter Personen, die mit unserer Sache sympathisiert haben, und die wie die anderen zivilen Opfer mit der Qual gestorben sind, nicht zu wissen weshalb«. Falls sich die Eta nicht auf die Gespräche einlasse, böte er sich als Opfer für ihren nächsten Angriff an. »Sie könnten mich dann beschuldigen, mit dem spanischen Staat zu kollaborieren«, schreibt Marcos.

Doch so scharf die Vorwürfe des Subcomandante an die Eta ausfallen, so selbstverständlich gilt seine Solidarität dem Kampf des »baskischen Volkes«. Mit keinem Wort kritisiert er die von vielen spanischen Linken abgelehnte ethnizistische Politik der Separatisten. Das ist nicht unbedingt verwunderlich, schließlich spielt auch in der indigenen Opposition Mexikos die kulturelle Gemeinsamkeit eine große Rolle, wenn auch unter anderen Vorzeichen.

Um sich nach Jahrhunderte langer Marginalisierung gegen den Rassismus der mestizischen Dominanzgesellschaft zu organisieren, beziehen sich Indigenas auf gemeinsame »usos y costumbres« – Gebräuche und Sitten –, die teilweise auch reaktionären Charakter haben. Vom Ziel einer »indigenen Nation« in Abgrenzung etwa zur mexikanischen ist freilich nicht die Rede. Im Gegenteil, Marcos besteht geradezu auf der Parole: »Wir sind alle Mexikaner.« Für viele baskische Nationalisten hingegen sind »die Spanier« zum Feindbild geworden. Mit der Forderung nach einem »Selbstbestimmungsrecht der Völker«, die bei vielen lateinamerikanischen Linken immer noch hoch im Kurs steht, werden solche unterschiedlichen Ausgangspunkte gefährlich nivelliert.

Dennoch setzte Marcos einiges in Gang. Bereits am 22. Dezember trafen sich in Madrid Vertreter der so genannten Zivilgesellschaft, um das Rededuell vorzubereiten. Über den Gewinner des Streitgespräches soll eine siebenköpfige Jury entscheiden. Der »fahrende Ritter« Marcos »überlässt Señor Fernando Baltasar Garzón Real das Privileg, vier der Juryteilnehmer zu ernennen«. Die anderen drei werden von der EZLN benannt.

Sollte Garzón gegen den Mexikaner gewinnen, »soll er das Recht haben, diesen einmal, vor wem auch immer er es wünscht, zu demaskieren«. Im anderen Fall soll der Richter den Zapatisten bei ihren Klagen gegen den mexikanischen Staat rechtlichen Beistand leisten.