Angriff als Verteidigung

Prozess gegen Berlusconi

Silvio Berlusconi hat wieder einmal eine Niederlage vor Gericht in einen politischen Angriff auf den Richterstand umgewandelt. Der oberste italienische Gerichtshof lehnte am Dienstag der vergangenen Woche einen Antrag ab, die Prozesse gegen den Regierungschef und seinen ehemaligen Verteidigungsminister und Anwalt Cesare Previti wegen Befangenheit der Richter in Mailand einem anderen Gericht in Brescia oder Perugia zu übertragen. Das neue Gericht hätte die Verfahren, die bereits seit mehr als 30 Monaten andauern, wieder neu aufrollen müssen und die Anschuldigungen bald für verjährt erklären können.

Berlusconi und das Parlamentsmitglied Previti sind wegen Bestechung und Bilanzverschleierung angeklagt. Sie beriefen sich mit ihrem Antrag auf das neue Cirami-Gesetz, mit dem eine alte Vorschrift des faschistischen Rechts wieder eingeführt wurde. Es ermöglicht den Angeklagten die Ablehnung eines Gerichtes, wenn ein »berechtigter Verdacht« auf Befangenheit besteht.

Nach der Meinung Berlusconis und Previtis sei das Mailänder Gericht, das dafür bekannt wurde, die wichtigsten Korruptionsprozesse in den neunziger Jahren geführt zu haben, voll von »roten Roben«, die allein die politischen Interessen des »Widerstandes« verträten. Mit dieser Anschuldigung geht Berlusconi jetzt auch gegen den obersten Gerichtshof vor, denn mit dem Urteil habe sich der Richterstand lediglich selbst freigesprochen.

Doch Berlusconi und Previti wollen noch mehr. Der Weg zum Freispruch soll über die Entrechtung des Richterstandes führen. So forderte Berlusconi zunächst die Abschaffung eines Gesetzes aus dem Jahr 1993, das die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten ermöglicht. Die Gesetzesinitiative stammte damals von der Alleanza Nazionale und der Lega Nord. Dass er gegen eine Errungenschaft aus den eigenen Reihen vorgeht, scheint ihn nicht zu stören.

Zudem gebärdet sich Berlusconi weiterhin als Populist. »Die Regierung gehört dem Volk und denen, die es vertreten, nicht denen, die eine Robe tragen«, polemisierte er nach der Urteilsverkündung. Nach seinen Plänen soll nun das Parlament, das »Haus der Freiheit«, wie er es nennt, zunächst die Abgeordnetenimmunität wieder einführen und eine Justizreform erarbeiten, die eine Trennung der Laufbahnen von Richtern und Staatsanwälten vorsieht.

Auf diese Bedrohung der Unabhängigkeit des Richterstandes reagierte der nationale Richterbund bislang nur verhalten. Man wolle das Niveau der Auseinandersetzung nicht zu hoch treiben, hieß es. Zwar kritisieren die Richter Berlusconis Angriffe auf die Justiz, über die Prozesse selbst möchte man sich allerdings nicht äußern. Ob das allerdings reichen wird, eine Aushöhlung des italienischen Justizsystems zu verhindern, ist fraglich.

Denn Berlusconi wird seinen Kampf gegen die Justiz fortsetzen; einen Kampf, der die italienische Demokratie gefährdet. Wegen der für ihn ungünstigen Entscheidung der Richter drohte er in der vergangenen Woche bereits mit Neuwahlen.

elena tebano