Slalom der Wehrmacht

Der kroatische Skiläufer Ivica Kostelic vergleicht sich mit einem deutschen Soldaten vor dem Angriff auf die Sowjetunion und löst damit einen Medienkrieg im eigenen Land aus. von vali djordjevic

Endlich läuft es gut für Ivica Kostelic. Nach vielen Verletzungen fährt der 24jährige endlich vorne im Weltcup mit. In seiner Lieblingsdisziplin, dem Slalom, führt er sogar deutlich vor dem Österreicher Rainer Schönfelder.

In Kroatien ist Kostelic deswegen ein Volksheld. Um das Cross-Media-Marketing zu vervollständigen, tritt er ab und zu musikalisch an der E-Gitarre auf, mit einer Art kroatischer All-Star-Band gibt er dann Klassiker des Rock’n’Roll zum Besten. Eigentlich könnte Kostelic also ganz zufrieden sein.

Hätte er nur seinen Mund gehalten! Nach dem Sieg im Weltcup-Slalom in Kranjska Gora beantwortete er die Frage eines Journalisten nach dem Geheimnis seines Erfolges damit, dass er bereit gewesen sei »wie ein deutscher Soldat am 22. Juni 1941«. An jenem Tag begann der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Es war nicht das erste Mal, dass Kostelic mit umstrittenen Aussagen auffiel.

Die Wochenzeitung Nacional, ein bürgerlich-liberales Blatt, nahm den Vergleich nun zum Anlass, bisher zurückgehaltene Teile eines Interviews vom Sommer des vergangenen Jahres zu veröffentlichen, in dem Kostelic sich ausführlich über den Nationalsozialismus äußerte. So zeigte er sich von der Feuerkraft der deutschen Wehrmacht sehr beeindruckt: »Der Anblick beim Angriff auf England? Das war genauso wie bei ›Krieg der Sterne‹. 2 000 Flugzeuge auf einem Gebiet von zwei- bis dreihundert Quadratkilometern. Da gibt es viel, was mich fasziniert. Im Dritten Reich waren 2 000 Jahre römische Geschichte komprimiert in zehn Jahren.«

Auf die Frage, wie er die Idee des Nationalsozialismus beurteilt, antwortete Kostelic: »Das ist schwer zu verwirklichen, die ganze Ideologie war etwas zu extrem. Aber der Kommunismus existierte auch fast 100 Jahre, und meiner Meinung nach war er schlimmer als der Nationalsozialismus. (…) Der Nazismus war ein gesundes System für jemanden, der ehrgeizig war. Im Kommunismus durftest du nicht ehrgeizig sein, und beide Systeme waren totalitär.«

Nacional stellte eine Audiodatei des Interviews auf seinen Server, die nach den Angaben des Magazins bisher mehr als 5 000 Mal heruntergeladen wurde.

Ivicas Vater, Ante Kostelic, der gleichzeitig sein Trainer ist, wertete die Veröffentlichung als persönlichen Angriff auf seine Familie. Allerdings hatte er sich zu Beginn des Jahres selbst in die Schlagzeilen gebracht. Er erläuterte dem Wochenmagazin Globus in einem Interview seine persönliche Übermenschentheorie, nach der Landesführer auch körperlich fit sein und am besten schwarze Haare und blaue Augen haben müssen. Den kroatischen Präsidenten Stjepan Mesic bezeichnete er als »Schwachkopf« und erklärte, dass seine Familie nicht plane, in Kroatien Steuern zu zahlen, da sie mit ihren sportlichen Erfolgen dem Land schon ausreichend diene.

Daraus entstand eine Medienaffäre, die die kroatische Öffentlichkeit spaltete. Anhänger der Familie Kostelic sprachen von Missverständnissen und von aus dem Zusammenhang gerissen Aussagen; die Medien, die die Geschichte veröffentlichten, wurden als kroatenfeindliche Boulevardblätter beschimpft. Auch die Politik schaltete sich ein. »Die Familie Kostelic ist ein Beispiel dafür, wie Kroatien aussehen soll. Fleiß, Ausdauer, Heimatliebe: all diese kroatischen Werte schmücken diese Familie, sodass ich behaupte, dass die Medienkampagne gegen diese ehrenhafte Familie geradezu eine Kampagne gegen diese grundlegenden kroatischen Werte ist«, kam der Parteichef der Kroatischen Rechtspartei (HSP), Ante Djapic, den Kostelics zu Hilfe.

Der bald auch von ausländischen Medien wiedergegebene Faschismusvergleich Ivicas verunsicherte schließlich den österreichischen Sponsor des kroatischen Ski-Teams, die Bank Hypo Alpe Adria, sodass er um eine Stellungnahme des Skifahrers bat. Kostelic beteuerte daraufhin, er verachte den Nationalsozialismus und sehe ihn als eines der größten Übel der Weltgeschichte an. Im Übrigen seien die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er entschuldigte sich für die »ungeschickte Verwendung einer unglücklichen Metapher«, die unter dem Eindruck eines Dokumentarfilms über den Zweiten Weltkrieg, den er einige Tage vorher gesehen habe, entstanden sei.

Diese wirre Mischung aus der Begeisterung für Schlachten mit großem Gerät und krudem Geschichtsdarwinismus ist nichts Außergewöhnliches auf dem Balkan. Die Nationalisierung der letzten 15 Jahre hat ihre Spuren hinterlassen, die durch die Demokratisierung der letzten Zeit nicht verwischt wurden. Die Aussagen Kostelics sind kein Einzelfall, sondern fügen sich ein in das Muster von nationaler Arroganz, bei dem es nur darum geht, wer der Bessere und Stärkere ist. Die Faszination für das Deutschtum ist dabei nur ein Aspekt, der allerdings Tradition hat.

Der kroatische Fußballnationaltrainer Miroslav Blazevic zum Beispiel erklärte 1996 während der Europameisterschaft in England, wie er die Deutschen besonders mochte: »Am liebsten in Panzern oder in Stukas.« Und er fuhr fort: »Im Übrigen haben die Deutschen in dieser Meisterschaft die Russen so zusammengeschlagen, dass damit Stalingrad und alles andere vergolten ist.« Solche Ausfälle werden von vielen Kroaten nicht verurteilt, sondern als gute Witze gewürdigt.

Die kroatische Ustascha, die mit den Nazis kollaborierte, wurde in den letzten zwölf Jahren systematisch rehabilitiert, vor allem um das Nationalgefühl in den Tagen des »Heimatkrieges«, wie der kroatisch-serbische Bürgerkrieg der neunziger Jahre genannt wird, zu stärken.

Die Wochenzeitschrift Feral Tribune stellt die Affäre Kostelic in diesen Zusammenhang: »Während der letzten 13 Jahre wurde eine ganze gesellschaftliche Infrastruktur errichtet, die dafür gesorgt hat, dass der Faschismus in das so genannte normale politische Leben eingeordnet wurde, indem er zu einer legitimen ›demokratischen Strömung‹ gemacht wurde, die zahlreiche und lautstarke Anhänger hat und sich damit rechtfertigt, dass ›unser Ustaschatum nicht faschistisch ist‹.«

Auch Nacional kam zu ähnlichen Ergebnissen. Dabei sieht das Magazin die kroatischen Sportler an der Spitze des rechten Mainstream: »Während in demokratischen Ländern die Konservativen für demokratische Werte eintreten, ist das in Kroatien nur ein Vorwand für die Nostalgie gegenüber dem Ustaschatum und der Negation der liberalen Demokratie.«

Antifaschismus wird in Kroatien mit Kommunismus gleichgesetzt, der wegen der jugoslawischen Erfahrung nach dem zweiten Weltkrieg vor allem bei den Nationalisten komplett diskreditiert ist. Ivica Kostelics These von der Gleichwertigkeit von Kommunismus und Faschismus gehört zum anerkannten Diskurs in der politisch-gesellschaftlichen Öffentlichkeit.

Kostelic hat aus seiner Äußerung immerhin gelernt, dass er nicht fürs Reden bezahlt wird, sondern fürs Skifahren. Auf der offiziellen Pressekonferenz des kroatischen Skiverbandes meinte er zu der ganzen Affäre: »Das ist mir eine Lehre für das ganze Leben. Ich weiß, dass ich in Zukunft in der Öffentlichkeit nur über Sport reden werde.«