United We Stand

Kriegsdrohung gegen den Irak

»Ich habe sehr wenige Menschen getroffen, die gegen eine amerikanische Intervention waren«, stellte der Berichterstatter der International Crisis Group (ICG) im Dezember am Ende einer Untersuchung im Irak konsterniert fest. Die ICG, eine der Friedensbewegung nahe stehende Organisation, hatte die Möglichkeit, Menschen im Irak zu interviewen. Das Ergebnis der Studie entspricht dem, was oppositionelle irakische Quellen seit Monaten melden. Die Bevölkerung des Landes fürchtet den gegenwärtigen Zustand mehr als die US-amerikanische Kriegsdrohung und hofft auf eine baldige Befreiung von der Diktatur Saddam Husseins.

Dabei hätte sie allen Grund, dem US-amerikanischen Versprechen eines grundlegenden Regimewechsels zu misstrauen. Denn es gibt bislang kein Vorbild für eine Intervention, die zur Demokratisierung eines Landes geführt hätte. Sehr wohl kennt die Geschichte aber eine Reihe von Interventionen und Staatsstreichen, an denen der Westen beteiligt war und die zur Etablierung antidemokratischer Regimes führten. In vielen Ländern leidet die Bevölkerung bis heute unter deren Folgen. Dass viele Iraker dennoch einen Militärschlag für das kleinere Übel halten, stürzt nicht nur Organisationen wie die ICG in Verwirrung.

So titelte der libanesische Daily Star in der vergangenen Woche: »Iraker wollen Saddam loswerden.« Und die ägyptische Tageszeitung Al Ahram konstatierte, Saddams Aufruf zum »Heiligen Krieg« werde »weder von der irakischen Bevölkerung noch von der islamischen Welt« ernst genommen. In den arabischen Nachbarländern sorgt die Vorstellung einer irakischen Bevölkerung, die US-Soldaten als Befreier begrüßt, für Verunsicherung, zerstörte sie doch den jahrzehntelang gepflegten Mythos vom »arabischen Volk« als Opfer fremder imperialistischer Mächte.

Entsprechend panisch fallen derzeit die Reaktionen aus. Während einige arabische Kommentatoren wie Edward Said irakische Oppositionelle einfach als »Verräter« denunzieren, drängen die Regierungen auf einen Machtwechsel in Bagdad ohne gewaltsamen Umsturz und amerikanische Unterstützung. Sie betrachten einen Putsch als kleineres Übel, weil auch sie vermuten, dass der Wille der Irakis auf Dauer nicht mehr von Saddam Hussein zu unterdrücken ist.

Die Bundesregierung hält dagegen an ihrem außenpolitischen Kurs fest. Auf seiner Nahostreise betonte Joseph Fischer stets, den Deutschen gehe es keineswegs um einen Regimewechsel im Irak. Auch dort, wo man angeblich nur das Wohl des »irakischen Volkes« im Sinne hat und Regierungsverlautbarungen traditionell skeptisch gegenübersteht, will man vom Wunsch der Bevölkerung nach Befreiung nichts wissen. Einem großen Teil der Friedensbewegung geht es um einen vermeintlich höheren moralischen Wert, der nur zu wahren ist, wenn ein gewaltsamer Regimewechsel ausbleibt. Notfalls auch gegen den Willen der Bevölkerung.

Während eine deutsche Irakdelegation das »US-Regime« für das Hauptproblem hält, will eine Aktion »Lebendiges Schutzschild«, die als Spendenkonto ein »Komitee gegen Isolationshaft« angibt, im Folterstaat Irak nicht Gefangene schützen, sondern sich »an Brücken ketten«. Um solche Solidaritätsaktionen zum Schutz irakischer Panzerstraßen das richtige Outfit zu verleihen, stellt Attac-Deutschland vorgefertigte Demoslogans zum Downloaden bereit. Wer sich hinter einem Transparent mit der Aufschrift »We are all Iraqis« unwohl fühlt, kann sich auch den Spruch »United we stand« ausdrucken, eingerahmt von einer deutschen und einer irakischen Flagge.