Gesundes Kapital

Bericht der Rürup-Kommission von kai-uwe helmers

Stellen Sie sich vor, Sie lassen bei Ihrem Hautarzt einen Allergietest machen. Um die Pflaster zu wechseln, besuchen Sie den Arzt dreimal in der Woche. Geht es nach den Vorschlägen der so genannten Rürup-Kommission, kostet Sie das 45 Euro.

Der Bericht dieser Kommission, der in der vergangenen Woche vorgestellt wurde, hat es in sich. Neben einer Gebühr von 15 Euro pro Arztbesuch sind auch höhere Zuzahlungen für Arzneimittel vorgesehen. Für viele Menschen würde das in Zukunft heißen: Gesund bleiben, denn Krankheit kann man sich nicht mehr leisten.

Noch ist nicht sicher, ob alle Vorschläge auch verwirklicht werden. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) plant zum Teil etwas anderes. So solle nur derjenige Gebühren für einen Arztbesuch zahlen, der zu einem Spezialisten geht, bevor er seinen Hausarzt aufsucht. Auch Bert Rürups Vorschlag, dass jeder gleich hohe Krankenversicherungsbeiträge zahlen soll, unabhängig von seinem Einkommen, und der Staat für den sozialen Ausgleich sorgen soll, hat wenig Chancen. Diesen Plan lehnte Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits vor Monaten ab.

Rürups inoffizieller Gegenspieler, Karl Lauterbach, der Berater von Ulla Schmidt, befürwortet hingegen eine gesetzliche Versicherungspflicht für alle. Doch auch dieser Vorschlag wird wahrscheinlich nicht verwirklicht. Die einflussreichen Privatversicherungen hätten wohl etwas gegen ihre faktische Abschaffung.

Die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung dürfte jedoch in jedem Fall der Vergangenheit angehören. Bisher zahlen die Unternehmer die Hälfte der Versicherungsbeiträge. Im Grunde ist das ein Teil des Lohnes, der direkt an die Kassen abgeführt wird. Nun sollen die Versicherungskosten für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle allein den Lohnabhängigen aufgebürdet werden.

Die Unternehmer zahlten dann nur noch 47,5 anstatt 50 Prozent der Beiträge zur Krankenversicherung. Vom durchschnittlichen Beitragssatz von 14,4 Prozent im Westen entfielen dann 7,6 Prozent auf die Beschäftigten (statt wie bisher 7,2 Prozent) und auf die Unternehmer nur noch 6,8 Prozent. Eigentlich handelt es sich um eine Lohnkürzung um ein halbes Prozent.

Außerdem soll der Wettbewerb im Gesundheitswesen gesteigert werden. Ulla Schmidt spricht von der Erschließung von »Effizienzreserven«. Dadurch sollen die Kosten gesenkt und die Qualität soll verbessert werden. Doch tatsächlich muss die Qualität gegen den Wettbewerb verteidigt werden. Denn die Kosten werden gesenkt, indem etwa die Arbeitsintensität in den Krankenhäusern erhöht oder die gleiche Arbeit für weniger Geld geleistet wird.

Die Gesetze zu den Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen sollen noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Schließlich will man 25 bis 30 Milliarden Euro einsparen. Die Medizin wird mit solchen »Reformen« mehr und mehr dem freien Markt ausgeliefert. Und die zum Teil durchaus progressiven Vorhaben Ulla Schmidts, wie etwa die Entmachtung der Standesorganisationen der deutschen Ärzteschaft, dürften im Bundesrat an der Union scheitern.

Über die unsozialen Veränderungen im Gesundheitswesen herrscht jedoch längst Einigkeit zwischen der Regierung und der Opposition. Es soll kräftig umverteilt werden von unten nach oben, und die Medizin soll ein Wirtschaftssektor wie jeder andere werden.