Kultur ohne Putz

Das Haus Schwarzenberg wird versteigert

Das Haus fällt auf. Es widersteht dem Schick, es glänzt nicht, es ist grau und unrenoviert, von den Wänden blättert der Putz. Im Café Cinema sitzen Studenten und trinken einen Milchkaffee. »Früher sah der ganze Kiez so aus«, sagt einer zu seinen zugereisten Freunden.

Im Haus Schwarzenberg in der Rosenthaler Straße am Hackeschen Markt lebt der Mythos von Berlin-Mitte als Zentrum der alternativen Kultur weiter. Noch, denn am 24. April soll der Gebäudekomplex versteigert werden. Die Erben des von den Nazis enteigneten und in Auschwitz ermordeten Eigentümers Ernst Wachsner leben heute auf vier verschiedenen Kontinenten und wollen das Haus verkaufen. Wenn die Hausgemeinschaft gegen die bereitstehenden Investoren mithalten will, muss sie viel Geld aufbringen, denn der Verkehrswert des Anwesens beträgt 3,4 Millionen Euro.

Unter dem Dach des gemeinnützigen Schwarzenberg e.V. siedelten sich verschiedene Einrichtungen an. Neben Kneipen, Kunstateliers und einem Kino gibt es auch Ausstellungen des Jüdischen Museums und des Anne-Frank-Zentrums. Öffentliche Fördermittel erhält das Haus nicht. »Wir subventionieren uns intern mit einem Kultureuro«, sagt Henryk Weiffenbach vom Vereinsvorstand. Den gestaffelten Kulturbeitrag zahlen die gewerbetreibenden Mieter, zu denen etwa Medienbüros oder einige Galerien gehören. Insgesamt arbeiten in den mehr als 20 Einrichtungen über 120 Personen auf einer Fläche von 2 684 Quadratmetern. Die Größe des Projekts zahle sich aus, glaubt Weiffenbach. So könne man nicht »wie eine Möhre herausgezogen werden«, wie es bei anderen in der Vergangenheit der Fall gewesen sei.

Die Hausgemeinschaft versucht, diesen selbst ernannten »Ort der Geschichte, Kultur und Kunst« unter allen Umständen zu retten. Das für den Kauf notwendige Geld soll aus drei Quellen kommen: Neben Spenden und einem Kredit will sich der Verein erstmals auch um finanzielle Hilfe von außen bemühen, etwa aus Förderprogrammen für Kultur.

Um bekannter zu werden, startete der Verein am 21. März die »Aktion Territorium Jetzt! Neue Republik Schwarzenberg« in Anlehnung an den Landkreis Schwarzenberg, der 1945 von der Roten und der US-Armee nicht besetzt wurde. Andere Kultureinrichtungen oder Clubs in Mitte richteten seitdem in ihren Räumen »Botschaften« ein und sammelten Spenden und Unterschriften für das Haus Schwarzenberg. Auch die Bezirksverordnetenversammlung will den »Gewerbe- und Kulturstandort« erhalten. Sogar Bundespräsident Johannes Rau mischte sich ein und schlug vor, eine Gedenkstätte für Menschen einzurichten, »die während der Zeit des Nationalsozialismus unter Einsatz ihres Lebens Verfolgten geholfen und Menschen gerettet haben«. Rau nannte die ehemalige Blindenwerkstatt Otto Weidt, die heute als Teil des Hauses eine Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin beherbergt. Weidt rettete viele Juden vor der Deportation, indem er sie als Arbeitskräfte für die »kriegswichtige Produktion« anforderte.

Auch wenn die Situation aus finanziellen Gründen fast ausweglos erscheint, glaubt Henryk Weiffenbach an die Zukunft des Hauses: »Immerhin verhandeln wir noch und haben die Koffer noch nicht gepackt.«

christian honnens