Leibzsch!

Der deutsche Bewerber um die Olympischen Sommerspiele 2012 von elke wittich

So, ab jetzt ist aber endlich und für alle Zeiten Ruhe in der Zone. Damit, dass Leipzig am letzten Wochenende offiziell die Erlaubnis erteilt wurde, sich als deutscher Vertreter um die Olympischen Sommerspiele 2012 zu bewerben, wurde alles, was möglicherweise an den einst so leichtfertig versprochenen Aufbau-Milliarden noch fehlen könnte, endgültig bezahlt.

Denn nun reicht es. Mit dem suspekten Verweis darauf, seit mehr als 50 Jahren pausenlos belogen und betrogen worden zu sein, hatte der Osten sich seit 1990 in alle Bereiche des öffentlich-bundesrepublikanischen Lebens eingeklagt. Sinistre Gestalten wie Stefanie Hertel und Carmen Nebel durften seither live und zur besten Sendezeit auf Bühnen herumstehen, zonale Fußballclubs in unserer Bundesliga mit daran Schuld sein, dass die Bayern wieder Meister werden, und blond gefärbten Langstreckenläufern mit sächsischem Akzent war es sogar erlaubt, sich in der Boulevardpresse mit der auswendigen Kenntnis der ersten Strophe des Deutschlandliedes zu brüsten.

Günther Jauch half mit schöner Regelmäßigkeit noch dem letzten PDS-Heiopei aus Grimma über die 8 000-Euro-Hürde, weil er das sonst unweigerlich folgende Gejammer über finanzielle Miseren und bösartige BRD-Methoden auf keinen Fall anhören wollte, und sogar bei Big Brother kürten die Zuschauer bisher grundsätzlich den erbärmlichsten, sprich den aus den fünf neuen Bundesländer kommenden, Kandidaten zum Gesamtsieger.

Und nun darf also aus der Heldenstadt die Olympiastadt Leipzig werden. Hochdeutschsprachigen Leipzigbesuchern war dieser Ort schon immer sehr suspekt. Seine Hotel-Rezeptionistinnen sind beispielsweise nicht in der Lage, dem Gast den schnellsten Weg ins Zentrum ohne enervierenden Lokalstolz zu erklären: »Und dann fahren Sie an unserem Gewandhaus vorbei und dann biegen Sie hinter unserem Hauptbahnhof links ein.«

Der vollkommen berechtigte westliche Einwurf »Mmmmh, nur mal der Ordnung halber: Eigentlich gehört das alles jetzt uns!« macht das eben noch so devote Dienstpersonal bockig, es verstummt. Was nicht weiter schlimm ist, denn noch mehr »unser Museum« und »unser Dixiklo« könnte eh nicht ertragen werden.

Wir können nun indes beruhigt aufatmen. In nur wenigen Jahren werden die Schaltertussen gezwungen sein, zufällig vorbeikommenden Reisenden Wege mit einem nicht besonders knappen »Hinter der Ruine unseres nicht zu Ende gebauten Olympiastadions rechts, und dann vorbei an den nicht fertig gestellten Athletenunterkünften, für die wir übrigens immer noch Investoren suchen« zu beschreiben.

Und wir werden nicht dafür in Regress genommen werden. Denn im Jahr 2005 wird nicht der Kanzler mit einem schon vorab geöffneten Briefkuvert vor die Öffentlichkeit treten, und die Konkurrenten werden auch nicht solche Metropolen wie Düsseldorf oder Stuttgart sein, sondern das IOC wird sich entscheiden zwischen richtig interessanten Städten wie Moskau, Madrid, Toronto, Paris oder New York.

Dass Leipzig da nicht gewollt ist, damit haben wir nichts zu tun. Die Sachsen hatten schließlich von uns das zur Bewerbung nötige Klimpergeld erhalten – und wenn der Rest der Welt Ostdeutschland ganz unbedingt uninteressant findet, soll das nicht unser Problem sein.