Offen für alle

Die griechische Regierung will es sich weder mit der einheimischen Friedensbewegung noch mit den USA verderben. von harry ladis, thessaloniki

Anders als die spanische oder die britische ist die griechische Regierung in der Bevölkerung wegen ihrer Einstellung zum Irakkrieg sehr beliebt. Doch obwohl der griechische Minister- und derzeitige EU-Ratspräsident Kostas Simitis mehrmals zu einer gemeinsamen Politik der Union angesichts des Krieges aufgerufen hat, will er keineswegs die Beziehungen zu den USA stören. Diesen Weg hat der Gründer der sozialdemokratischen Regierungspartei PASOK, Andreas Papandreou, vorgegeben, indem er zwar ständig gegen die Amerikaner wetterte, ihnen aber gleichzeitig alle Türen öffnete.

»Die Kriegstreiber wollen kein starkes Europa. Der einheitliche europäische Raum und der Euro machen ihnen zu schaffen. Sie wollen die EU schwächen«, empörte sich Simitis zwei Wochen nach Kriegsbeginn. Von der Kritik weitgehend verschont blieben hingegen Saddam Hussein und sein diktatorisches Regime. Und auch in der Friedensbewegung ist davon wenig die Rede. Sie hat in den USA und ihren Verbündeten überzeugende Feindbilder gefunden.

Kein Wunder also, dass sich Simitis nun auch an der Initiative für einen schnellen Aufbau einer europäischen Armee beteiligen will. Nach der deutschen, französischen, belgischen und luxemburgischen Regierung hat Griechenland in der vergangenen Woche angekündigt, an einem entsprechenden Treffen Ende April teilzunehmen.

Harmonischer als bei der Frage nach einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik, die auf heftige Ablehnung Großbritanniens stößt, könnte es auf dem EU-Gipfel in Athen am Mittwoch dieser Woche zugehen. Die britische und die spanische Regierung sind sich mit Simitis weitgehend darin einig, dass die Uno beim Wiederaufbau des Irak eine zentrale Rolle spielen muss. Der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, forderte am vergangenen Donnerstag, die Tätigkeit der UN nicht auf humanitäre Hilfe zu beschränken. Und auch Frankreich sprach sich erneut für eine bedeutende Rolle der Vereinten Nationen beim Wiederaufbau des Irak aus.

Nur Dänemark unterstützt eine von den USA geführte Verwaltung in Bagdad. »Die Rücksicht auf das Wohl des irakischen Volkes ist wichtiger als eine führende Rolle der UN beim Wiederaufbau«, meinte der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen.

Die klare Anlehnung an die deutsche und französische Position hindert die griechische Regierung jedoch wiederum nicht daran, die USA im Irakkrieg logistisch zu unterstützen. Insbesondere die Militärbasis Souda auf Kreta, die von den USA bereits seit den fünfziger Jahren benutzt wird, besitzt wegen ihrer Lage eine besondere strategische Bedeutung. Für die Truppentransporte aus Westeuropa liegt sie auf dem halben Wege in den Nahen Osten; ohne sie würden für die alliierte Kriegsmaschinerie ernsthafte Nachschubprobleme entstehen.

Die griechische Regierung hat sich 1994 in einem Abkommen verpflichtet, faktisch die Betriebskosten für die Basis zu übernehmen und gleichzeitig auf jegliche Hoheitsrechte zu verzichten. Dafür dürfen griechische Truppen Militärbasen in den USA benutzen.

Bereits am ersten Tag des Kriegs blockierten rund 500 Anarchisten die Basis. Seitdem kam es immer wieder zu friedlichen Demonstrationen in Souda, doch die zumeist symbolischen Aktionen blieben ohne Folgen. Die Regierung zeigte zwar viel Verständnis für die Proteste, verwies aber gleichzeitig auf ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den USA. Eine entschlossene Antikriegsbewegung oder gar direkte Aktionen gegen ihre indirekte Kriegsbeteiligung brauchte sie auch nicht zu fürchten.

Nur die Kommunistische Partei wäre zu einer massenhaften Mobilisierung in der Lage gewesen, zumal in den vergangenen Jahrzehnten der Antiamerikanismus zum festen Reportoire der Partei gehörte. Doch ihr Anliegen ging in eine andere ganz andere Richtung. Bei der größten Antikriegsaktion Anfang April in Thessaloniki versuchte ihre Jugendorganisation, die Demonstranten daran zu hindern, die Polizisten vor dem US-Konsulat mit Eiern und Flaschen zu bewerfen. Ähnliche Vorfälle wiederholten sich am gleichen Tag in Athen, als Molotow-Cocktails und Steine auf Polizisten vor der amerikanischen Botschaft flogen.

Die sozialen Initiativen, Parteien und Gewerkschaften wollen friedliche Proteste, was ganz im Sinne der griechischen Regierung ist. Und sie ergreift auch gleich die Gelegenheit, sich auf die Aktionen gegen den EU-Gipfel im Juni in Thessaloniki vorzubereiten. So hat der Minister für Nordgriechenland, Giorgos Paschalidis, kürzlich Vertreter der KP, des griechischen Sozialforums und der Gewerkschaften zu einem Treffen mit dem wohlklingenden Namen »Gastfreundschaft und Respekt« eingeladen.

Diese Organisationen vereinbarten mit der Regierung, friedlich zu protestieren, als Gegenleistung sollen sie Kongresshallen und Transportmöglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Zum ersten Mal hat es die Regierung geschafft, eine Übereinkunft mit den sozialen Bewegungen zu schließen.

Begleitet wurden die Antikriegsproteste durch mehrere Streiks, die jedoch nur wenige Stunden dauerten. Denn auch die Gewerkschaften sind der Meinung, dass schließlich nicht die griechischen Unternehmen für den Krieg verantwortlich zu machen sind, sondern US-Konzerne. »Nein zum Krieg«, verkündet daher ein Plakat der Handelskammer von Thessaloniki, das alle Läden schmückt. »Kauft bei griechischen Firmen ein!«

Doch nicht nur die Handelskammer und die Gewerkschaften unterstützen die Antikriegsaktivitäten. Auch die Zeitungen und Fernsehnachrichten sind voll mit Friedensappellen, selbst wenn sich der Pazifismus der Zuschauer in Grenzen hält. Die Berichte über den Abschuss von alliierten Hubschraubern und der Tod von US-Soldaten lösten regelmäßig begeisterte Reaktionen bei Lesern und Zuschauern aus.

Die Antikriegsaktionen, zu denen in den Medien aufgerufen werden, sind vielfältig. Kerzen- und Nelkenketten sind ebenso beliebt wie die Aufforderung, zu einem bestimmten Zeitpunkt das Licht auszuschalten oder Bettlaken aus dem Fenster zu hängen. Die meisten Parteien und Gewerkschaften wie auch staatliche Stellen unterstützen diese Aktionen.

Mittlerweile sind viele Griechen in diesen Aktionsformen geübt. Vor einigen Jahren wurde auf ähnliche Weise zu patriotischen Demonstrationen gegen die Anerkennung eines unabhängigen Staates Mazedonien aufgerufen, später für die Freilassung des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Nun ist der Friede die erste Bürgerpflicht.