Platz in der Wüste

Nach dem Erfolg der USA im Irakkrieg fürchtet die Bundesregierung um ihre Rolle beim Wiederaufbau des Landes. von tom frasetzky

Die Nachricht vom Fall Bagdads kam hierzulande für die meisten völlig überraschend. Und sie wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Während in Berlin am vergangenen Donnerstag hunderte Exil-Iraker die US-Botschaft mit Freudentänzen belagerten und mit Plakaten winkten, auf denen sie George W. Bush dankten, warnten die Sprecher der deutschen Friedensbewegung vor dem, was ihrer Ansicht nach nun bevorsteht.

Der Kasseler Friedensratschlag erklärte: »Es ist abzusehen, dass der Angriffskrieg der USA politisch in eine Niederlage der Aggressoren und ihrer arabischen Verbündeten mündet.« Abzusehen ist allerdings auch, dass die Themen der Friedensbewegung nun wieder in den Hintergrund treten. Das Völkerrecht, der Einsatz von Streubomben oder der Beschuss von Journalisten sind seit dem vergangenen Mittwoch ein Fall für die hinteren Seiten der Zeitungen.

Die Proteste, die in Deutschland seit Kriegsbeginn abflauten, sollen trotzdem fortgesetzt werden. Das Netzwerk Friedenskooperative hofft immer noch auf »zigtausende« Demonstrierende bei den Ostermärschen. In Berlin gingen am vergangenen Samstag aber nur noch rund 15 000 Menschen für den Frieden auf die Straße. Die PDS warnte vor voreiligem Jubel. »Dieser Krieg ist noch nicht zu Ende«, erklärte Hans Modrow und forderte »Frieden statt Besatzung«.

Auf Indymedia hingegen begann nach den Meldungen über die Einnahme Bagdads sofort eine Diskussion darüber, ob die Bilder von dem Sturz der großen Saddam-Statue und den jubelnden Irakern, die ihre Schuhe in die Hände nahmen und auf Porträts Saddam Husseins einschlugen, inszeniert worden seien. »Exil-Iraker, die am Wochenende von US-Truppen in den Irak eingeflogen und dort beschützt wurden«, hätten den Sturz der Statue bejubelt, hieß es auf der Internetseite. Das Fazit lautete: »Es war eine propagandistisch-mediale Inszenierung größten Ausmaßes!« Dass man sich auf eine andere, für ihre Verschwörungstheorien berüchtigte Internetseite berief, www.whatreallyhappened.com, spielte in dieser Diskussion keine Rolle.

Ganz so leicht machte es sich die Bundesregierung nicht. Sie reagierte zurückhaltend auf den bevorstehenden endgültigen Sieg über das Regime Saddam Husseins. »Jeder Tag, den der Krieg früher zu Ende geht, ist ein besserer Tag«, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Und die regierungsnahe Presse zeigte erste Zweifel an ihrem vehementen Antikriegskurs. So mahnte ein Kommentator der Frankfurter Rundschau die »intellektuelle Redlichkeit« an, festzustellen, »dass die Beseitigung der Terror-Herrschaft Saddams ein humanitärer Fortschritt ist«.

Doch mit solchen Überlegungen wollte sich die rot-grüne Koalition nicht quälen. Sie konzentrierte sich schnell wieder auf ihr Lieblingsthema: die Nachkriegsordnung im Irak. Deutschland wolle »seinen Beitrag« im Rahmen der Vereinten Nationen leisten, »soweit dies gewünscht wird«, sagte Schröder. Andere rot-grüne Politiker traten da schon forscher auf. Der Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz, bezeichnete eine Beteiligung der Uno am Wiederaufbau als unabdingbar.

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt, erklärten, nur eine bedeutende Rolle der Uno könne glaubhaft machen, »dass dieser Krieg nichts mit Kolonialismus oder mit einem Kampf der Kulturen zu tun hat«. Außenminister Joschka Fischer warb in Japan, das Teil der »Koalition der Willigen« ist, die den Irakkrieg befürwortete, um Unterstützung für den Plan einer von der Uno geführten Nachkriegsmission im Irak.

Wer von der Uno redete, meinte meist Deutschland. »Es ist nicht unsere Aufgabe, die Trümmer wegzuräumen«, hatte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) noch vor kurzem gesagt. Doch mit dieser Meinung scheint sie in der rot-grünen Koalition nun allein dazustehen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte eine »faire Beteiligung« deutscher Firmen am Wiederaufbau des Irak. Sie müsse »zu den üblichen internationalen Wettbewerbsbedingungen, die nicht von einer Macht diktiert werden sollten« erfolgen, sagte Thierse zu Bild am Sonntag.

Auch Unionspolitiker sorgen sich um die deutsche Wirtschaft. Friedrich Merz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, will eine deutsche Hilfe für den Irak gar von der Beteiligung deutscher Unternehmen am Wiederaufbau abhängig machen. Der Passauer Neuen Presse sagte er, der Irak sei »ökonomisch interessant und eine potenzielle Wachstumsregion«. Der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und ehemalige Irakbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Erich Riedl, sagte schon Ende März der Süddeutschen Zeitung: »›Made in Germany‹ hat im Irak einen guten Ruf. Das könnte nach dem Ende des gegenwärtigen Krieges der deutschen Wirtschaft beim Wiederaufbau des Landes zu Gute kommen.«

Auch beim eilig anberaumten Treffen Schröders mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in St. Petersburg ging es um die Frage des Wiederaufbaus. Alle drei Staatsmänner forderten, er solle unter der Leitung der Uno stattfinden.

Friedbert Pfüger, der außenpolitische Sprecher der CDU, kritisierte das Treffen und die »unselige Achsenbildung Schröders«. Die St. Petersbuger Runde habe ein »Signal der Spaltung« gesendet, es sei unklug, dass die drei Länder, »die dezidiert gegen den Kurs der Amerikaner und Briten gewesen sind, sich gleich nach dem Krieg wieder treffen und lautstark Forderungen in die Welt setzen«.

Das sieht man in den USA ähnlich. Der stellvertretende US-Verteidigungsminster, Paul Wolfowitz, forderte am vergangenen Donnerstag, Deutschland, Frankreich und Russland sollten einen Großteil der Schulden des Irak begleichen. Wolfowitz sagte, er denke dabei an die Schulden, die durch die Gelder entstanden seien, »die diese Länder Saddam Hussein geliehen haben, um Waffen und Instrumente zur Unterdrückung zu kaufen und Paläste zu bauen«. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wies die Forderung am vergangenen Samstag umgehend zurück. Der Irak werde nach einer längeren Übergangsphase zum Schuldenabbau in der Lage sein, sagte er.