Und Bush reitet den Esel

in die presse

»Alle Evangelien berichten davon, wie Jesus als Eselreiter unter dem Jubel der Bevölkerung in die Stadt Jerusalem einzog. Bei Johannes heißt es: Sie nahmen Palmzweige, gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel.« Nun, so weit ist die Geschichte bekannt, die die Welt uns am vergangenen Donnerstag erzählte. Die Ereignisse des Palmsonntags in Jerusalem sind auch Ungläubigen im Allgemeinen geläufig.

Neu aber ist das: »Die Amerikaner sandten erst Stoßtrupps und kamen dann auf Panzern nach Bagdad und also ohne jegliche Aura von Armut und Demut. Aber mit Palmwedeln, dem uralten orientalischen Symbol von Fruchtbarkeit und Herrschaft, wurden auch sie begrüßt. Palmwedel fächeln dem leidenden Volk die Hoffnung auf ein neues Reich zu.«

Man fragt sich: In welcher Welt lebt eigentlich die Welt? Der Amerikaner, der als »König von Israel« in Bagdad einreitet: Dieses Bild übertrifft alles, was in der vergangenen Woche über den Fall Bagdads geschrieben wurde. Die Friedensbewegung irrte sich offenbar. Bush ist nicht Hitler, sondern Jesus.

Doch die Welt ist im Bilde. Am Ende ihres Evangeliums gibt sie sich sogar nachdenklich. »Das Gottesvolk, das dem Messias auf dem Esel Hosianna zurief, wird bald ›Kreuziget ihn!‹ schreien. Der Wankelmut der Massen ist ein Hilfsmotor der biblischen Heilsgeschichte. Für die bewaffneten Befreier Bagdads und Vorkämpfer einer neuen Weltordnung ist er ein Problem, das es zu bedenken gilt.« Nach dem »Palmsonntag in Bagdad« drohe der Karfreitag und damit: »Verrat, Staatsverbrechen, Folter und Hinrichtung«.

Aber fürchtet euch nicht, das Evangelium der Welt ist nicht die düstere Offenbarung Johannis. Denn selbst wenn George W. Bush am Karfreitag etwas müde und schlapp dreinblicken sollte, am Ostersonntag feiert er ja die Auferstehung.

stefan wirner